Gegen die Türkei verloren, gegen Österreich verloren. Schlechter hätte der Jahresabschluss der deutschen Nationalmannschaft nicht sein können. Die zarte Euphorie nach dem Trainerwechsel hat sich bereits wieder erledigt. Ob Hansi Flick oder Julian Nagelsmann an der Bande steht, scheint keine Rolle zu spielen. Es ist November, es ist trist und als einzige Hoffnung bleibt, dass das nächste Jahr ein besseres werden mag als dieses.
Was aber macht Hoffnung? Der Kader, der auf dem Papier gut ist, sogar so gut, dass DFB-Präsident Bernd Neuendorf sein Team zu den Titelfavoriten zählt? Aber was nützen glänzende Individualisten, die mit ihren Vereinsteams in der Champions League spielen, wenn sie als Einheit nicht funktionieren? Ist Neuendorf einfach nur von Amts wegen Optimist? Oder so drauf wie ein Kreisliga-Kicker, der nach jeder Niederlage weiß, dass die Partie auch ganz anders hätte laufen können?
Sané-Ausraster zeigt, wie groß der Frust ist
Wie groß der Frust ist, zeigte die Tätlichkeit von Leroy Sané, beileibe kein Treter im deutschen Team, dem in Wien dann aber doch die Lipizzaner durchgingen. Und ganz ehrlich, bei allem Respekt vor den Bosporus-Kickern und den Heurigen-Ballartisten, beide Teams zählen nicht einmal zu den besten Mannschaften des Kontinents. Und die Niederlagen gegen diese Gegner waren nicht unverdient, waren keine Ausrutscher, die Türkei und vor allem Österreich waren einfach besser.
Am 2. Dezember werden in Hamburg die Gruppen der EM-Endrunde ausgelost. Ging es früher meist darum, gegen welche Mannschaften man für die Statistik gewinnen musste, ist für 2024 Demut angesagt. Egal gegen wen es geht, einziges Ziel muss es sein, die Vorrunde zu überstehen. Irgendwie, mit Losglück, dem alten Turniermannschafts-Gedöns, zwanzig Glücksbringern, Schutzengeln und was sonst noch zu haben ist.
Deutsche Elf muss in der Defensive stabiler werden
Das alles wird freilich nichts nützen, wenn die deutsche Mannschaft in der Defensive nicht stabiler wird. Auf dem Papier mag das Mittelfeld überragend sein, den Nachweis der Weltklasse blieb es zuletzt schuldig. Deutschland war immer dann gut, wenn in der Verteidigung unverfroren abgeräumt wurde. Denn wer vorne nicht trifft, darf sich in der Defensive kaum Fehler erlauben. Es gab Europameister wie Griechenland, die mit einem solchen Minimalismus-Fußball erfolgreich waren. Oder die deutsche Elf 2002, die sich nun auch nicht mit spielerischer Klasse in der Offensive hervortat, es dennoch bis ins Finale schaffte.
Es wäre leicht, jetzt in Phrasen abzufallen. Spielern mangelnde Einstellung zu unterstellen, kämpferische Tugenden einzufordern. Wäre es so einfach, wäre der Populismus mit dreckigen Trikots schnell befriedigt. Die Spieler sind ja nicht blöd, die Dinge sind einfach komplizierter. Es gilt vielmehr, eine Spielidee zu finden, die zu diesem Kader passt. Noch kann das gelingen. Julian Nagelsmann ist gefordert. Euphorie kann schnell entstehen, dazu braucht es nicht mehr als ein, zwei Spiele. Eine Einheit, die funktioniert, kann viele Defizite überwinden, wenngleich zur Wahrheit gehört, dass der deutsche Kader nicht mehr die Qualität vergangener Jahre aufweist.
Bleibt noch Hoffnung für die Heim-EM?
Das klingt nach Durchhalte-Parolen. Man muss schon ein Optimist sein, um noch an eine erfolgreiche Heim-EM zu glauben. Aber was bleibt anderes übrig? Pessimismus wäre ehrlicher in diesen Tagen, der macht aber auch nicht glücklich. Und ärgern über eine verkorkste EM kann man sich im kommenden Sommer noch früh genug.
Schließen wir mit einem positiven Aspekt: Das Länderspieljahr ist vorbei. Endlich! Und schlechter als 2023 kann es im kommenden Jahr kaum laufen.