Walther Rosenberger, Kerstin Mommsen und Thomas Domjahn

Herr Schell, Rolls-Royce Power Systems (RRPS) steckt mitten im Wandel. Das Unternehmen steht für große Dieselmotoren, will aber künftig mit neuen Technologien punkten. Wo stehen Sie?

Wir haben seit Bekanntgabe unserer neuen Strategie im Jahr 2017 immense Fortschritte gemacht. In unserem klassischen Geschäftsfeld, dem Bau von MTU-Motoren, spielen wir in der Champions League. Gleichzeitig entwickeln wir uns zum Anbieter von Komplettlösungen. Am besten sieht man die Veränderungen bei der Energieerzeugung. So haben wir seit diesem Jahr MTU-Batteriecontainer zur Stromspeicherung oder Microgrids für eine dezentrale und zunehmend nachhaltige Stromversorgung im Programm. Und wir treiben zusammen mit Daimler die Brennstoffzellentechnologie voran, die als Energiequelle für Datencenter dienen. Auch im Mobilitätssektor kommen wir voran: Im kommenden Jahr sind die ersten Hybrid-Züge auf der Schiene, deren Kraftstoffverbrauch um bis zu 25 Prozent sinkt.

Welchen Stellenwert sollen die neuen Technologien erreichen?

Gemessen am Umsatz spielen sie aktuell noch eine kleine Rolle. Da dominieren noch die Großmotoren. Wir erwarten aber einen deutlichen Umsatzanstieg der neuen Technologien in den nächsten drei Jahren. 2019 ist übrigens das letzte Jahr in unserer 110-jährigen Geschichte, in dem wir nur Verbrennungsmotoren ausgeliefert haben. Das verdeutlicht den Wandel.

MTU-Dieselaggregate der Baureihe 4000 treiben auch Fregatten an
MTU-Dieselaggregate der Baureihe 4000 treiben auch Fregatten an | Bild: LPhot Sean Gascoigne

Was sind die Megatrends?

Dekarbonisierung, also die CO2-Reduktion der Energieversorgung, ist ein weltweit dominierendes Thema. In den Entwicklungsländern gibt es über eine Milliarde Menschen die keine gesicherte Energieversorgung haben, weil sie nur unzureichend an Stromnetze angeschlossen sind. Wir sind dabei, diesen Markt gezielt zu erschließen. Dabei hilft uns, dass unsere Lösungen dezentral betrieben werden können.

Bedeutet Greta Thunberg und die Klimadebatte für den Dieselmotorenbauer RRPS, der jetzt in die Energiewende investiert, Rücken- oder Gegenwind?

Sich verschärfende Vorschriften zum CO2-Ausstoß sehen wir als Herausforderung. Gleichzeitig bringt die Klimadiskussion Rückenwind für die neuen Technologien, in denen wir ja klimaeffiziente Gesamtsysteme entwickeln. Aktuell führen wir Projekte durch, um aus regenerativen Energien hergestelltes Methan als Treibstoff in großtechnische Anwendungen zu bringen. Ein derartiger Treibstoff könnte in Zukunft klimaneutral Schiffe oder Nutzfahrzeuge antreiben. Ich wünsche mir diesbezüglich in der Politik eine größere Entschiedenheit, solchen Projekten zum Durchbruch zu verhelfen. Dazu gehört auch, dass Abgaben für CO2 deutlich steigen müssen. Nur auf diese Weise befördern wir technologische Entwicklung. Konsum- und Investitionsentscheidungen werden in die richtige Richtung gelenkt – und zwar hin zu emissionsarmen Systemen.

MTU ist führend bei den Antrieben von großen Mobilkranen
MTU ist führend bei den Antrieben von großen Mobilkranen | Bild: Bryan Tumlinson

Was ist der Treibstoff der Zukunft?

In unseren Märkten halte ich nichts davon, ausschließlich auf batterieelektrische Antriebe zu setzen. Wir brauchen Technologieoffenheit. Und da sind wir dann schnell beim Wasserstoff, der sowohl direkt zum Antrieb oder in einer Brennstoffzelle zur Stromerzeugung genutzt werden kann. Aus ihm können mit elektrischem Strom aus erneuerbaren Quellen auch sogenannte Syn-Fuels erzeugt werden, also künstlich hergestellte, klimaneutrale Kraftstoffe, die in bestehenden Motoren verbrannt werden können. Übrigens würde ich auch den Diesel als Kraftstoff nicht abschreiben. Die Effizienz des Dieselmotors ist bei Verbrennungsmotoren unerreicht und durch die verbesserte Abgasnachbehandlung ist er nun auch sauber. Im Nutzfahrzeugbereich wird er noch lange eine wichtige Rolle spielen.

Wie ist RRPS aktuell aufgestellt?

2018 war wirtschaftlich betrachtet ein Rekordjahr. Und wir werden auch in diesem Jahr beim Umsatz wachsen und eine Gewinnsteigerung zeigen. Das Wachstum bestätigt uns, dass wir auf die richtigen technologischen Trends gesetzt haben. Aber auch wir unterliegen wie andere Firmen wirtschaftlichen Zyklen. In naher Zukunft erwarten wir eine kleine Auftragsdelle.

Luxus-Yachten, hier eine Sunseeker, setzen beim Antrieb auf Made in Fridrichshafen
Luxus-Yachten, hier eine Sunseeker, setzen beim Antrieb auf Made in Fridrichshafen | Bild: Rrps

Werden Sie die Ziele 2019 erreichen?

Unsere Mitarbeiter haben in den letzten Wochen sehr hart gearbeitet, so dass wir trotz der aktuellen wirtschaftlichen Situation 2019 nur leicht unter unseren internen Planzahlen liegen werden.

Wie sieht Ihre Prognose für 2020 aus?

