Deutsche Händler in der Grenzregion wehren sich gegen die Einführung einer Bagatellgrenze von 175 Euro bei der Mehrwertsteuerrückerstattung für Schweizer Einkaufstouristen. Sollte das Privileg, das den Eidgenossen einen zusätzlichen Preisvorteil von bis zu 19 Prozent bei ihrem Einkauf in Deutschland sichert, fallen, sehen sie Arbeitsplätze im Handel in Gefahr. Wir haben bei Besitzern von kleineren Läden entlang der Grenze nachgefragt:
Michael Fritz, Schreibwarenhändler aus Stockach, Entfernung zur Grenze 30 km:

Einige Kilometer hinter der Grenze spielt das Thema Mehrwertsteuerrückerstattung für kleine Händler keine tragende Rolle. „Ich habe pro Jahr keine zehn Ausfuhrscheine von Schweizern zu bearbeiten“, sagt Michael Fritz, Inhaber des alteingesessenen Schreibwarenhändlers Papier-Fritz.
Wenn, dann kauften die Eidgenossen meist wertige Gegenstände wie Schulranzen im Gesamtpaket von deutlich über 200 Euro. Generell verirrten sich aber nicht viele Schweizer in die kleinen Läden in der Stockacher Altstadt. Vom Schweizer Einkaufstourismus profitieren in Stockach eher schon größere Geschäfte, wie etwa Möbel- oder Autohändler, wo Schweizer gerne ihren Service machen lassen.
Papierhändler Fritz sieht die Einführung einer Bagatellgrenze für Einkäufe dennoch kritisch. Für kleinere Einkäufe würden die Schweizer möglicherweise nicht mehr nach Deutschland fahren und dann eben auch nicht hier und da noch zusätzlich zugreifen, vermutet er. In Summe liefe die Entwicklung dann schon auf weniger Umsatz heraus.
Peter Muck, Musikladenbesitzer in Konstanz, Entfernung zur Grenze 1 km:

„Es wäre fatal, wenn die Bagatellgrenze eingeführt würde, denn das würde sowohl bei Einzelhandelsgeschäften, als auch bei den Gastronomiebetrieben ein riesiges Umsatzloch reinreißen“, sagt Peter Muck. „Für uns sind die Schweizer Kunden überlebenswichtig.“ Sie reagierten sehr sensibel auf Preiserhöhungen. Wenn die Umsatzsteuerrückerstattung wegfalle, dann bedeute es für die Schweizer eine Preiserhöhung von 7, beziehungsweise 19 Prozent.
Einen Betrag von 175 Euro als Bagatellgrenze anzusetzen, sieht Muck als sehr kritisch an. Die Mehrzahl des hauseigenen Sortiments, darunter Ukulelen, günstige Gitarren, Noten und Zubehör, koste weniger als 175 Euro und würde damit unter die Bagatellgrenze fallen.
Die Einführung würde den ganzen Handel in Konstanz treffen und eine Abwärtsspirale würde beginnen, vermutet der Händler. „Als Erstes würden sicherlich aus Spargründen Mitarbeiter entlassen. Kleine Geschäfte müssten schließen, es gäbe Leerstand, die Stadt verliere an Attraktivität“, sagt er.
Zudem sänken die Gewerbesteuereinnahmen und letztlich fehlten der Stadt die finanziellen Mittel zum Erhalt der Infrastruktur. „Ich hoffe, dass die Bagatellgrenze verhindert wird, denn die ganze Region ist betroffen. Zumal es im Zeitalter der Digitalisierung einfachere, effektive Wege geben sollte, die Umsatzsteuerrückerstattung abzuwickeln.“
Marcus Weiß, Bekleidungsgeschäft May Mode in Bad Säckingen, Entfernung zur Grenze 2 km:

„Wir haben zwischen 50 und 60 Prozent Schweizer Kunden“, sagt Marcus Weiß. Es seien in den letzten Jahren schon weniger geworden. Der ältere Kundenstamm breche vielleicht weg, vermutet Marcus Weiß.
Die ältere Generation (50 bis 80 Jahre) kaufe nach wie vor hier ein, aber die jüngere komme vorbei, informiere sich hier, kaufe dann aber häufiger online ein.
Bedingt durch die vielen Schweizer Kunden rechnet Marcus Weiß mit einem Rückgang der Kaufkraft bei einer Einführung der Bagatellgrenze: „ Es kauft nicht jeder Kunde für 175 Euro ein. Wir haben viele Kunden, Stammkunden, die einmal pro Woche kommen, dann oft nur ein bis zwei Teile mitnehmen und dadurch den Schwellen-Betrag pro Bon von 175 Euro nicht erreichen würden. Unsere Schweizer Kunden kommen definitiv auch deswegen zu uns, weil sie wissen, dass sie bislang auch für einen kleineren Betrag einen Ausfuhrzettel bekommen.“
Weiß glaubt schon, dass die Bagatellgrenze komme. Man mache sich für diesen Fall natürlich Gedanken, habe aber nicht wirklich eine Lösung parat. „Wir unterhalten uns in der Geschäftswelt natürlich untereinander und machen uns Sorgen, ob wir die Arbeitsplätze bei einer Einführung der Bagatellgrenze halten können oder, wenn der Umsatzrückgang wirklich da ist, man Arbeitsplätze streichen muss.“
Frank Schlatter, Schreibwaren- und Schulbedarfsgeschäft Schlatter in Waldshut, Entfernung zur Grenze 3 km:

Frank Schlatter vom Schreibwaren- und Schulbedarfsgeschäft Schlatter in Waldshut ist gegen eine Bagatellgrenze in Höhe von 175 Euro. Er sagt, dass eine solche Grenze besonders die kleineren und inhabergeführten Geschäfte treffen würde.
Eine Grenze von 175 Euro hält Frank Schlatter für deutlich zu hoch und nicht gerechtfertigt, da dieser Einkaufspreis von vielen seiner Kunden nicht erreicht werde. Mit einer niedrigeren Grenze zwischen 40 und 50 Euro könne er sich anfreunden.
Die Mehrwertsteuer-Rückerstattung stelle für ihn eine wichtige Kundenbindung dar: „Die Schweizer Kunden müssen zur Rückerstattung zurück in mein Geschäft kommen. Selbst wenn sie nichts mehr kaufen sollten, erhalte ich trotzdem die Bindung zwischen Kunde und Geschäft aufrecht.“ Im Falle der Einführung der Bagatellgrenze befürchtet Frank Schlatter den Verlust einiger Kunden aus der Schweiz, da die Mehrwertsteuer-Rückerstattung ein klarer Kaufanreiz sei.
Allerdings spielen noch andere Faktoren, wie beispielsweise der Wechselkurs oder die Produktqualität, eine große Rolle beim Einkaufsverhalten der Schweizer.