Es ist ein kleines Stück Metall, aber aus ihm soll Großes entstehen. Der bläulich-silbern schillernde Block steht im dritten Stock des Innovations- und Forschungs-Zentrums der Hochschule HFU in Tuttlingen. Eine ganze Reihe von Wissenschaftlern und Managern haben sich um die Brennstoffzelle versammelt – ein Miniaturkraftwerk, das die Zukunft ins Stammland des Automobils zwischen Schwarzwald und Alb bringen soll.

Der Süden Baden-Württembergs will Wasserstoff-Land werden

„Unsere Vision ist es, die Fertigung von Brennstoffzellen, die Herstellung des dafür nötigen Wasserstoffs und dessen Speicherung wettbewerbsfähig zu machen“, sagt Frank Allmendinger, Vize-Direktor an der HFU. Man wolle nicht noch eine weitere Forschungsgruppe für das Thema, man wolle den Markt erobern. „Am Ende müssen fertige Produkte stehen“, sagt der Forscher. Und dazu brauche man die Industrie.

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Gerade eben hat Allmendinger in einem hoffnungslos überfüllten Versammlungsraum einen Stock tiefer das Projekt H2 Regio Schwarzwald-Baar-Heuberg ins Leben gerufen. Auf den rund 50 Plätzen haben Zulieferer- und Maschinenbau-Manager in dunklen Anzügen Platz genommen. Einige müssen stehen. Politiker sind angereist und haben ein paar Sätze zur Bedeutung der Wasserstofftechnologie fürs Automobil und die Energiewende gesagt. Auch ein Landesminister ist gekommen. Mit im Gepäck: Ein kleiner Scheck mit Geld aus dem Landeshaushalt – als „Anschubfinanzierung“, wie es heißt.

Bereits seit gut einem Jahr auf dem Markt: Der Toyota Mirai mit Brennstoffzelle.
Bereits seit gut einem Jahr auf dem Markt: Der Toyota Mirai mit Brennstoffzelle. | Bild: Toyota/dpa

Das, was hier gerade passiert, ist nichts besonderes, zumindest kommt es in deutschen Automobilhochburgen wie Stuttgart, München oder Dresden derzeit häufiger vor. Seit klar ist, dass der Umstieg auf E-Autos allein nicht ausreichen wird, um die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen, machen sich Wissenschaft und Konzerne unter Hochdruck Gedanken über die Rolle des Wasserstoffs in der Nach-Verbrennungsmotor-Ära. Flankiert wird der Prozess durch den Bund, der vor Kurzem einen Entwurf seiner nationalen Wasserstoffstrategie vorgelegt hat.

Interesse bei Firmen wie Elring-Klinger, Marquardt, Mahle, Chiron oder Aesculap

Dass sich in einer beschaulichen Kleinstadt wie Tuttlingen, irgendwo im Niemandsland zwischen Stuttgart und Zürich, eine Brennstoffzellen-Initiative gründet, hat allerdings Seltenheitswert. Zumal gewichtige Partner am Tisch sitzen. Neben mehreren Wirtschaftsinitiativen und der HFU ist mit dem ZSW aus Ulm eine der führenden Wasserstoff-Forschungsorganisationen im Land beteiligt. Mittelständler mit klingenden Namen wie Elring-Klinger, Mahle, Marquardt, Chiron oder Aesculap haben ihre Vertreter ebenso nach Tuttlingen geschickt wie Energieversorger oder Klein-Firmen, die in ihrer Nische aber unverzichtbar sind.

Forscher und früher in der Zulieferindustrie tätig: HFU-Professor Frank Allmendinger
Forscher und früher in der Zulieferindustrie tätig: HFU-Professor Frank Allmendinger | Bild: HfU

„Um diese Firmen geht es im besonderen“, sagt HFU-Forscher Allmendinger, der früher bei einem Automobilzulieferer arbeitete. Sie seien oft auf ganz wenige Teile im Verbrennungsmotor spezialisiert. Werde er von den Kunden weniger nachgefragt, sei ihr Geschäftsmodell in Gefahr. Die Chance, wegbrechende Umsätze mit anderen Produkten auszugleichen, haben diese Kleinunternehmen nicht.

