Es ist der 1. November 2023. 2. Runde DFB-Pokal, der SC Freiburg zuhause gegen den SC Paderborn, was soll da schon passieren. Doch der Zweitligist führt schnell mit 1:0, und dann kommt die 33. Minute. Freistoß für Paderborn direkt an der 16-Meter-Linie.
Auf der Pressetribüne hat der Autor dieser Zeilen das Medienteam des SCP hinter sich. Frage an den Social-Media-Reporter des Vereins: „Der kann das, oder?“ Antwort des Mannes: „Ja, der kann das!“ Mit „der“ gemeint ist Florent Muslija, Paderborner Mittelfeldchef, Sekunden später liegt der Ball im Freiburger Tor. Unhaltbar für SC-Keeper Florian Müller hat Muslija den Ball unter den Querbalken gezirkelt. „Zauberhaft“, jubelt der SCP-Pressemensch, das 0:2 bringt das Ende aller Freiburger Pokalambitionen auf den Weg – das Spiel gegen den Außenseiter geht mit 1:3 verloren.
So etwas kann Florent Muslija dem SC Freiburg nicht mehr antun, denn seit Januar 2024 trägt er das SC-Trikot. „Er darf ruhig weiter solche Tore schießen“, sagte der damalige Trainer Christian Streich nach dem Wechsel des 23-fachen kosovarischen Nationalspielers zum Sport-Club, „dann ist es jetzt ja ein Tor für uns.“
Fußballprofi und Familienmensch
Lange her. Streich ist fort und Muslija inzwischen nahe dran an der Freiburger Startelf. Das haben nach dem Trainingslager in Schruns der neue SC-Trainer Julian Schuster und Sportdirektor Klemens Hartenbach so gesagt. Doch für Muslija endeten die schweißtreibenden Tage im Montafon mit einer Enttäuschung. Wegen muskulären Problemen musste er seinen Startelf-Einsatz im Test gegen Greuther Fürth absagen.
Nah dran ist nicht drin. Im ersten Pflichtspiel des Sport-Clubs musste Florent Muslija erst mal von der Bank zuschauen. Beim 4:0-Sieg im DFB-Pokal beim VfL Osnabrück blieben ihm nur die 20 letzten Minuten. Vermutlich zu wenig, um am Samstag (15.30 Uhr) beim Bundesligastart gegen den VfB Stuttgart unter den ersten Elf zu stehen.
Doch der nur 1,72 Meter große Mann ist ein Kämpfer, aufgeben widerspricht seinem Naturell. „Ich war immer der Kleinste, der Schwächste“, blickt Muslija zurück, „aber ich habe immer weitergemacht.“ Dass er jetzt Spieler beim SC Freiburg ist, hat für ihn sehr große Bedeutung. „Erstens ist das ein toller Verein, zweitens haben wir ein Team mit großem Potenzial“, sagt Muslija, „und drittens bin ich nun ganz nahe an meiner Familie.“
Florent Muslija ist in Achern geboren, hat als Knirps in Sasbach gekickt. Die Gemeinde im Norden des Ortenaukreises bringen womöglich viele SC-Fans eher mit Wein als mit Fußball in Verbindung. Für den kleinen Florent begann beim dortigen Sportverein alles. Erst chauffierte ihn Papa Ismet von Achern nach Sasbach, ehe er bereits als Fünfjähriger die zwei Kilometer mit dem Fahrrad bewältigte. In Achern sind die Muslijas noch immer zuhause und nun auch wieder Florent mit Ehefrau und den zwei Kindern. „Familie“, sagt er, „das ist ein motivationsfördernder Energiepol, der mich stärker macht.“
Arbeiten und lernen im Tunnel
Zurück in die Gegenwart mit einem Blick in die Zukunft. Florent Muslija spielt am liebsten im offensiven Mittelfeld, „ob links oder rechts ist egal“. Einer, der von sich sagt, „der Ball ist mein Freund“, bestimmt der nicht, wo die Angriffe langgehen? In Paderborn vielleicht, in Freiburg nur bedingt. Denn beim Sport-Club muss jeder auch nach hinten arbeiten, wie das in der Fußballersprache heißt.
Ab Januar hat Muslija das beim Üben unter Streichs Fittichen kennengelernt und zuletzt auch im Trainingslager unter Schusters Regiment erfahren. „Die Arbeit war detailliert und auch mit Belastungen, dass du abends wie tot ins Bett gefallen bist“, sagt Muslija. Manchmal fühle man sich da wie im dunklen Tunnel, „aber es lohnt sich, wenn du am Ende des Tunnels besser bist.“
Der Wille, an sich selbst zu arbeiten
Ist besser gut genug? Florent Muslija grübelt nicht. Auf die Konkurrenz in den eigenen Reihen zu schauen bringe eh nichts, es sei ja nur gut, dass es sie gibt, „das macht unsere top Mannschaft aus“. Offensives Mittelfeld? Von rechts nach links sind da: Ritsu Doan, Eren Dinkci, Roland Sallai, Lucas Höler, Merlin Röhl, Vincenzo Grifo, Noah Weißhaupt. Arbeiten müsse man, sagt Muslija, „arbeiten, arbeiten, arbeiten, und dem Trainer keine andere Möglichkeit geben als dich aufzustellen“.
Und es gilt auch, hellwach parat zu sein, wenn man eingewechselt wird. Wenn es dann einen Freistoß oder einen Elfmeter für den Sport-Club geben sollte, wäre der 26-Jährige ein geeigneter Kandidat nach Vincenzo Grifo. „Ich glaube sagen zu dürfen, dass wir beide einen außergewöhnlichen rechten Fuß haben“, erklärt Muslija, „aber wenn der Vince auf dem Platz ist, wird er schießen.“
Nur so viel noch: Einen Elfmeter-Fehlschuss hatte Muslija noch nicht. Und wie er Freistöße schießen kann, wissen sie in Freiburg ja. Spätestens seit dem 1. November 2023.