Herr Bosshart, der technologische Wandel verändert gerade unsere gesamte Lebenswelt. Gibt es im digitalen Zeitalter überhaupt keine Konstanten mehr?
Trotz des schnellen technologischen Wandels zum Beispiel im Bereich der Robotik gibt es noch gewisse menschliche Konstanten. Menschen haben zum Beispiel eine emotionale Intelligenz, die Maschinen zumindest noch nicht entwickelt haben.
Heißt das, dass der Mensch auf absehbare Zeit weiterhin klugen Maschinen überlegen sein wird?
Ich sehe Maschinen weniger als Konkurrenz. Wir leben mit ihnen bereits in einer Symbiose, und die Schnittstellen verwischen sich zusehends. Wir formen Maschinen und diese formen wiederum uns. Die Frage ist, wie wir die Technik so einsetzen können, dass sie uns nutzt, zum Beispiel indem sie uns von unangenehmer Arbeit befreit. Technologie kann unser Leben vereinfachen, aber auch zerstörerische Kraft entwickeln, wenn wir sie schlecht managen.
Sehen Sie die Herausforderungen der Digitalisierung eher im technischen oder im gesellschaftlichen und mentalen Bereich?
Es geht tatsächlich bei der Digitalisierung nicht nur um technische Reife, sondern auch um soziale Akzeptanz. Wenn die Technologie nicht akzeptiert wird, kann sie niemals gegen den Willen der Gesellschaft durchgeboxt werden. Und Akzeptanz kann nur durch eine Kommunikation gelingen, die den Menschen die Angst vor der Digitalisierung nimmt.
Bei jedem Wandel gibt es Gewinner und Verlierer. Wie wird das bei der Digitalisierung sein?
Menschen mit einer guten Ausbildung haben große Chancen, von der Digitalisierung zu profitieren. Wer diese – aus welchen Gründen auch immer – nicht erwirbt, kann bei der Digitalisierung unter die Räder kommen.
Brauchen wir für diese Gruppe dann ein bedingungsloses Grundeinkommen?
Vielleicht ja. Wichtig ist, dass menschliche Wesen etwas machen, mit dem sie ihr Selbstwertgefühl verbessern können. Aber das muss nicht zwingend Erwerbsarbeit im klassischen Sinne sein. Entscheidend ist die Wertschätzung der Tätigkeit durch die Gesellschaft.
Welcher neuen Technologie trauen Sie in kurzer Zeit den Durchbruch zu?
Es gibt derzeit mehrere Technologie-Trends gleichzeitig. Ich sehe vor allem Potenzial beim Internet der Dinge, bei der künstlichen Intelligenz und beim Cloud Computing.
Wie sehen Sie in diesem Bereich Deutschland aufgestellt?
Deutschland hat eine hervorragend Hardware-Kompetenz und muss jetzt den Wandel zu mehr Software-Kompetenz schaffen. Ich glaube nicht, dass in Deutschland das nächste Google oder das nächste Amazon entstehen wird. Deutschland hat seine Stärken eher in seinem starken Mittelstand.
Was kann Deutschland von der Schweiz beim Thema Zukunftsfähigkeit lernen?
Die Schweiz hat den Vorteil der Kleinräumigkeit. Wir haben dadurch einen hohen Grad der sozialen Kontrolle und ein hohes gesellschaftliches Vertrauen. Aber das Schweizer Modell lässt sich nicht auf Deutschland übertragen.
Fragen: Thomas Domjahn
Zur Person
David Bosshart, Jahrgang 1959, ist Chef des Gottlieb Duttweiler Instituts. Das Institut mit Sitz in Zürich befasst sich mit den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zukunfttrends. Bosshart hat eine Ausbildung als Kaufmann, absolvierte die Ecole Supérieure de Commerce in Neuchâtel und schloss seine Studien an der Universität Zürich mit einer Promotion in Philosophie ab. Bosshart ist Autor des Buches "Die neue Wohlstandsformel der westlichen Welt". (td)