Frau Hettich, in Ihrem Instagram-Profil teilen Sie seit dem Sommer fast nur Beiträge bei Trainings oder Wettkämpfen. Möchten Sie gerne als fleißige Arbeiterin gesehen werden?

Ja, aber ich muss auch nicht ganz so viel Privates auf Instagram teilen. Deshalb beschränke ich mich da hauptsächlich auf die Wettkampf- und Trainingsinhalte.

Haben Sie in diesem Sommer besonders viel trainiert?

Ja, ich habe mehr gemacht als die Jahre zuvor. Das liegt an meiner Entwicklung. Ich bin noch eine recht junge Sportlerin und kann mich in Umfang und Intensität Jahr für Jahr steigern.

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Liegt das auch daran, dass mit Olympia eine besondere Saison ansteht?

Auch das ist ein Grund. Wir waren in Hinblick auf die Olympischen Spiele lange im Höhentrainingslager. In Peking liegen die Strecken auf 1700 Höhenmetern, noch höher als in Antholz, wo wir die Höhe deutlich merken.

Haben Sie in der Vorbereitung bestimmte Schwerpunkte gesetzt?

Ich habe den Schwerpunkt auf die Oberkörperkraft gelegt, weil ich da noch mehr Reserven hatte. Ich denke, dass ich Schritte nach vorne gemacht habe. Es ist ohne Wettkämpfe und den internationalen Vergleich etwas schwer einzuschätzen. Deshalb bin ich sehr gespannt auf den Winter.

Vor der zurückliegenden Saison haben Sie sich eine Weltcup-Platzierung unter den ersten 15 vorgenommen. Letztlich haben Sie ganze acht geschafft. Müssen Sie sich ambitioniertere Ziele setzen?

Meine Ziele waren ambitioniert genug. Für diese Saison würde ich gerne mal auf das Einzel-Podest oder es zumindest angreifen. Da war ich in der vergangenen Saison einige Male knapp dran, habe es aber nicht ganz geschafft. Und dann ist auch noch die Olympia-Qualifikation.

Aber diese sollte doch für eine Athletin, die im Vorjahr im Gesamtweltcup auf Rang 22 und dreimal in den Top Ten war, kein Problem sein.

Ich hoffe nicht. Aber jede Saison ist anders. Meine Kolleginnen aus dem eigenen Team arbeiten sehr gut, und die Konkurrenz schläft auch nicht. Es muss alles passen, damit ich wieder eine Saison auf einem guten Niveau hinbekomme. Ich versuche aber nicht, den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen. Ich gehe nicht in die Saison mit dem Gefühl, dass ich die Olympia-Norm ganz einfach erreichen werde. Da steckt harte Arbeit dahinter.

Der kürzlich zurückgetretene Arnd Peiffer hat neulich in einem Interview gesagt, es gebe bei den deutschen Damen die zwei Top-Athletinnen Denise Herrmann und Franziska Preuß, dahinter sei die Lücke aber etwas zu groß. Stachelt Sie so eine Aussage an?

Das habe ich gar nicht mitbekommen. Mein Ziel ist es, läuferisch besser zu sein als im Vorjahr. Arnd Peiffer hat recht: Die Lücke ist groß. Wir anderen hatten in den letzten eineinhalb Jahren nicht das läuferische Potenzial, um mitzuhalten. Mein Ziel ist es, aus eigener Kraft um Podestplätze zu kämpfen, sodass die Lücke kleiner wird. Ich will mich nicht immer nur auf die perfekten Schießergebnisse verlassen müssen.

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Im Februar starten die Olympischen Spiele in Peking. Welche Bedeutung hat diese Veranstaltung für Sie?

Das ist für jeden Sportler das Nonplusultra. Dort kann man die Karriere mit einer Medaille krönen. Ich verfolge es seit Kindertagen. Es wäre das Größte, dorthin mitzufahren.

Andere deutsche Wintersportler, die bereits bei Olympia waren, haben nach eigener Aussage derzeit noch keine große Lust auf die Spiele in Peking. Wie ist es bei Ihnen?

