Wenn Vorstände mehrerer Unternehmen gemeinsam vor die Öffentlichkeit treten, haben sie meist Großes zu verkünden. Manchmal ist es aber auch etwas sehr Kleines.
Die baden-württembergischen Technologiefirmen Trumpf und Sick wollen ab kommendem Jahr die weltweit ersten Quantensensoren an Kunden ausliefern. „Wir haben die Nase etwas vor der Konkurrenz“, sagte Peter Leibinger, Forschungschef des Ditzinger Maschinenbauers Trumpf, am Donnerstag bei der Vorstellung einer neuen Industriekooperation mit dem Schwarzwälder Sensorhersteller Sick.

Quantensensoren machen sich unvorstellbar kleine Energiemengen – sogenannte Quanten – zu Nutze, um mittels Laserlicht Gegenstände viel exakter zu durchleuchten oder abzutasten als das bisher möglich ist. Ähnlich wie bei verwandten Technologien wie Quantencomputern gehen Fachleute davon aus, dass sie in den kommenden Jahren viele Bereiche unseres Alltags umkrempeln werden.
Quantensensoren gegen Corona-Viren?
„Mit solchen Quantensensoren eröffnet sich eine ganz neue Sicht auf die Welt“, sagte Leibinger. Der Fantasie, was damit möglich sei, sei fast „keine Grenze gesetzt“.
Sick-Vorstands-Chef Robert Bauer sagte, die erste Generation der Sensoren würden in der Lage sein, Gegenstände zu messen, die „200 Mal kleiner sind als ein menschliches Haar“. Zudem sei es möglich, mit ihnen Aussagen über die Verteilung und Konzentration von Partikeln sowie über deren Geschwindigkeit und Richtung zu treffen.

Das eröffnet ganz neue Anwendungsmöglichkeiten im Alltag. In wenigen Jahren könnten beispielsweise Handwerker mit kleinen, tragbaren Messgeräten Kunststoff-Leitungen in Wänden orten, bevor sie ein Loch bohren. Oder städtisches Personal könnte Luftschadstoffe wie Feinstaub in U-Bahnen viel präziser als heute detektieren. Sogar Aerosole, in denen sich etwa Corona-Viren bewegen, könnten erkannt werden, sagte Bauer.
Bessere Pillen, besserer Beton
Bei den industriellen Anwendungen soll Quantensensorik beispielsweise in Reinräumen zur Halbleiterfertigung extrem früh Luftverunreinigung erkennen. Bevor Schlimmeres geschieht, würde die Fertigung dann heruntergefahren.

In der Pharma- oder Baubranche wiederum könnten die Produkteigenschaften von Pillen oder Beton deutlich verbessert werden, weil Quantensensoren die Korngrößen einzelner Inhaltsstoffe überwachen. Und Bauunternehmen werden in Zukunft Boden- und Gesteinsschichten mit Quantenmessgeräten durchleuchten, bevor der erste Bagger anrollt. Es sei „wirklich fantastisch, was da gerade stattfindet“, sagte Leibinger, der bei Trumpf seit Jahren Lasertechnologien und den 3D-Druck vorantreibt.
Ziel ist es nun, die neuartige Technologie, die bisher fast ausschließlich in der Forschung eingesetzt wird, für den Massenmarkt tauglich zu machen. „Wir gehen jetzt einen großen Schritt in Richtung Kommerzialisierung“, sagte Michael Förtsch, Chef der Trumpf-Tochter Quant, in der die Forschungsarbeit zum Thema stattfindet. Man verschiebe gerade „fest verankerte technische Grenzen“.

Sick-Chef Bauer sagte, in Zukunft würden „handliche Geräte zu erschwinglichen Preisen“ die bisher existierenden Labor-Ungetüme ablösen. 2022 solle der Verkauf der Quantensensoren an Industriekunden beginnen. Allerdings rede man dabei nicht über „Milliarden-Stückzahlen im Ein-Dollar-Bereich“, sagte er.
Trumpf und Sick haben mehrere Jahre an den Standorten Stuttgart und Dresden an der Technologie geforscht. Jeder Partner habe dabei einen „mittleren einstelligen Millionenbetrag“ investiert. Rund 30 Beschäftigte arbeiten bei beiden Firmen an dem Thema. Allein Trumpf habe eine „niedere zweistellige Zahl von Patenten eingereicht“, sagte Leibinger. Ohne die „ausgeprägte Partnerschaftskultur beider Unternehmen“ sei dies nicht möglich gewesen, sagte er.
Mittelständler gegen Tech-Konzerne aus den USA
Außerdem profitiere man enorm von der deutschen Forschungslandschaft. Deutschland habe eine „exzellente Position in der Quantentechnologie“ so Leibinger, der zugleich Vize-Chef der Trumpf-Gruppe ist. Anders als bei Quantencomputern, wo US-Firmen wie Google oder IBM den Ton angäben, könne der Industriestandort Deutschland bei Sensoren, bildgebenden Verfahren, der Nachrichtenverschlüsselung und in der Kommunikationstechnologie die Entwicklung „als führende Nation mitgestalten“.