Es fällt Fabian Rießle in diesem Winter schwerer als sonst, seine Heimat Kirchzarten im Schwarzwald für die anstehende Weltcup-Saison zu verlassen. Schließlich lässt er zu Hause nicht nur seine Frau und Ex-Langläuferin Sandra Ringwald, sondern auch eine knapp ein Jahr alte Tochter zurück. Und eigentlich hat der Nordische Kombinierer in seinem Sport schon so gut wie alles gewonnen. „Aber je näher der Winter kommt, desto stärker wird das Kribbeln“, sagt der 30-Jährige vor seiner zwölften Saison im Weltcup. „Und mit den Olympischen Spielen steht ein besonderes Highlight bevor.“ Sie könnten seine letzten sein.
Am 26. November startet die Saison der Nordischen Kombinierer im finnischen Ruka. Fabian Rießle wird dann drei Kreuze machen. „Man freut sich sehr, wenn es langsam in den Schnee und zu den Wettkämpfen geht. Gerade im Herbst macht das Training im Freien nämlich nicht mehr viel Spaß“, gesteht der Schwarzwälder. „Aber ich habe immer das große Ganze im Blick. Es ist Teil des Geschäfts. Gerade diese schweren Einheiten, in denen man nicht so viel Lust hat, sind die entscheidenden. Denn im Wettkampf ist auch nicht immer alles leicht. Ich weiß, wofür ich es mache.“ Die Erfolge geben ihm recht: Vier Medaillen bei Olympia, sechs bei Weltmeisterschaften und neun Weltcup-Einzelsiege stehen im Lebenslauf.
In der kommenden Saison soll diese Liste ergänzt werden. Platz vier im Gesamtweltcup war es im vergangenen Winter, aber daran möchte er sich nicht messen lassen. Vielmehr haben Podestplatzierungen in den Weltcups und die schnelle Qualifizierung für Peking oberste Priorität. Den Grundstein dafür legte er im Sommer. „In einer Olympia-Saison ist man einen Tick motivierter und investiert ein bisschen mehr Zeit“, sagt Rießle. Im Laufen war der Kombinierer schon immer einer der Besten, stattdessen entscheidet oft das Springen über ein Top- oder Flop-Resultat.
Sprünge müssen noch besser werden
Die Deutschen Meisterschaften Ende Oktober könnten ein gutes Omen sein. Da war Rießle an der Schanze der Beste, am Ende sprangen zwei dritte Plätze heraus. Um mit der internationalen Konkurrenz und vor allem mit Jarl Magnus Riiber, dem norwegischen Dominator der vergangenen drei Jahre, mithalten zu können, verlangt er von sich noch eine Steigerung. „Die anderen springen auf einem anderen Level. Da muss ich noch mehr Risikobereitschaft zeigen.“
„Die Vorfreude auf Olympia hält sich bisher in Grenzen“Fabian Rießle
Die Vorfreude auf den Winter ist groß, die Olympischen Spiele stellen dabei aber eine Ausnahme dar. Sotschi, Pyeongchang und nun Peking – auch die dritten Spiele, an denen Rießle teilnehmen wird, sofern er sich qualifiziert, werden nicht gerade an einem traditionsreichen Wintersportort stattfinden. „Das finde ich traurig. Die Vorfreude hält sich bisher in Grenzen“, sagt Rießle, der die Spiele nicht nach China vergeben hätte. „Der Gigantismus wird immer größer, das ist extrem schade. Wir Sportler haben aber leider keine Mitsprache. Wir müssen das ausblenden und unsere Leistungen bringen.“
Karriereende noch nicht in Sicht
Ob Peking 2022 die letzten Spiele für Fabian Rießle sein werden, steht noch nicht fest. „Wahrscheinlich schon“, sagt der Team-Olympiasieger von 2018, der im Dezember 31 Jahre alt wird. Einen konkreten Plan für das Karriereende hat er zwar noch nicht, sagt aber: „Seit meine Tochter auf der Welt ist, findet bei mir ein Umdenken statt. Ich will noch die WM 2023 in Planica mitmachen, dann werde ich von Jahr zu Jahr schauen, wie die familiäre und körperliche Situation ist.“ Wenn es soweit ist, würde er den Sport sicher vermissen. Es hätte aber auch einen Vorteil: Er müsste dann nicht mehr seine Heimat verlassen.