Wenn diese Olympischen Spiele etwas waren, dann ein Spiegelbild der Gesellschaft. Der Sport geriet in Tokio manches Mal zur Randnotiz, war nur noch Begleiterscheinung zwischen Debatten um Sexismus, Transgender-Regeln, Doping, psychische Erkrankungen, Rassismus und Tierschutz. In Japan wurden Missstände aufgedeckt. Und alleine schon deshalb hat es sich wohl gelohnt, dass diese Spiele ausgetragen wurden.
Komplizierte Rahmenbedingungen
Richtig Spaß gemacht haben sie freilich selten. Dafür waren die Rahmenbedingungen auch zu kompliziert. Ohne Zuschauer ist jeder Wettbewerb eigenartig steril, wenn man beispielsweise von den Wettbewerben der Schützen absieht, wo es immer ruhig zugeht. Durch die Zeitverschiebung fanden hierzulande die Wettkämpfe statt, wenn man als Arbeiter noch im Bett lag oder eben dem Beruf nachging, in der Freizeit abends liefen im TV Krimi-Wiederholungen statt Live-Spiele.
Was aber muss sich ändern, damit Olympische Spiele wieder das werden, was sie einst waren? Oder muss ein komplett neues Konzept her? In Paris soll in drei Jahren vieles anders werden, vorher stehen im kommenden Frühjahr noch die Winterspiele in Peking an. Ob die Corona-Pandemie bis dahin ausgestanden ist, darf bezweifelt werden.
Dass zu den oben genannten Streitthemen weitere hinzukommen werden, etwa Diskussionen um Menschenrechte oder den Klimawandel, ist dagegen so sicher wie das dicke Minus, auf dem die Japaner sitzen bleiben werden. Anders als bei vielen anderen Ausrichtern kann in Fernost zumindest auf eine nachhaltige Nutzung der Anlagen gehofft werden. Und tatsächlich hätten sie einen Ausgleich verdient, vielleicht kann sich das Land in naher Zukunft bei einer Fußball-WM so präsentieren, wie es bereits für 2020 geplant war.
Durchwachsene Bilanz
Aus deutscher Sicht fällt die Bilanz durchwachsen aus. Zählt man lediglich die Medaillen, waren die Tokio-Spiele im Vergleich zum Spektakel von Rio de Janeiro ein klarer Rückschritt. Aber was sind schon Zahlen, zumal wenn zwischen Gold und Rang vier manches Mal nur Zehntelsekunden lagen? Eine Bewertung muss mehr berücksichtigen. Tatsächlich lohnte es sich, mitten in der Nacht mal aufzustehen und den Fernseher einzuschalten. Mancher Kanute oder Ruderer, deren Namen schnell wieder vergessen sein wird, zeigte das, was Olympia ausmacht.
Die Freude überhaupt dabei zu sein, maximaler Einsatz, größte Freude, pure Enttäuschung – das gesamte Paket der großen Emotionen. Vor allem aber einen Sportsgeist, ein Miteinander vor und nach den Wettkämpfen mit den Gegnern. Auch eine eigene Bestleistung darf gefeiert werden, selbst wenn sie zu keiner Medaille führt.
Aus der Zeit gefallen?
Olympische Spiele scheinen oft aus der Zeit gefallen, gefangen zwischen Kommerz, Politik und einer Überhöhung des Sports, die ihm bei aller Begeisterung nicht zusteht. Das alles ändert freilich nichts am Geist des Spektakels, das für viele Athleten noch immer im Mittelpunkt steht. Und Olympische Spiele sind immer auch der Beweis, dass es neben Fußball noch andere tolle Sportarten gibt. Aufgeben sollte man die Olympische Idee nicht.
Reformen müssen her
Allein schon deshalb, weil wahrscheinlich andere Nationen gesehen haben, dass Frauen auch in Ganzkörperanzügen turnen können, wie es die deutsche Mannschaft gezeigt hat. Oder weil es besser ist, zu verzichten, wenn es einem nicht gut geht, wie es Simone Biles vormachte, wovon bei einem anderen Wettkampf kaum jemand Notiz genommen hätte. Und wer andere als Kameltreiber bezeichnet oder Tiere schlägt, hat Olympia nie verstanden.
Reformen müssen her. Und ein Mittel gegen oder ein Umgang mit Corona. damit in Paris der Sport wieder etwas deutlicher im Mittelpunkt stehen kann.