Jedes Jahr im Spätsommer steigt beim Großmotorenbauer Rolls-Royce-Power-Systems (RRPS) aus Friedrichshafen die Betriebsamkeit. In Cannes und Monaco stehen dann die großen Yachtmessen an, auf denen Emissäre von steinreichen Investmentbankern, Tech-Milliardäre und Scheichs aus dem Morgenland nach den exklusivsten Superyachten der Welt Ausschau halten.
Drehscheibe Monaco und Cannes
Auch für die britische Rolls-Royce-Tochter RRPS mit Sitz am Bodensee sind die champagnerschwangeren Neuheitenschauen in den Mittelmeer-Metropolen ein Pflichtprogramm. Denn an einem Großteil der in Cannes oder Monaco in Auftrag gegebenen Luxusschiffe verdient das schwäbische Unternehmen kräftig mit.

Denise Kurtulus, Chefin des Marineantriebsgeschäfts von RRPS, spricht von „einer herausragenden Stellung“, die man im Markt von Antrieben für Superyachten weltweit einnehme. Man könnte auch einfach sagen: Kein anderes Unternehmen liefert auch nur annähernd so viele Motoren und Antriebskomponenten für schwimmende Paläste wie die Friedrichshafener.
Das Unternehmen, das seine Ursprünge vor 115 Jahren im Bau von Luftschiff- und Panzermotoren für die Wehrmacht hat, sei in der entsprechenden Leistungsklasse „die absolute Nummer eins und global überall präsent“, heißt es aus der Branche.

Mehr als 40 Prozent aller Superyachten von über 30 Meter Länge seien mit RRPS-Aggregaten der Marke MTU ausgestattet, sagt ein Branchenkenner. Eine Zahl, die das Unternehmen nicht bestätigen will, aber auch nicht dementiert.
Die Branche ist verschwiegen
Hausieren gehen die Friedrichshafener mit dem Thema allerdings nicht. Möglicherweise schadet zu viel Öffentlichkeit dem Geschäft mit der ebenso solventen wie auf Diskretion bedachten Edel-Kundschaft. Nur hin und wieder dringt etwas an die Öffentlichkeit. So zum Beispiel als vor einigen Jahren eine havarierte Superyacht mit Motorschaden vor der Ostküste Afrikas trieb.
Innerhalb weniger Stunden stellten die Friedrichshafener mitten in der Corona-Pandemie ein Rettungsteam zusammen, das wenig später mit 20 Tonnen Material im Gepäck in den Indischen Ozean aufbrach und den Schaden vor Ort in kürzester Zeit behob. „Eine absolute Spitzenleistung“ sei das gewesen, kommentierte der damalige RRPS-Chef Andreas Schell die Rettungsaktion auf hoher See. Solche Episoden bleiben aber die Ausnahme.

Abramowitsch, Bezos und Zuckerberg
Insbesondere über seine betuchte Kundschaft schweigt das Unternehmen mit Verweis auf Geheimhaltungsklauseln in den Verträgen mit den Werften. Das Branchenblatt Superyachttimes will aber herausgefunden haben, dass die Megayachten von Dollar-Milliardären wie dem Sultan vom Oman, dem Herrscher des Emirates Dubai oder der Oligarchen Roman Abramowitsch und Igor Setchin mit Motoren vom Bodensee durch die Weltmeere pflügen.

Außerdem scheint die Dieselpower Made in Germany bei US-Unternehmern beliebt. Sowohl Amazon-Gründer Jeff Bezos, als auch Meta-Chef Mark Zuckerberg lassen ihre schwimmenden Luxustempel von gigantischen MTU-Selbstzündern auf Touren bringen.
13.600 PS und 160 Liter Hubraum
Als Gründe, warum die Auftraggeber auf Wertarbeit vom Bodensee und nicht etwa auf die ebenfalls starke Konkurrenz setzen, führt ein RRPS-Sprecher geringen Kraftstoffverbrauch, Laufruhe, Langlebigkeit sowie das „herausragende Leistungsgewicht“ der hauseigenen MTU-Kraftpakete an.

