Für Bauherren ist es eine schwierige Zeit. Im vergangenen Jahr erhöhten sich die Baupreise im Durchschnitt so stark wie noch nie seit Gründung der Bundesrepublik. Massivholz für Dachstühle, Sparren und Balken verteuerte sich etwa innerhalb eines Jahres um satte 77 Prozent. Schnöde Dachlatten wurden um zwei Drittel teurer. Stahl um die Hälfte. Und aktuell droht durch die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine eine neuerliche Preiswelle. Gleichzeitig will die Bundesregierung die Bauförderung neu ausrichten. Wir haben mit Experten gesprochen, was jetzt zu tun ist.

Der Praktiker sagt, Deutschland fördere die falschen Häuser

Markus Keller ist Bauingenieur und Bauplaner mit eigener Firma in Hüfingen.
Markus Keller ist Bauingenieur und Bauplaner mit eigener Firma in Hüfingen. | Bild: Keller

Markus Keller ist der Meinung, dass beim Bauen einiges schief läuft, und zwar gerade weil der Staat jedes Jahr über seine Förderbank KfW den Bauherren Milliardenbeträge zuschießt. „Wer heute ein Haus baut, versucht alles an Förderung mitzunehmen, was möglich ist“, sagt Keller, der in Hüfingen selbstständiger Bauingenieur und -Planer ist. Aber genau das sei der Fehler.

In seiner täglichen Arbeit nimmt er wahr, dass viele Bauherren den Blick dafür verlieren, welches Haus ihren Bedürfnissen entspricht. Insbesondere kritisiert er die KfW-Standards, die den Energieverbrauch von Häusern in Klassen einteilen und für die Förderung maßgeblich sind.

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Extrem stark gedämmte Häuser hält er für „viel zu teuer“ und „ohne wesentlichen Zusatznutzen“, sowohl für das Klima als auch für ihre Bewohner. Wenn man die Gesamtenergie, die etwa für die sehr materialaufwändige Konstruktion aufgewendet werde, einbeziehe sei die Klimawirkung von KfW-40-Häusern bescheiden. Und die Behaglichkeit leide. „Der Bau so eines Hauses ist eine Materialschlacht und nützt der Umwelt wenig“, sagt Keller.

Dazu kommen konstruktive Schwächen, wie der „Thermoskanneneffekt“. Davon sprechen Fachleute, wenn die Dämmung im Sommer das Eindringen der Nachtkühle ins Haus verhindert. Als Folge staut sich die Wärme. Nur teure Lüftungssystemen schaffen Abhilfe. Das Plus im Winter ist also ein Manko im Sommer.

Von den hochwirksam gedämmten Bauten profitierten „eigentlich ausschließlich Baustoffindustrie und Haustechnikhersteller“, sagt Keller. Diese verdienten sich seit Jahren eine goldene Nase an der Aufrüstung der Häuser. Keller ist der Meinung, dass das Optimum fürs Bauen in unseren Breiten „irgendwo zwischen KfW-55 und KfW-70“ liegt.

Kombiniert mit Photovoltaik und Solarthermie auf dem Dach, gegebenenfalls Holz- und Kachelöfen oder Wärmepumpen seien diese Häuser nicht überkomplex und gleichzeitig auch für Zeiten steigender Energiepreise gewappnet. Sie sollten für die Breite der Bevölkerung erschwinglich sein und daher auch gefördert werden, sagt Keller, der im Schwarzwald nebenher für die FDP Kommunalpolitik macht. Alles, was darüber hinaus gehe, hält er für „teuren Luxus und Privatvergnügen“.

Der Energieberater will Solar-Häuser von der Stange

Frank Hettler ist Leiter des Informationsprogramms Zukunft Altbau, das vom Umweltministerium Baden-Württemberg gefördert wird.
Frank Hettler ist Leiter des Informationsprogramms Zukunft Altbau, das vom Umweltministerium Baden-Württemberg gefördert wird. | Bild: Zukunft Altbau

Vom Altbau zum Nullenergie-Haus innerhalb einer Woche: In den Niederlanden ist das kein Problem – dank Sanierung von der Stange. Hierbei werden in der Fabrik serienmäßig Dämmelemente vorgefertigt, die einfach über die alte Hülle des Hauses gelegt werden. Photovoltaik-Anlage aufs Dach, Wärmpumpe statt Gas- oder Ölheizung, fertig.

