Nullnull gegen Union Berlin. Nur nullnull! Nein, das wollen die Freiburger, ob Kicker, Trainer oder Fans auch lange nach Spielschluss noch nicht fassen. Und glauben schon gar nicht. Da mühten sich die Spieler von Christian Streich mit Eselsgeduld gegen einen Gegner, der im Europa Park-Stadion seine praktische Prüfung im Ausbildungsberuf Betonbauer absolvierte, da kreierten die Freiburger in Summe acht gute Torchancen, von denen mindestens vier zur Kategorie hochkarätig gehörten, doch der alles erlösende Einschlag kam einfach nicht.
Der Reihe nach: Die 16. Minute, Vincenzo Grifo köpft nach einer wunderschönen Flanke von Roland Sallai kräftig aufs Tor, doch Union-Torwart Frederik Rönnow reißt den linken Arm in die Höhe und lenkt den Ball über die Latte. Beides sieht prima aus, Grifos Kopfball und Rönnows Abwehrreflex, doch hätte Freiburgs Spielmacher nur etwas nach links oder rechts, oder halblinks oder halbrechts geköpfelt, die Kugel wäre zum 1:0 ins Tor gegangen.
Die 31. Minute. Matthias Ginters Kopfballvorlage findet acht Meter vor dem Tor Roland Sallai, doch der köpft am Kasten vorbei. 30 Zentimeter weiter nach rechts, es hätte 1:0 gestanden.
Die 45. Minute. Merlin Röhl kommt aus ungünstigem Winkel zum Abschluss, prompt bringt Rönnow einen Fuß an den Ball. Wieder kein 1:0.
Schon zu diesem Zeitpunkt haderte Christian Streich mit dem Lauf der Dinge. „Wir hätten dieses Tor in der ersten Halbzeit gebraucht“, analysiert er später, „dann hätten die Berliner aufmachen müssen und wir Räume bekommen.“ Er meinte Räume, die Unions Catenaccio-Künstler fast die gesamte Spielzeit über verstellten.
Kein guter Tag für Gregoritsch
Die zweite Halbzeit, 47. und 53. Minute. Zwei Chancen für Michael Gregoritsch, doch der Österreicher hat keinen guten Tag. Aber der Höhepunkt sollte erst noch folgen. Nach einer Stunde kurvt Grifo von links in den Strafraum und schlenzt die Kugel Richtung rechtes Eck. Rönnow gibt sich schon geschlagen, doch dann kommt der linke Fuß von Gregoritsch und verändert die Flugbahn des Balls exakt so, dass der am Tor vorbei geht. Hinterher hat kein Freiburger den Gregerl an den Pranger gestellt, aber die Reaktionen auf dem Platz im Augenblick des Desasters waren ja eindeutig gewesen. Hier Hände vor den Augen, dort Kopfschütteln, und der entsetzte Grifo als Bild des Tages: die weit aufgerissenen Augen, die ausgebreiteten Arme – warum zum Teufel?
Letzte Chance durch Röhl
Spätestens da scheint sich bei den Freiburgern alles Richtung Kapitulation aufzulösen. Und doch kommt sie noch, die nächste, die letzte Chance zur Entscheidung. Die Flanke des eingewechselten Maximilian Philipp trudelt durch viele Beine zu Merlin Röhl, aber der beste Freiburger hämmert den Ball geradewegs in die Arme von Rönnow. Ein bisschen mehr nach links oder rechts, oder halblinks oder halbrechts, aber das hatten wir ja schon.
Nullnull also. Zwei Punkte verloren gegen eine Mannschaft, die „impotent im Offensivspiel“ war, wie Union-Trainer Nenad Bjelica es verbal auf den Höhepunkt brachte. Den Freiburgern stinkt das gewaltig. „Wir hätten 2:0, 3:0 gewinnen müssen“, lamentiert Kapitän Grifo. „Du musst so ein Spiel einfach gewinnen, und sei‘s eben nur 1:0“, sagt Christian Streich. Der SC-Trainer addiert im Hinterstübchen sogleich drei plus zwei. In Heidenheim nach Führung verloren, gegen Union nur Unentschieden – da fehlen fünf Punkte in der Rechnung und nach der Hinserie stehen 25 statt nur 30 Punkte auf der Habenseite. Streich drückt das so aus: „25 Punkte sind gut für uns, aber vor den zwei Spielen hatten wir schon 24.“
Ganz zum Schluss wird‘s doch noch lustig. Ein Reporter gratuliert Streich zum 500. Punkt mit dem SC Freiburg und verweist darauf, dass diese Punktzahl mit einem einzigen Verein vor ihm nur sechs Trainer erreicht hätten. Großartig, aber Streich lässt das kalt. „Ich hätte heute gerne 502“, sagt er, „und das ist Scheiße.“