Rund 48 000 Auszubildende starten derzeit in Baden-Württemberg in ihr Berufsleben. Sie werden in den kommenden drei Jahren zum Mechatroniker, Bäcker oder in anderen Berufen ausgebildet. Der Bedarf der Unternehmen an Nachwuchs ist groß. „Am Ausbildungsmarkt Baden-Württemberg stellt sich die Lage aus Bewerbersicht nach wie vor sehr günstig dar. Schwieriger wird es für die Ausbilderseite“, sagt Christian Rauch, Geschäftsführer der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit.

Denn noch immer sind viele Stellen nicht besetzt. Die Unternehmen suchen händeringend nach Nachwuchs. „In Baden-Württemberg fehlen 200 000 Fachkräfte, der größte Teil davon praktisch ausgebildete“, sagt Alexandra Thoß, Leiterin des Bereichs Ausbildung bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Hochrhein-Bodensee. „Das bedeutet für Auszubildende gute Jobchancen.“ Wie gut die Auszubildenden verdienen, hängt von der Branche ab.

  1. Die Löhne liegen meist über der Untergrenze. Die Bundesregierung hat festgelegt, dass Auszubildende in Deutschland bis 2020 mindestens 515 Euro pro Monat im ersten Lehrjahr verdienen sollen. Eine Art Azubi-Mindestlohn also. Nach Zahlen des Bundesinstituts für Berufsbildung liegt der Verdienst von Auszubildenden schon oft darüber: In Deutschland betrugen die tariflichen Ausbildungsvergütungen 2018 im Gesamtdurchschnitt 908 Euro pro Monat.
  2. Die Bezahlung ist kein Vergleich zum Mindestlohn. Der übliche Mindestlohn gilt für Auszubildende nicht: Begründet wird das damit, dass sich Auszubildende in einem Bildungsverhältnis befinden und nicht in einem normalen Arbeitsverhältnis. „Dass ein Auszubildender seinen Lebensunterhalt ausschließlich mit der Ausbildungsvergütung nur schwer bestreiten kann, ist ganz klar. Er erhält eben keinen normalen Lohn, weil er noch lernt und nicht so produktiv arbeiten kann wie ausgelernte Mitarbeiter“, sagt Alexandra Thoß von der IHK.
  3. Baden-Württembergs Azubis werden gut bezahlt. Wie gut Auszubildende verdienen, hängt stark von der Branche ab. Gut bezahlt werden Auszubildende im Bank- und Versicherungsgewerbe, in der chemischen Industrie, in der Metall- und Elektroindustrie und im öffentlichen Dienst. „Es gibt bei den IHK-Berufen kaum einen Bereich, in dem Auszubildende schlecht bezahlt werden“, sagt Alexandra Thoß. Spitzenreiter ist die Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg: Hier verdienen Industriekaufmänner schon im ersten Lehrjahr 1037 Euro. Groß sind die regionalen Unterschiede mit 169 Euro im KFZ-Gewerbe. Während Lehrlinge in Brandenburg 700 Euro im ersten Lehrjahr verdienen, erhält ein Azubi in Baden-Württemberg zeitgleich 869 Euro.
  4. Es gibt auch schlecht entlohnte Ausbildungsberufe. Am wenigsten verdienen angehende Bäcker, Friseure und Floristen. Bäcker im Handwerk verdienen nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit in ganz Deutschland 615 Euro im ersten Lehrjahr. Bei Friseuren hingegen schwankt der Lohn je nach Region stark: In Baden-Württemberg bekommen Friseure 510 Euro im ersten Jahr – und damit 185 Euro mehr als Friseure in Brandenburg, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Denn dort verdienen die Lehrlinge nur 325 Euro. Wenig verdienen hierzulande auch Auszubildende im Hotel- und Gaststättengewerbe: Sie erhalten 650 Euro im ersten Lehrjahr. „Geld ist ein Anreiz für Jugendliche. Aber die Wahl des Berufs hängt nicht nur von dem Verdienst ab, wenn er Spaß macht“, sagt Petra Schlitt-Kuhnt, Pressesprecherin der Handwerkskammer Konstanz. Mittlerweile sind einige Betriebe dazu übergegangen, ihren Azubis als Anreiz andere Zusätze wie Smartphones zu geben.
  5. Der Vorteil gegenüber Hartz IV ist manchmal gering. Wenn die eigenen Eltern nicht für den Lebensunterhalt des Kindes aufkommen können, besteht ab dem 15. Lebensjahr ein Anspruch auf Unterstützung vom Staat. Ein arbeitsloser 15-Jähriger hat demnach Anspruch auf 322 Euro im Monat, hinzu kommen Kosten für die Unterkunft und Heizung. Dabei gilt, dass jegliches Einkommen – zu dem auch das Kindergeld zählt – bis zum 18. Lebensjahr von der Zahlung abgezogen wird.
  6. Viele Stellen bleiben auch in Baden-Württemberg unbesetzt. Kaufmann für Einzelhandel, Verkäuferin und Koch – nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit bleiben in diesen Bereichen die meisten Ausbildungsstellen offen. „Gerade in unserer Region gibt es einen hohen Bedarf an Auszubildenden im Einzelhandel“, sagt Alexandra Thoß von der IHK. „In Berufsfeldern, in denen es viel Bedarf gibt, bleiben immer Stellen frei.“ Auch die Lehrstellen in den Bereichen Fleischerei, Hotel und Gastronomie sind häufig unbesetzt. Derzeit haben die Unternehmen in Baden-Württemberg noch für über 30 000 Stellen keine Auszubildenden. Das ist nach Angaben der Arbeitsagentur aber nicht ungewöhnlich. Erfahrungsgemäß würde die Zahl bis September noch sinken. Im vergangenen Jahr waren im Juli ähnlich viele Stellen unbesetzt, im September waren es dann noch 9000. „Insbesondere die Industrie- und Handelskammern sowie die Handwerkskammern sind mit dem höchsten Anteil an unbesetzten Ausbildungsstellen konfrontiert“, sagt Christian Rauch von der Arbeitsagentur. In der Region sind von 12 900 Lehrstellen derzeit noch 5600 nicht vergeben. Die Handwerkskammer Konstanz zeigt sich zufrieden mit dem Start ins neue Lehrjahr: Die Zahl der neuen Lehrverträge ist um 17,8 Prozent im gesamten Kammerbezirk gestiegen. Ob der Bedarf damit gedeckt sei, ließe sich aber nicht sagen. Für Kurzentschlossene heißt es: „Sie haben auch jetzt noch gute Chancen, eine Ausbildung für dieses Jahr zu finden. Der Fachkräfte-Markt ist abgegrast, deswegen bilden Unternehmen selbst aus“, sagt Thoß von der IHK. Und sie haben noch Platz für Nachwuchs.