Brennstoffzellenauto Toyota Mirai in Hamburg: Vor Kurzem hat der Konzern 4000 Patente freigegeben, um den Wettbewerb beim Bau von ...
Brennstoffzellenauto Toyota Mirai in Hamburg: Vor Kurzem hat der Konzern 4000 Patente freigegeben, um den Wettbewerb beim Bau von Brennstoffzellenautos anzuheizen. | Bild: dpa

Zwischen Schwarzwald, Baar und Heuberg teilen einige Unternehmen dieses Schicksal. Rund 750 Automobilzulieferer sind hier angesiedelt, die zusammen mit dem technologisch verwandten Maschinenbau und der Medizintechnik mehrere Zehntausend Arbeitsplätze auf sich vereinen. 90 Prozent der Unternehmen sind Mittelständler und haben weniger als 200 Mitarbeiter. Für sich alleine, sind sie zu klein, den Wandel zu alternativen Fahrzeugantrieben zu schaffen. Die Investitionen in Brennstoffzellen-Technologie sind so teuer, dass selbst die Branchengrößen Partner suchen, um die Kosten zu teilen.

Auch Energieversorger an Bord

Das Tuttlinger Wasserstoffprojekt will das Finanzierungsproblem durch Vernetzung lösen und zusätzlich Technologie zur Verfügung stellen. Die silbern-schimmernde Brennstoffzelle im dritten Stock des HFU-Gebäudes ist dabei ein erster zentraler Baustein. Das sündhaft teure Mini-Kraftwerk soll allen Projektpartnern zur Forschung zugänglich sein. Ziel ist es zudem, Test-Labore an mehreren Standorten im Süden Baden-Württembergs zu eröffnen und die Produktion von grünem Wasserstoff, dem Treibstoff von Brennstoffzellen, anzukurbeln. Ein erstes, weithin beachtetes Wasserstoffkraftwerk betreibt im südbadischen Wyhlen der Versorger Energiedienst – auch er ist Teil der Initiative.

Energiedienst liefert grünen Wasserstoff

Die Unternehmerschaft scheint auf die Hilfestellung nur gewartet zu haben. „Die Asiaten sind Deutschland bei der Brennstoffzellentechnologie einige Jahre voraus“, sagt etwa Wolfgang Häußler, der beim Autozulieferer Marquardt ein Innovationsteam leitet. „Wir brauchen Kooperation unter den hiesigen Zulieferern, weil wir schlicht keine Zeit mehr haben.“ So sehen das hier nahezu alle.

Brennstoffzellenauto Daimler GLC: Daimler hat eine lange Tradition beim Bau von Brennstoffzellenfahrzeugen.
Brennstoffzellenauto Daimler GLC: Daimler hat eine lange Tradition beim Bau von Brennstoffzellenfahrzeugen. | Bild: Frank Rumpenhorst/dpa

Marcus Mixner, Forschungschef beim Werkzeugmaschinenbauer SW aus dem Schwarzwald, erkennt in der Brennstoffzelle „großes Potenzial“ für jenen Zeitpunkt, ab dem die Aufträge für Zulieferteile für Verbrennungsmotoren abnehmen. „Wir müssen da vorbereitet sein“, sagt Mixner. Andere wiederum wollen ganz neue Geschäftsfelder erschließen. Thilo Fessmann, Chef von Zell-Aerosol, einer der deutschen Pioniere für die Abfüllung von Gasen in Kartuschen, hat den Wasserstoff-Tank hinter der Brennstoffzelle im Visier. „Ich will ausloten, ob wir in Zukunft auch Wasserstoff abfüllen können“, sagt der Familienunternehmer aus Südbaden.

Hochschul-Professor Allmendinger drückt es anders aus: „Wir haben in der Region alle technologischen Fertigkeiten, die zur Entwicklung der Brennstoffzellen-Technik nötig sind. Und wir haben die Fachkräfte“. Man müsse jetzt nur Fahrt aufnehmen und machen, machen, machen.