Eine halbe Autostunde von Bern entfernt werden auf einer 8500 Quadratmeter großen Fläche – mehr als ein Fußballfeld – ganz legal Cannabispflanzen gepflegt. Dahinter steht das Schweizer Unternehmen Cannerald, mit dem auch ein Deutscher maßgeblich zusammenarbeitet: Marc Gass aus Villingen, der das Unternehmen berät und einen Blick auf den deutschen Markt hat.

CBD-Produkte als Verkaufsschlager

Doch was hat es mit Cannerald aus dem Schweizerischen Örtchen Frauenbrunnen genau auf sich? „Im Unternehmen haben wir mit Cannabis-Pflanzen zu tun, die anders als zum normalen Cannabis keine berauschende und psychoaktive, sondern ausschließlich eine beruhigende Wirkung haben“, erklärt der 26-Jährige.

Der große Vorteil ist laut Gass, dass die Konsumenten keine psychischen Probleme entwickeln. Die CBD-Produktlandschaft ist dabei recht groß, berichtet Gass. Das gängigste Produkt der Schweizer Firma seien Öle, „weil das ein kleiner Allrounder ist bei Migräne, Magenproblemen oder bei der weiblichen Periode. Außerdem unterstützen sie bei der Tiefschlafphase.“ Relativ neu auf dem Markt ist ein Spray, das speziell zum Einschlafen gedacht sei. Dieses nimmt man, so der Villinger, über die Mundschleimhäute auf.

Unter den Konsumenten seien viele, welche die Produkte für das eigene Wohlbefinden nutzten. Marc Gass spricht von Abhilfe bei leichten Depressionen, Sportler würden CBD zur Muskelentspannung und zur besseren Regeneration verwenden. Dazu kämen medizinische Zwecke.

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Limitierte Dienstleistung

Zurück zur Funktionsweise von Cannerald: „Wir haben ein Konzept, das neu auf dem Markt ist“, erzählt Gass. Dem 26-Jährigen zufolge bietet das Unternehmen Menschen die Möglichkeit, sich am Geschäft zu beteiligen. Diese haben dann eine eigene Cannabispflanze, bei der man sich nicht um Pflege und Ernte kümmern müsse. Die Entwicklung der Pflanze könne jederzeit online per Livekamera beobachtet werden.

„Man zahlt einen einmaligen Betrag von 1600 Euro pro Stellplatz – anfangs war es mit 1100 Euro günstiger, weil das Risiko höher war – und bekommt dafür lebenslänglich Ertrag“, führt Gass aus. Der Preis belaufe sich also nicht auf nur eine Pflanze, sondern auf den Stellplatz, der alle zweieinhalb Monate abgeerntet werde.

Im Anschluss können die Kunden selbst entscheiden, ob sie die Ernte in Blüten nach Hause geschickt bekommen möchten, die Blüten an Cannerald verkaufen, die wiederum Verträge mit der Pharmaindustrie haben und hauptsächlich Apotheken beliefern, oder ob sie die Blüten gegen Produkte wie CBD-Öle umtauschen, so der Geschäftsmann.

Marc Gass sitzt in seinem Villinger Homeoffice.
Marc Gass sitzt in seinem Villinger Homeoffice. | Bild: Singler, Julian

Die Dienstleistung ist laut Gass von einem großen Versicherungskonzern versichert. „Falls es zu Wasser-, Feuerschäden oder Ungezieferbefall kommt, ist das alles abgedeckt. Dann heißt es also nicht keine Ernte, da die Versicherung ein Jahr lang die durchschnittliche Ernte auszahlt“, schildert er.

Ebenso wichtig ist im Zusammenhang mit dem Ernteprozess, dass in Deutschland nur maximal 0,2 Prozent THC-Gehalt erlaubt sind. „Wenn man es von der Pflanze wegnimmt, hat es knapp ein Prozent THC im CBD, das ist in der Schweiz auch erlaubt. Aber wenn wir es nach Deutschland schicken, wird das THC mit einem speziellen Verfahren entsprechend runtergewaschen“, erklärt der Villinger.

