Baden-Württemberg ist Autoland – klar. Aber ist der Südwesten auch eine entscheidende Größe im Geschäft mit Frachtern, Kreuzfahrt- und Containerschiffen? „Ja“, sagt Jörg Mutschler, Geschäftsführer im Maschinenbauverband VDMA. „An baden-württembergischen Produkten kommt man in der Schifffahrt schwer vorbei.“

MTU, ZF, Zeppelin, Voith – die Zulieferer

Tatsächlich sind es just Binnenländer wie Baden-Württemberg und Bayern, die sich ein erkleckliches Stück vom maritimen Milliardenkuchen sichern – und das alles, ohne mit großen Werften oder jahrhundertealten Reeder-Dynastien aufwarten zu können. Ihre Stärke liegt vielmehr tief im Bauch der Schiffe verborgen. „Motoren, Getriebetechnik und Elektronik sind der Schlüssel des Erfolgs“, sagt Mutschler. Baden-Württemberg und Bayern stünden je für gut ein Fünftel der Zulieferumsätze der deutschen Schiffbauer. Zusammen sind das gut 4,5 Milliarden Euro jährlich.

Maritime Arbeitsbiene mit Voith-Schneider-Antrieb aus Heidenheim.
Maritime Arbeitsbiene mit Voith-Schneider-Antrieb aus Heidenheim. | Bild: Voith

Die Stärke der Südwest-Industrie hat auch Namen. Niemand verkauft mehr Dieselmotoren für luxuriöse Megayachten als die MTU aus Friedrichshafen, die auch bei mittelgroßen Passagierschiffen, Spezialbooten für die Ölindustrie oder Kriegsschiffen mitspielt. Gleich in der Nachbarschaft bezeichnet sich ZF Friedrichshafen gar als Weltmarktführer für „die Entwicklung und den Entwurf kompletter Antriebssysteme für Schiffe“. Insbesondere liefert man Getriebe und Propeller sowie Steuerungselektronik in alle Welt.

Jörg Mutschler: Schiffbau-Experte des VDMA: Im Südwesten sind die Zulieferer stark.
Jörg Mutschler: Schiffbau-Experte des VDMA: Im Südwesten sind die Zulieferer stark. | Bild: VDMA

Voith aus Heidenheim wiederum entwickelt ebenfalls Propeller und Strahlruder für nahezu alle Schiffsgrößen. Besonders bekannt ist der zum österreichischen Andritz-Konzern gehörende Maschinenbauer für seine Schneider-Antriebe – ausgeklügelte Mechanik-Wunder, die vor allem bei Hafenschleppern zum Einsatz kommen. Kein anderer Schiffsantrieb bringe so viel Kraft ins Wasser und ermögliche so schnelle Richtungswechsel, heißt es bei Voith.

Bis zu 20 Zylinder und mehr als 10 000 PS: MTU-Schiffsmotor der 8000er Baureihe aus dem Werk in Friedrichshafen.
Bis zu 20 Zylinder und mehr als 10 000 PS: MTU-Schiffsmotor der 8000er Baureihe aus dem Werk in Friedrichshafen. | Bild: RRPS

Die Liste der heimischen Zulieferindustrie, die nicht nur in der Bodenseeregion Tausende Arbeitsplätze auf sich vereint, ließe sich noch länger fortsetzen. Allein beim Branchenverband VDMA sind gut 40 Firmen aus Baden-Württemberg im maritimen Zulieferbereich gelistet. Ihre Hauptkunden sind oft Autobauer, Schiffstechnik nur eines der Standbeine. „Die große Ausgewogenheit ist ein Riesen Vorteil“, sagt VDMA-Schiffsexperte Mutschler. Denn die maritime Branche hat durchwachsende Jahre hinter sich. Der weltweite Schiffbau befindet sich seit der Wirtschafts- und Finanzkrise im Sinkflug. Im Vergleich zum Ausnahmejahr 2007 ist die Zahl der Neubauten 2018 um zwei Drittel eingebrochen.

High-Tech aus Deutschland

Dass Mutschler dennoch von einer „Blüte des deutschen Schiffbaus“ spricht, hat mit dessen Ausrichtung zu tun. Containerschiffe oder Massengutfrachter laufen in deutschen Werften schon lange nicht mehr vom Stapel. Werften wie Meyer, FSG, MV oder Lürssen haben sich auf Edel-Jachten und Passagierschiffe fokussiert. Hier steigt die Nachfrage. Die Meyer-Werft aus Papenburg ist bis 2025 ausgebucht.

Fähre mit Technologie von ZF Friedrichshafen.
Fähre mit Technologie von ZF Friedrichshafen. | Bild: ZF

In den Edel-Dampfern wird zudem oft deutsches Hightech verbaut. Bei ökologischen Gas-Antrieben oder Power-to-X-Technologien, die ganz ohne CO2-Ausstoß auskommen, sind Motorenbauer wie MTU oder MAN führend. Auch die wartungsärmsten Getriebe kommen aus Deutschland. Über die gesamte Lebensdauer gerechnet sei das ein Kostenvorteil, sagt Mutschler.

China greift auch bei Schiffen an

Dennoch lässt der Wettbewerb keine Zeit zum Durchatmen. Bei Kreuzfahrtschiffen rückt Italien den deutschen Werften auf die Pelle und China greift nach dem Hightech-Segment der Spezialschiffe.

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Bei Container-Kolossen und großen Tankern ist das Riesenreich längst Weltmarktführer. Es komme daher darauf an, die exquisiten Maschinenbaukomponenten auch überall auf der Welt zu verkaufen, sagt Mutschler. Und vor allem, den technologischen Vorsprung zu halten.