Noch vor ein paar Jahren war sich Energieberater Frank Hettler sicher, dass die Sanierung von Immobilien in Deutschland auch viel häufiger so umgesetzt werden würde. „Das geht schnell und spart durch die Vorfertigung in der Fabrik und den Einsatz von Robotern Geld, wenn es ein Hersteller in großem Maßstab anbietet.“

Indes: Die Anbieter von Fertighäusern bauen in Deutschland lieber neue Häuser, statt sich um die Altbausanierung zu kümmern. „Also wird es bei uns wohl weiterhin meist auf Einzelsanierungen hinauslaufen“, sagt Architekt Hettler, der auch Leiter der Landes-Initiative Zukunft Altbau ist. Für Immobilienbesitzer bedeutet das: Sie müssen viele Einzelentscheidungen treffen und mehr bezahlen als es bei Massensanierungen in Serie der Fall wäre. Um die richtige Heizung oder Dämmung für die Zukunft auszuwählen, empfiehlt er, sich am so genannten EE-fit-Status zu orientieren.

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Demnach ist das Ziel einer Sanierung die Bausubstanz soweit herzurichten, dass die Heizung künftig mit einer Vorlauftemperatur von maximal 55 Grad auskommt – was dann den Einsatz einer Wärmepumpe möglich macht. „Klassische Öl- oder Gasheizungen in unsanierten Gebäuden brauchen 70 Grad und mehr“, sagt Hettler. Dazu kommt: Dach oder Kellerdecke dämmen oder klassische Heizkörper durch Flächenheizungen wie eine Fußbodenheizung ersetzen. „Das sind nur kleine Schritte, aber wenn die in allen Altbauten in Deutschland umgesetzt würden, wäre schon sehr viel gewonnen. Da muss nicht gleich das gesamte Haus gedämmt werden“, sagt Hettler.

Dazu sollten sich Hausbesitzer bei Wärme- und Stromgewinnung möglichst autark machen und auf Wärmepumpen, Solarthermie sowie eine Photovoltaikanlage setzen. „Man kann davon ausgehen, dass die Preise für fossile Energien stark schwankend bleiben und in der Tendenz steigen werden, also macht man sich davon am besten möglichst unabhängig.“

Die Bau-Ökologin sieht die Zukunft im Wärmedämmen

Doris Haas-Arndt ist Professorin für Bauwesen an der Fachhochschule des Mittelstandes
Doris Haas-Arndt ist Professorin für Bauwesen an der Fachhochschule des Mittelstandes | Bild: FHM

Wenn der Besitzer eines Einfamilienhauses sein Haus dämmt oder die Heizung tauscht, spart er bares Geld. Bei Mehrfamilienhäusern fehlt für die Vermieter dagegen bislang dieser Anreiz, da sie nicht von der Betriebskosteneinsparung profitieren. „Sie können die Mieten nicht so stark erhöhen, dass sich das finanziell rechnet. Also wird in der Regel nur das gesetzlich vorgeschriebene umgesetzt“, sagt Doris Haas-Arndt, Professorin für Bauwesen an der Fachhochschule des Mittelstandes. Als eine der größten Herausforderung sieht die Expertin es daher an, einen energetisch gut sanierten Gebäudebestand hin zu bekommen.

Zwar machen Mehrfamilienhäuser nur etwa 20 Prozent des Bestandes in Deutschland aus, dominieren jedoch in Städten und werden auch von mehr Personen bewohnt als Einfamilienhäuser, was sich auf den Energieverbrauch auswirkt. „Ein Weg könnte es sein, die Dächer für mehr Wohnraum zu nutzen, denn hier schlummert noch ein großes Potenzial in Deutschland.“ Wenn Vermieter Dachgeschosse ausbauen oder Flachdächer aufgestockt würden, schafft das nicht nur mehr Wohnraum, sondern man könnte damit auch gleich eine Dachdämmung verbinden. „Und Dämmen bringt immer etwas, weil es einfach Heizkosten spart.“

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Damit Dämmen Ressourcen schont und das Material recycelbar ist, seien nachwachsende Dämmstoffe wie Hanf, Flachs oder Schafwolle am besten. „Allerdings kosten die auch um bis zu dreimal so viel wie beispielsweise Mineralwolle und haben nicht so eine gute Dämmwirkung.“

Wer bereit sei, das Geld für eine nachhaltige Dämmung auszugeben, dem empfiehlt sie Holzweichfaserplatten, weil diese auch im Sommer für ein angenehmes Klima im gedämmten Haus sorgen. „Das ist ein sehr gut geeigneter Dämmstoff und ich glaube nicht, dass in absehbarer Zukunft etwas Nachhaltigeres entwickelt wird“, sagt die Bauökologin.

Beim Heizen sieht sie die Fernwärme als entscheidend, weil sich Wärme so am effizientesten erzeugen lässt. „In Hannover sollen die ersten Stadtteile umgerüstet werden. Zwar kommen bei Fernwärme in den Haushalten nur etwa 30 Prozent der tatsächlich erzeugten Wärme an, die Wärmeverluste sind also enorm. „Wenn diese Wärme aber umweltfreundlich erzeugt wird, ist das unerheblich.“