Beim Umsatz streben wir weiteres Wachstum an. Im ersten Halbjahr 2020 erwarten wir aber Herausforderungen. Da müssen wir die niedrigere Auftragslage mit der Beschäftigung in Balance bringen. Deshalb werden wir die Verträge von 120 befristet Beschäftigten nicht verlängern und während der Oster- und Pfingstferien einen Teil der Belegschaft in Betriebsferien schicken. Letzteres erfolgt mit der Hilfe unseres flexiblen Zeitkontenmodells, so dass hier keine Gehaltseinbußen entstehen.

Was sind die Unsicherheitsfaktoren?

Gesamtwirtschaftlich stellt das größte Problem aus meiner Sicht der ungelöste Zollkonflikt zwischen China und den USA dar. In beiden Märkten zusammen machen wir weit über eine Milliarde Euro Umsatz. Der wäre direkt betroffen, wenn die Lage weiter eskaliert. In China sehen wir dennoch viel Potenzial. Aber auch in Südostasien werden wir weiter ausbauen.

MTU-Motoren treiben seit Jahrzenten die Erntemaschinen von Claas an.
MTU-Motoren treiben seit Jahrzenten die Erntemaschinen von Claas an. | Bild: Claas

Wie zufrieden ist eigentlich Ihre Konzernmutter Rolls-Royce mit ihrer deutschen Tochter?

Rolls-Royce ist sehr zufrieden mit uns. Erst kürzlich hat Konzern-Chef Warren East umfangreiche Investitionen in unsere Standorte und insbesondere Friedrichshafen zugesagt. Mit unserer Zukunftsstrategie, die technologieoffen auf emissionsarme Antriebe und Stromversorgung zielt, haben wir bei Rolls-Royce eine Führungsrolle. Das ist ein konzernweites Leitthema.

Können Sie die Investitionszusagen in die deutschen Standorte präzisieren?

Wir haben für die nächsten Jahre substanzielle Beträge, sowohl in Forschung und Entwicklung, als auch bei den Investitionskosten vereinbart.

Auch in vielen Nutzfahrzeugen steckt Technologie vom Bodensee. Hier Motorenmontage in Friedrichshafen, am Stammsitz von RRPS und seiner ...
Auch in vielen Nutzfahrzeugen steckt Technologie vom Bodensee. Hier Motorenmontage in Friedrichshafen, am Stammsitz von RRPS und seiner Motoren-Marke MTU. | Bild: Domjahn, Thomas

Wie managen Sie den technologischen Wandel?

Die Zeiten sind vorbei, in denen man alles alleine tun konnte. Die Herausforderungen sind so komplex, dass man Partnerschaften schließen muss. Einzelne Motorenmodelle entwickeln wir schon heute zusammen mit indischen oder chinesischen Unternehmen insbesondere für die dortigen Märkte.

Wie wird sich die Beschäftigung bei RRPS entwickeln?

Wir haben 2019 unter dem Strich Stellen aufgebaut. Vor allem in der Entwicklung und im Bereich neue Technologien brauchen wir Fachkräfte und werden Personal aufbauen. Gleichzeitig erlaubt uns die in diesem Jahr erneuerte Standort- und Beschäftigungssicherung (SUB) insgesamt bis zu 550 Stellen in anderen Bereichen durch freiwillige Vereinbarungen abzubauen.

Wie kommen Sie beim Anwerben von Fachkräften voran?

Es ist schwierig, junge Menschen an den Bodensee zu bekommen. Die hohe Lebensqualität hier zieht Familien an, aber junge Menschen wollen eher in die Großstädte. Deshalb haben wir München einen Ableger unseres insgesamt 60 Mitarbeiter starken Bereichs „Digitale Lösungen“ gegründet. Diese Spezialisten hätten wir sicher nicht alle nach Friedrichshafen locken können.

Auch in vielen Nutzfahrzeugen steckt Technologie vom Bodensee. Hier Motorenmontage in Friedrichshafen, am Stammsitz von RRPS und seiner ...
Auch in vielen Nutzfahrzeugen steckt Technologie vom Bodensee. Hier Motorenmontage in Friedrichshafen, am Stammsitz von RRPS und seiner Motoren-Marke MTU. | Bild: Robert Hack

Was müsste sich denn dafür ändern?

Grundsätzlich lebt die Bodenseeregion nicht nur von Tourismus und Landwirtschaft. Wir haben hier ein Technologiehub mit Unternehmen von Weltrang und einer Reihe starker Mittelständler. Dieser Aspekt wird nur wenig vermarket, da sollten wir selbstbewusster auftreten. Andere so genannte Metropolregionen haben weit weniger zu bieten. Und wir stehen alle im internationalen Wettbewerb. Bei Infrastrukturthemen wie Digitalisierung, Verkehrsanbindung oder der ständigen Kritik am Bodensee Airport müssen wir aufpassen nicht abgehängt zu werden, wenn hier nicht weiter investiert wird.

Im Sommer haben Sie Aufsehen erregt, als Sie sich im rosa Tüllrock unter die Besucher des CSD gemischt haben. Ist das die neue Leichtigkeit bei RRPS?

Die Teilnahme am CSD ist für unser Unternehmen eine Möglichkeit, unsere Haltung öffentlich zu machen und unsere Transformation zu unterstützen. Das Ganze war mir ein persönliches Anliegen. Mit der Teilnahme haben wir ein deutliches Zeichen gesetzt. Nach der Veranstaltung kamen einige Mitarbeiter auf mich zu und haben gesagt, wie froh sie sind, dass wir uns hier offen positionieren. Diversität – und damit meinen wir nicht nur Genderdiversität – helfen uns besser zu werden. Wir brauchen andere Perspektiven, neue Ideen und Haltungen.