Alle guten Dinge sind offenbar drei. Ursprünglich wollte der Autozulieferer ZF Friedrichshafen den Münchener Bremsenhersteller Knorr Bremse übernehmen. Doch die Übernahme scheiterte am Preis und dem Veto von Knorr-Eigentümer Heinz Hermann Thiele. Dann orientierte sich ZF Richtung Skandinavien, um den schwedischen Bremsspezialisten Haldex zu übernehmen. Doch Knorr bot mit und trieb dadurch den Preis in die Höhe, so dass auch dieser Deal scheiterte. Nun startet ZF einen neuen Anlauf im Bremsengeschäft, diesmal jenseits des Atlantiks. Das Objekt der Begierde ist der amerikanische Konzern Wabco. Wie ein ZF-Sprecher dem SÜDKURIER bestätigte, gibt es "ergebnisoffene Gespräche" mit Wabco bezüglich einer Übernahme. Zuvor hatte bereits Wabco Vorgespräche über einen Zusammenschluss bestätigt. Wir erklären, warum ZF so heiß auf die Wabco-Übernahme ist und was ein Zusammenschluss für die Branche bedeuten würde.
- .Warum will ZF Wabco übernehmen? Die Autobranche befindet sich derzeit im Wandel. Schon seit langem hat sich in der ZF-Konzernzentrale die Ansicht durchgesetzt, dass sich im Zeitalter der Elektromobilität und des autonomen Fahrens nicht mehr Genug Geld mit herkömmlichen Getrieben verdienen lässt. Deshalb erweitert ZF kontinuierlich sein Produktportfolio um weitere Auto-Komponenten. Bremsen sind dabei für ZF ein zentraler Baustein, weil sie mit ihrer Sensorik ein wichtiger Informationsgeber für das autonome Fahren sind. Und gerade im Nutzfahrzeugbereich, der Spezialität von Wabco, könnte sich das führerlose Fahren schneller durchsetzen als beim Auto. "Mit Wabco könnte ZF eine führende Rolle beim LKW der Zukunft einnehmen", sagte der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Center Automotive Research der Universität Duisburg-Essen unserer Zeitung.
- .Wie wahrscheinlich ist es, dass die Übernahme klappt? Wie ZF mitteilt, gebe es bisher "keinerlei Beschlüsse". Auch bei Wabco heißt es, dass es keine Garantie gebe, dass es zu einer Einigung kommt. Doch vieles spricht dafür, dass ZF alles daran setzen wird, die Übernahme zu stemmen. Nach der Übernahme von TRW für knapp 10 Milliarden Euro im Jahr 2015 hat ZF Schulden abgebaut, so dass die Kriegskasse wieder gut gefüllt ist. "Wir haben wieder genug Spielraum für Zukäufe", hatte ZF-Chef Wolf-Henning Scheider Anfang Dezember gesagt. Im Raum steht nach Medienberichten ein Kaufpreis von bis zu 8 Milliarden Euro.
- .Warum ist der Kaufpreis so hoch? Wabco ist ein hochprofitables Unternehmen und erwirtschaftete zuletzt ein Ergebnis von 520 Millionen US-Dollar. Auch technologisch gilt Wabco im LKW-Bremsen-Bereich als führend. Die Beispiele Haldex und Knorr Bremse haben gezeigt, dass man für den Erwerb dieser Bremsentechnologie viel Geld auf den Tisch legen muss.
- .Warum ist die Übernahme unter Ex-Chef Stefan Sommer gescheitert? Bereits 2017 versuchte ZF unter seinem damaligen Chef Stefan Sommer, Wabco zu übernehmen. Doch der Aufsichtsrat gab kein grünes Licht und Sommer verlies das Unternehmen im Streit. Im Unterschied zur damaligen Situation ist die Verschuldung von ZF heute vier Milliarden Euro niedriger. Denn nach und nach hat der Konzern die Darlehen zur Finanzierung des TRW-Kaufs zurückgezahlt, so dass ZF heute einen größeren finanziellen Spielraum hat. Zudem hat Scheider, der seit einem Jahr an der Spitze von ZF steht, scheinbar ein besseres Verhältnis zu Friedrichshafens Oberbürgermeister Andreas Brand, der im Aufsichtsrat des Stiftungskonzerns einen großen Einfluss hat, so dass dieser dem Vernehmen nach den Wabco-Kauf nicht blockieren würde. "Offensichtlich gelingt es Scheider besser, den im Autogeschäft wenig ausgewiesenen Bürgermeister einzufangen", glaubt Dudenhöffer. "Die Zusammenarbeit mit Wabco hätte längst stattfinden können, wenn der Bürgermeister nicht einen Krieg mit seinem früheren Vorstandsvorsitzenden Stefan Sommer angezettelt hätte", so Dudenhöffer.
- .Wie nah könnte ZF durch den Wabco-Kauf an Konkurrenten wie Bosch oder Continental rücken? Aktuell ist ZF mit knapp 37 Milliarden Euro Umsatz die Nummer drei unter den deutschen Autozulieferern. Rechnet man den Wabco-Umsatz von 3,2 Milliarden Euro hinzu, würde der Abstand zu Continental (44,4 Milliarden Euro) und Bosch (77,9 Milliarden Euro) deutlich geringer.
Wabco
Das amerikanische Unternehmen mit Hauptverwaltungen in Auburn Hills und Brüssel ist einer der führenden Anbieter von elektronischen Bremssystemen für Nutzfahrzeuge. Wabco kann auf eine lange Unternehmensgeschichte zurückblicken. Das Unternehmen wurde schon 1869 gegründet und war der Erfinder der Druckluftbremse, die bei Eisenbahnen und Nutzfahrzeugen zum Einsatz kommt. Heute beschäftigt Wabco 15 000 Mitarbeiter in 40 Ländern. Der Konzern verfügt über 28 Produktionsstätten und 12 Entwicklungszentren. Zuletzt erwirtschaftete Wabco einen Umsatz von 3,8 Milliarden US-Dollar (3,2 Milliarden Euro). (sk)