Boomender Markt

„In der Schweiz geht es ganz klar in eine Richtung, da wird sich auf einen boomenden Markt vorbereitet. Und es wäre einfach schön für Deutschland, wenn man das mitnehmen würde und nicht wieder verschläft“, hofft Gass. Steuerlich gebe es derzeit noch gewisse Unklarheiten. Mit mehreren Steuerberatern habe Cannerald Kontakt aufgenommen, „jeder hatte eine andere Meinung. So etwas hat es eben noch nicht gegeben, dass man durch Cannabispflanzen Ertrag schöpft.“

In der Schweiz ist es dem 26-Jährigen zufolge so, dass eine steuerfreie Auszahlung möglich ist, sofern der Ernteertrag über ein Jahr lang liegengelassen wird. In Deutschland dagegen scheiden sich die Geister bislang, so Gass. Deshalb empfiehlt er, jeweils individuell mit seinem Steuerberater zu sprechen.

Hier schaut sich Marc Gass eine Pflanze genauer an.
Hier schaut sich Marc Gass eine Pflanze genauer an. | Bild: Marc Gass/privat

Ziel von Cannerald sei es, über die Schweizer Landesgrenzen hinaus europaweit zu agieren. Das komplette Unternehmen wird „frühestens Ende des Jahres, spätestens Mitte 2022“ das Good Manufacturing Practice (GMP) Lizenzzertifikat haben, sagt Gass dem SÜDKURIER. Dieses ist der Nachweis für definierte Qualitätsstandards.

Im Schwarzwald-Baar Klinikum kommen CBD-Produkte bislang kaum zum Einsatz, wie Matthias Fellhauer, Direktor der Apotheke am Schwarzwald-Baar Klinikum, berichtet. Bis auf ganz wenige Ausnahmen – vielleicht alle zwei Jahre – habe man keinen Patienten, der so etwas benötige. „Nicht, weil wir die Produkte nicht wertschätzen, sondern weil Indikationen bei uns keine Relevanz haben“, sagt der Fachapotheker für Klinische Pharmazie und Arzneimittelinformation.

Bessere Lebensqualität dank Cannabis?

Andrea Kanold, Apothekerin aus Bad Dürrheim, verrät auf Nachfrage, dass neben der GMP-Lizenz die Zulassung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) maßgeblich ist. Es gebe Richtlinien, von wem Apotheken welche Produkte beziehen dürften. Unter anderem bei ihr können CBD-Artikel per Rezeptabholung besorgt werden. „Patienten, die diese Medikamente einnehmen, sind Schmerzpatienten“, sagt sie.

Denjenigen gehe es damit besser, es bedinge Schmerzlinderung, greife an den Nervenenden an und beruhige. Dennoch fügt die Expertin an: „Damit ist aber noch lange nicht die Ursache geheilt, es handelt sich um eine symptomatische Behandlung.“ Kanold kenne nur solche, die auf eine dauerhafte Anwendung setzen, nicht aber den Konsum im Verlauf dessen steigern.

Andrea Kanold
Andrea Kanold | Bild: SK-Archiv

Auch wenn Cannabisprodukte für manche sicher eine Erleichterung darstellten und Ärzte heutzutage im Grunde bereit dazu seien, diese zu verschreiben, steht Kanold dem Ganzen kritisch gegenüber. „Die Produkte sollen nicht zur Freude im allgemeinen Konsum genutzt werden, nur zur Schmerzlinderung. Diese wirken aber nicht bei allen Patienten schmerzlindernd, und dann bin ich der Meinung, muss man es nicht weiter nehmen.“

Sie stehe zu ihrer Meinung, Cannabis nicht freizugeben, auch wenn das Thema die Gesellschaft in Atem halte. „Wir brauchen nicht zusätzlich zum Alkohol, der ziemlich frei zugänglich ist, on top eine weitere Droge“, bezieht Kanold Stellung. Anders sieht das Marc Gass, der etwa mit Blick auf die Bekämpfung des Schwarzmarkts pro Legalisierung ist.

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Für viele Patienten sei es umständlich, weil rezeptpflichtiges Cannabis hauptsächlich über Rauch wirke. Die ältere Generation, die das noch nie gemacht habe, tue sich schwer damit. „Das Rauchen ist für viele eine Hemmschwelle. Außerdem habe ich immer Bedenken, dass es dennoch missbraucht wird – in Bad Dürrheim weniger. Aber ich stehe dem kritisch gegenüber, wenn junge Menschen an CBD rankommen“, sagt Kanold.