Den Briten James Howells einen Pechvogel zu nennen, trifft die Sache wohl recht gut. Als der Programmierer im Jahr 2013 sein Haus ausmistete, geriet ihm eine alte Festplatte in die Finger, die er kurzerhand in den Restmüll entsorgte. Das hätte er besser nicht getan. Auf dem Datenträger waren Bitcoins gespeichert, die damals nur einige Cent, heute aber knapp 100 Millionen Euro wert gewesen wären.

Die Episode illustriert das wohl schillernste Finanzmarkt-Phänomen der vergangenen Jahre eindrücklich. Um mehr als 15 000 Prozent ist die Krypto-Währung, die ein unbekannter Programmierer – Tarnname Satoshi Nakamoto – vor einem Jahrzehnt erschuf, seit 2013 gestiegen. Vor allem 2017 hob der Kurs des Bitcoin und einer ganzen Reihe an Schwester-Währungen ab wie eine Rakete. Auf immer mehr Plattformen im Internet werden mit dem virtuellen Geld Geschäfte gemacht. Staaten wie Japan erkennen ihn als Zahlungsmittel an, Börsen handeln Bitcoin-Wertpapiere und Banken gehen daran, Bitcoin-Fonds aufzulegen. Allein in Deutschland investieren geschätzt rund 600 000 Menschen in die Krypto-Währung. Tenzend: schnell ansteigend.

Otto Normalbürger sollte dennoch die Finger von Bitcoins lassen, denn die Entwicklung erinnert frappierend an Spekulationsblasen wie den Dotcom-Hype Anfang der 2000er-Jahre oder den spekulativen Treibsatz, der die US-Immobilienpreise vor gut einem Jahrzehnt in irrwitzige Höhen katapultierte. Sogar zum Urbild der Spekulationsblasen, der Tulpenzwiebel-Hausse im Holland des 17. Jahrhunderts, gibt es Parallelen.

In allen Fällen entfernten sich die Erwartungen auf künftige Gewinne weit von den zugrundeliegenden Fundamentaldaten. Reale Gegenwerte waren nicht oder nur marginal vorhanden. Und nicht zuletzt platzten die Blasen sofort als das Vertrauen der Beteiligten schwand. Gut möglich, dass das auch beim Bitcoin passieren wird. Die Kurse schwanken rasant. Wer nur kurz nicht aufpasst, läuft Gefahr, hohe Verluste einzufahren.

Gleichzeitig steckt hinter dem Phänomen Bitcoin aber mehr als nur ein finanztechnischer Irrwitz. Im Grunde genommen ist die Krypto-Währung nur eine Spielart einer viel umfassenderen Technologie – der Blockchain. Und die ist tatsächlich wegweisend. Am ehesten kann man sie als Software beschreiben, die mittels eines riesigen Rechner-Netzwerks Regeln definiert, die nicht gebrochen werden können. So lassen sich Geschäftsabläufe via Internet sicher abwickeln. Günstig und effizient wird das Ganze, weil Mittelsmänner überflüssig werden. Die Daten fließen direkt vom Kunden zum Dienstleister oder Produzenten. Das bedroht zahlreiche Wirtschafts-Bereiche – vom Einzelhändler über das Autohaus bis hin zu Banken. Letztere sehen ihr Geschäftsmodell in Gefahr, weil ihre zentrale Dienstleistung – die sichere Verwaltung von Vermögen – künftig überflüssig werden könnte. Blockchain-Algorithmen würden in diesem – freilich sehr technik­optimistischen Szenario – menschliche Arbeit weitgehend ersetzen.

So weit ist es aber noch nicht. Derzeit sind es eher Nachrichten über Sicherheitsbedenken, unausgereifte Software-Bausteine der Blockchain und Meldungen über mafiöse Strukturen, die sich speziell im Bitcoin-Umfeld breitmachen, die die Schlagzeilen dominieren. Und diese Gefahren sind real. Vor einiger Zeit kamen einem schlecht geschützten Online-Handelsplatz Bitcoins im heutigen Wert von acht Milliarden Dollar abhanden. Allerdings wurde die Börse, nicht die Blockchain-Software selbst gehackt.

Entsprechend mehren sich die Stimmen, die fordern, die Technologie stärker staatlich zu regulieren oder ganz zu verbieten. Ist Ersteres durchaus sinnvoll, um Auswüchse einzuhegen, ist Letzteres zum Scheitern verurteilt. Der Blockchain-Geist ist aus der Flasche. Tausende Software-Entwickler, auch in Traditionskonzernen, befassen sich mit dem Thema. Diese Dynamik wird man nicht mehr stoppen können.