Die Vorfreude auf das Event an sich ist groß. Den Ort können wir uns als Sportler aber nicht raussuchen.

Wie beurteilen Sie die Vergabe der Spiele nach China, wo die Menschen wenig mit Wintersport am Hut haben und wo es Menschenrechtsverletzungen gibt?

Manchmal fragt man sich, wer solche Entscheidungen trifft. Aber als einzelner Sportler ist es schwierig. Was sollen wir dagegen machen? Klar können wir sagen, dass wir nicht hinfahren, aber letztendlich hat man als Sportler nicht so oft die Chance auf Olympia. Da möchte man auf jeden Fall dabei sein.

Janina Hettich zuhause in Lauterbach.
Janina Hettich zuhause in Lauterbach. | Bild: Maurice Sauter

Sehen Sie sich als Person der Öffentlichkeit in Zwiespalt zwischen Kritik und dem Wunsch, Teil solcher Veranstaltungen zu sein?

Zwiespalt trifft es gut. Wenn ich die Chance habe, dort zu starten, möchte ich es auf jeden Fall tun. Was dort aber abgeht, kann man absolut nicht unterstützen. Es ist also ein Dilemma.

Sind dann die Spiele 2026 in Mailand ein größeres Ziel?

Ja, auf jeden Fall. Dort gibt es sicher ein größeres Wintersport-Flair. Bis dahin bin ich auch im besten Biathlon-Alter. Wenn alles läuft wie geplant, könnte das mein Karriere-Höhepunkt werden.

Ein anderes wichtiges Thema, das auch den Wintersport betrifft, ist der Klimawandel. Haben Sie dessen Auswirkungen bereits direkt zu spüren bekommen?

Ja. Es gibt immer weniger Schnee, sodass man hoffen muss, dass manche Wettkämpfe überhaupt stattfinden. Das war vor 20 Jahren noch nicht so. Häufig muss ich nach Weihnachten verreisen, weil es im Schwarzwald keinen Schnee gibt. Es gibt viele Wettkämpfe, bei denen wir auf einem Band aus Kunstschnee laufen, und daneben sind grüne Wiesen.

Janina Hettich (vorne) im Stehend-Anschlag.
Janina Hettich (vorne) im Stehend-Anschlag. | Bild: Sven Hoppe

Haben Sie dadurch ein größeres Bewusstsein für den Klimaschutz entwickelt?

Ja. Manche Dinge sind bei uns aber schwer zu ändern. Ich reise viel und muss irgendwie zu den Wettkämpfen kommen. Das sind Orte, zu denen keine Züge fahren. Ich versuche, diese Dinge, die ich verändern kann, dann auch zu machen. Ich weiß aber, dass mein persönlicher ökologischer Fußabdruck recht groß ist.

Und der des des Biathlons?

Ich befürchte, dieser auch.

Was muss sich ändern, damit der Wintersport umweltschonender wird?

Weniger reisen und länger an einem Weltcup-Ort bleiben. Manche Veranstalter wären aber nicht begeistert, wenn der Weltcup nicht jedes Jahr bei ihnen stattfindet. Es ist schwierig.

Machen Sie sich Sorgen, dass dem Wintersport die Existenzgrundlage wortwörtlich wegschmilzt?

Ja, diese Sorge habe ich auf jeden Fall. Man sieht, dass es von Jahr zu Jahr weniger Schnee wird. Ein Winter mit viel Schnee war vor 15 Jahren ein normaler Winter. Ich habe die Angst, dass der Wintersport irgendwann gar nicht mehr möglich sein wird. Ich denke, das Bewusstsein für den Umweltschutz in der Bevölkerung kommt immer mehr.

Ist es Ihnen persönlich wichtig, auf solche Probleme aufmerksam zu machen?

Ich habe einen Sponsor, der den Klimaschutz stark vertritt. Das repräsentiere ich mit meinen Kolleginnen. Ich bin gerne ein Vorbild in Bereichen, in denen ich Vorbild sein kann.

Fragen: Maurice Sauter