Die kleinsten der mit zwölf bis 20 Zylindern bestückten Motoren entwickeln 2600 PS. Die größten Triebwerke bringen es auf stattliche 13.600 PS bei 160 Litern Hubraum. Außerdem reicht aus Sicherheitsgründen ein Motor pro Yacht nicht aus. Mindestens zwei, manchmal auch drei oder vier seien an Bord, sagt der Sprecher.
Offiziell indes geht der Trend auch bei den Megayachten zur Nachhaltigkeit, wenn davon bei jährlichen Treibstoff- und Unterhaltkosten von bis zu 50 Millionen Euro pro Yacht, überhaupt die Rede sein kann. Alle MTU-Motoren seien für den Ökosprit HVO zugelassen, der den CO2-Ausstoß um bis zu 90 Prozent senke, sagt der Sprecher. In einer türkischen Werft werde derzeit der erste Hybrid-Antrieb des Hauses in eine Yacht eingebaut. Der soll noch einmal sparsamer daherkommen.

Langfristig setzt der Großmotoren-Spezialist bei Yachtantrieben aber vor allem auf grünes Methanol, das künftig mithilfe von überschüssigem Ökostrom hergestellt werden soll. Ein entsprechender Motor sei aktuell bei RRPS in der Entwicklung, sagt Sparten-Chefin Kurtulus. Generell wolle man mit Marineanwendungen in den kommenden Jahren „überproportional wachsen“.
Die deutsche Yacht-Branche genießt einen guten Ruf
Die Vorzeichen für volle Auftragsbücher sind gut. Weltweit verlassen jedes Jahr mehr Superyachten die Werftbetriebe. Insbesondere seit der Corona-Krise füllen sich die Auftragsbücher der Schiffsbauer in Rekordgeschwindigkeit. Um rund ein Drittel haben die weltweiten Auftragseingänge nach Daten der Beratungsfirma Brand-Essence für Superyachten ab 24 Meter Länge seit dem Coronajahr 2020 zugelegt.
Bei den Werften, aber auch bei den Zulieferern seien „die Auftragsbücher so voll wie nie“, sagt auch Hauke Schlegel, Geschäftsführer und Schiffspezialist beim Maschinenbauerverband VDMA. Nach einer kurzen Corona-Delle stünden die Vorzeichen jetzt wieder voll auf Wachstum.
Glaubt man den Marktforschern, ist das sogar noch untertrieben. Bis 2028 soll sich der weltweite Umsatz mit Superyachten nach Daten von Brand-Essence auf knapp 48 Milliarden Euro fast verdoppeln. Maßgeblich getrieben sei der Hang zum Pomp auf den Weltmeeren von immer mehr Superreichen, sowie einer Lebenskultur, die Abenteurertum und Privatsphäre auf der Bedürfnispyramide ganz oben ansiedele.
Deutsche Unternehmen können sich darüber durchaus freuen. Die heimischen Hersteller genössen im Ausland einen vorzüglichen Ruf, sagt VDMA-Mann Schlegel. Mit Lürssen sowie Blohm+Voss sind zwei der angesagtesten Superyacht-Werften in Deutschland beheimatet.
Konkurrenz durch MAN, Wärtsilä und Volvo Penta
Beim Schiffsantrieb kommt neben Marktführer RRPS auch die Marinemotorensparte von MAN-Trucks auf erhebliche Marktanteile. Die Deutschen konkurrieren hier etwa mit Caterpillar aus den USA und den skandinavischen Antriebsspezialisten Wärtsilä und Volvo Penta sowie Yanmar aus Japan.
Letztere zwei Hersteller dürften auch Bootseignern am Bodensee durch ihre kleinen, aber verlässlich tuckernden Selbstzünder für Binnenyachten ein Begriff sein. Indes: „Bei den Super- und Megaschiffen dominieren die deutschen Motorenbauer“, sagt VDMA-Geschäftsführer Schlegel.
Bodensee-Wirtschaft profitiert vom Boom
Für den Standort Bodensee sind das gute Nachrichten. RRPS fertigt seine Marine-Motoren mit Hunderten Mitarbeitern ausschließlich in Friedrichshafen. Bei den Getrieben kooperiere man auch mit dem Nachbarn ZF Friedrichshafen.
Außerdem hat sich RRPS in jüngster Vergangenheit durch Zukäufe Zugriff auf Yacht-Technologie jenseits des reinen Antriebs gesichert und entwickelt sich immer mehr zum Komplettanbieter komplexer Elektronik.
Die Chancen, dass vom Boom der Megayachten auch die Mitarbeiter in den Blaumännern vom Bodensee profitieren, stehen also nicht schlecht.