Wenn Klaus Graß den Zahlungsdienst Paypal nutzen will, geht er regelmäßig vor seine Haustür in Murg-Niederhof im Landkreis Waldshut. Erst dort kann er den notwendigen Verifizierungscode empfangen. Am Bahnhof in Laufenburg am Hochrhein die Bahn-App nutzen, wenn der Zug nicht kommt? Funktioniert nicht. Die mobilen Daten seines Telekom-Vertrages zeigen meist nur „E“ an, einen sehr alten Netz-Standard, der nicht mehr ausreicht, um überall problemlos surfen und telefonieren zu können.

Bereits im Oktober 2019 hatten die Netzbetreiber den Kunden entlang der deutsch-schweizerischen Grenze deshalb versprochen, sich um vollen, schnellen Handy-Empfang in LTE-Geschwindigkeit zu kümmern. LTE gilt mittlerweile als Standard für schnelles Internet auf dem Smartphone.

Reduzierte Funkleistung im Grenzgebiet nur auf deutscher Seite

Ein solcher Empfang war jahrelang nicht möglich, weil die Sendemasten entlang der Grenze aus rechtlichen Gründen nicht oder nur mit reduzierter Leistung in Betrieb waren. „Durch eine sehr strikte Auslegung der europäischen Regelungen zur Grenzkoordinierung waren wir in Deutschland gezwungen, an zahlreichen Grenzen einen Sicherheitspuffer von mehreren Kilometern zu halten, um mit unseren Funkwellen nicht das Hoheitsgebiet der Nachbarländer zu erreichen“, sagt Hubertus Kischkewitz von der Telekom.

Da diese Regelungen von den Nachbarländern aber deutlich liberaler gehandhabt wurden, lasse sich das Schweizer Netz entlang der deutschen Grenze seit Jahren meist problemlos empfangen.

Klaus Graß aus Murg-Niederhof hat nur selten 4G-Empfang. Bild: Markert
Klaus Graß aus Murg-Niederhof hat nur selten 4G-Empfang. Bild: Markert | Bild: markert

Eine Initiative der Bundesnetzagentur sorgte vor knapp zwei Jahren nun aber dafür, dass auch die Leistungen der deutschen Sendemasten hochgefahren werden durften. Die Netzanbieter äußerten damals gegenüber dem SÜDKURIER, sich rasch darum kümmern zu wollen. Zumindest Klaus Graß hat davon am Hochrhein bislang aber nicht viel gemerkt. „Zwar zeigt die Karte im Internet der Telekom fast flächendeckende 4G-Versorgung an, auf meinem Smartphone sehe ich das aber nur sehr selten.“ 4G steht für die Mobilfunktechnik der vierten Generation, welche auch mit „LTE“ abgekürzt wird.

Hochfahren der Leistung reicht nicht

Der Telekom zufolge werden 36 von insgesamt 43 Betriebsstandorten im Landkreis Waldshut aktuell mit LTE betrieben. Das Problem: Allein das Hochfahren der Leistungen der bisher bestehenden Mobilfunkmasten reicht nicht aus, um die Versorgung überall spürbar zu verbessern. Das bestätigt auch die Bundesnetzagentur. „Die Mobilfunknetzbetreiber haben die Leistungen ihrer Basisstationen zwar erhöht. Zusätzlich war allerdings der Bau neuer Stationen erforderlich und ist jetzt teilweise realisiert oder wurde begonnen“, sagt Michael Reifenberg von der Bundesnetzagentur.

So hat der Provider Vodafone eigenen Angaben zufolge seit Januar 2020 in Waldshut-Tiengen zwei neue Standorte realisiert, im Kreis Lörrach zwei Neubauten. Andere Standorte wie in Konstanz, Singen oder Stühlingen wurden über Erweiterungen bisheriger Standorte besser abgedeckt. Der Provider Telefónica (o2) war nicht in der Lage, sich zu Erweiterungen beziehungsweise Neubauprojekten gegenüber dem SÜDKURIER zu äußern.

