Dann kommt sie auf die Bühne. Mit Feuer und Rauch. Helene Fischer, die Schlagerkönigin der Republik, zieht ihre Show ab. Perfekt wie immer, aber nicht wie sonst in einer deutschen Großstadt und vor Zehntausenden Gästen, sondern im schwäbischen Burladingen. Mitten im Niemandsland zwischen Stuttgart und dem Bodensee. Begleitet von einer Licht- und Feuershow, die die 12 000-Einwohner-Gemeinde wahrscheinlich noch nie gesehen hat, spielt sie knapp eineinhalb Stunden vor 1500 Gästen aus Politik, Kultur und Wirtschaft. Die meisten sind allerdings Mitarbeiter und Pensionäre von Trigema, jener Bekleidungs-Firma, die seit Jahrzehnten wie ein Fels in der Brandung diversen Globalisierungswellen trotzt und heute der einzige große Textilhersteller ist, der seine Waren komplett in Deutschland fertigt.
Partiarch Grupp: Mit Ecken und Kanten, aber sehr erfolgreich
Verantwortlich dafür ist Firmen-Chef und Textil-Patriarch Wolfgang Grupp, der den meisten Bundesbürgern durch seine Werbespots mit Charlie dem Affen, ein Begriff ist. Grupp ist der Prototyp eines Unternehmers, der nicht mehr so recht in die Zeit passt und vielleicht gerade deswegen so erfolgreich ist. Er gilt aber auch als Perfektionist, für den das Beste gerade gut genug ist.
Daher die pompöse Betriebsfeier in Burladingen, daher Helene Fischer, um das 100-Jahr-Jubiläum seines Unternehmens Trigema zu vergolden. Rund zwei Jahre, so sagt Grupp dem SÜDKURIER, habe es gedauert, den Auftritt anzubahnen. Und jetzt, da die Mitarbeiter ihren Spaß mit dem Superstar hätten und die Halle rocke, sei klar, dass es die richtige Entscheidung gewesen sei.
Grupp krempelte Geschäft in den 1970ern um
Dabei steht eigentlich Grupp im Mittelpunkt des Abends. Vor genau 50 Jahren übernahm der junge Kaufmann das 1919 gegründete Unternehmen aus den Händen seines Vaters. Trigema steckte damals in der Klemme. Das Sortiment war veraltet, und in der Bilanz schlummerten Millionenschulden. Grupp krempelte das Geschäft um. Vor allem setzte er nicht mehr nur auf Nacht- und Unterwäsche, sondern nahm T-Shirts ins Programm auf. Ein Geniestreich, wie sich herausstellen sollte. Im aufziehenden Hippie-Zeitalter verkauften sich seine grellbunten Batik-T-Shirts, die der Traditionalist ab Ende der 1960er Jahre unters Volk brachte, hervorragend. Parallel baute er das schwingenförmige Trigema-Label, das eigentlich ein Hirschgeweih darstellt, zur nationalen Marke aus. Bald belieferte Trigema aus Burladingen die großen Waren- und Modehäuser der Republik mit Freizeit-Textilien.
Trigema-Test-Läden brachten den Durchbruch
Ende der 1980er funktionierte dieses System nicht mehr. Der Preisdruck im Textil-Handel war zu groß geworden. Von den 26 Textil-Betrieben in Burladingen und Umgebung waren fast alle nach Asien abgewandert. Damals rang sich Grupp zu einem radikalen Schritt durch, denn ins Ausland wollte er nicht. Er pfiff auf Großkunden wie Karstadt, Quelle und Aldi und vermarktete seine Waren zusehends selbst. 95 Prozent der Abnehmer habe er damals ersetzt, sagt Grupp heute. Stattdessen errichtete er sogenannte Test-Geschäfte, in denen die Verbraucher Trigema-Produkte direkt erwerben konnten. Mit dem Aufbau des neuen Geschäfts betraute er seine Frau Elisabeth, eine Österreicherin, die er Jahre zuvor beim Jagen in der Steiermark kennengelernt hatte.

Zusätzlich setzte er auf Geschwindigkeit bei der Belieferung seiner Kunden und machte immer mehr im eigenen Betrieb in Burladingen selbst. Heute werden nur der Stoff und das Garn in der EU produziert. Alles Weitere erledigen 1200 Trigema-Mitarbeiter am heimischen Standort. Der Umsatz wächst stetig und lag zuletzt bei gut 102 Millionen Euro pro Jahr.
„Er schimpft mit uns, aber erhört uns auch zu“
Für Grupp, das hört man an diesem Abend von allen Seiten, seien seine Näherinnen und Maschinenführer wie eine große Familie. Er selbst nennt sie „meine Mitarbeiter“ oder die „Trigema-Unternehmensfamilie“. Eine einfache Näherin, die mit ihren Kolleginnen im hinteren Teil der rund 100 Meter langen Festhalle sitzt, drückt es so aus: „Er ist wie ein Vater. Er schimpft mit uns, aber er stellt sich auch vor uns und hört uns zu, wenn wir Probleme haben.“
Job-Garantie für Mitarbeiter-Kinder
In Burladingen heißt es, Trigema übernehme Mitarbeiter schon mal, wenn irgendwo in der Nähe jemand wegen einer Insolvenz auf der Straße stehe. In dem halben Jahrhundert, in dem er bei Trigema am Ruder ist, hat er noch nie eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen. Die Kinder seiner Mitarbeiter, das betont er am Abend noch einmal, hätten die Garantie bei ihm eingestellt zu werden, wenn sie das wollten und Einsatz zeigten.
Denn Einsatz, das fordert Grupp seinen Werkern auch ab. „Ich bin nicht sonderlich sozial“, bekennt er offen. Er habe aber gemerkt, dass es ihm besser gehe, wenn es auch seinen Mitarbeitern besser gehe. Als Beweis dafür gibt es zum 100-Jahr-Jubiläum 1000 Euro extra, seine Lehrlinge bekommen bis zu 300 Euro.
250 000 Euro für Fischer-Auftritt?
Und auch für Helene Fischer ließ Grupp offenbar einiges springen. In der Branche wird kolportiert, dass das Engagement der Künstlerin rund 250 000 Euro gekostet hat. Auch höhere Summen werden genannt. Trigema schweigt dazu. Nur so viel: Gut zwei Jahre habe es gedauert, den Auftritt in trockene Tücher zu bringen.
Die Weichen, dass es in Zukunft erfolgreich weitergeht, hat der 77-jährige Grupp gestellt. Seine Kinder, Bonita und Wolfgang junior, führen Trigema bereits in Top-Positionen. Irgendwann, auch das ist klar, wird einer der beiden den Vater im Chefsessel beerben. Wann das sein wird und was mit dem übriggebliebenen Grupp-Sprössling passiert, darüber hüllt sich die Familie in Schweigen. „Wir wollen es so lange wie möglich mit dir zusammen machen, denn du bist unser wichtigster Mentor“, sagt Grupp junior an dem Abend. In der Halle brandet Applaus auf.
Von einer „wunderbaren Erfolgsgeschichte“ spricht denn auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann an diesem Abend. „Die Wirtschaft braucht Anstand, und Sie, lieber Herr Grupp, zeigen, dass das funktioniert“, sagt er und überreicht dem 77-Jährigen das Bundesverdienstkreuz erster Klasse aus der Hand des Bundespräsidenten. „Ein bisschen überwältigt“, sei er jetzt, sagt Grupp. Er nehme die Auszeichnung gerne an, stellvertretend für die „große Trigema-Betriebsfamilie“.