260 neue Standorte entlang der Grenze

Vonseiten der Telekom heißt es, dass 260 neue Standorte in den Grenzregionen in Auftrag gegeben wurden. Das allerdings gestaltet sich Kischkewitz von der Telekom zufolge als deutlich schwieriger als gedacht. Mal muss der Sendemast aufgrund der Topografie auf Schweizer Boden errichtet werden, was zu komplexen und langwierigen Genehmigungsverfahren führt.

Ein Mann telefoniert mit einem Smartphone neben einer Basisstation (Mobilfunkmast). Oft sind die Masten Gegenstand von Diskussionen.
Ein Mann telefoniert mit einem Smartphone neben einer Basisstation (Mobilfunkmast). Oft sind die Masten Gegenstand von Diskussionen. | Bild: Julian Stratenschulte, dpa

„Aktuell arbeiten wir so beispielsweise an Standorten in Full-Reuenthal, Mammern, Weiach, Rümikon und Laufenburg“, sagt Hubertus Kischkewitz. „Wenn alle Standorte in Betrieb sind, wird sich die Versorgung hier im Grenzbereich deutlich verbessern.“ An anderen Stellen hapere es an der generellen Bereitschaft der Bevölkerung, neue Mobilfunkmasten zu akzeptieren. So seien im Gemeindegebiet von Öhningen (Landkreis Konstanz) dringend zwei neue Mobilfunkbasisstationen nötig.

Immer wieder Proteste

„Erst Anfang 2021 wurde jedoch ein Gemeinderatsbeschluss gekippt, der bis dahin vorgab, dass keinerlei kommunale Flurstücke für den Mobilfunk bereit gestellt werden dürfen“, sagt Kischkewitz. Auch in Überlingen (Bodenseekreis) erweisen sich laut Telekom Erhaltung und Ausbau der Mobilfunkinfrastruktur seit Jahren als schwierig – wegen einer eher mobilfunkkritischen Haltung des Gemeinderates, wie er es formuliert, sowie wegen starker Präsenz von Bürgerinitiativen gegen den Mobilfunk.

Anwohner protestieren in Kassel mit Transparenten mit der Aufschrift „Gesundheitslast“ und „Mobilfunkantennen raus aus ...
Anwohner protestieren in Kassel mit Transparenten mit der Aufschrift „Gesundheitslast“ und „Mobilfunkantennen raus aus Wohngebieten“ gegen die Errichtung von Mobilfunkmasten | Bild: Uwe Zucchi, dpa

Die Bundesnetzagentur weiß von den Schwierigkeiten der Provider, neue Basisstationen für den Mobilfunk bauen zu können. „Einzelne Bundesländer erarbeiten Lösungsansätze damit Genehmigungsverfahren beschleunigt werden können“, sagt Michael Reifenberg von der Bundesnetzagentur. Laut dem Landes-Innenministerium sind die Entscheidungsfristen für solche Baugenehmigungsverfahren bereits auf längstens drei Monate verkürzt worden.

Hinzu kommt, dass sich Mobilfunknetzbetreiber verstärkt mit dem Standort-Sharing auseinandersetzen müssen – also der gemeinsamen Nutzung von Sendemasten. „Rechtlich zulässig ist eine solche gemeinsame Nutzung seit etwa 20 Jahren“, sagt Reifenberg. Vodafone und Telekom haben aber erst im Herbst 2020 angekündigt, sich wechselseitig Zugriff auf die Antennen des anderen zu erlauben. Nach Bedenken des Bundeskartellamtes wegen einer Benachteiligung von Konkurrenten, ist nun auch der Provider Telefónica mit im Boot. „Das geht aber nicht überall. An manchen Standorten lässt die Statik beispielsweise nur ein bestimmtes Maximalgewicht zu“, sagt Katja Werz von der Telekom.

Im Fall von Klaus Graß am Hochrhein wird das Standort-Sharing offensichtlich nicht praktiziert. Denn er hat sich nun eine Monats-SIM-Karte von 1&1 für das Telefónica-Netz besorgt und ist zufrieden. „An diversen zufälligen Orten in der Umgebung und auch zu Hause habe ich jetzt immer einen deutlich besseren Empfang.“ Seinen Vertrag bei der Telekom will er kündigen.