Streit, Drohungen, Vertrauensverlust – wollte man kurz zusammenfassen was nach vier Jahren Trump-Regierung bei der deutschen Wirtschaft hängengeblieben ist, würde das Urteil wohl nicht allzu schmeichelhaft ausfallen. Erst diese Woche geißelte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, das politische Wirken des US-Präsidenten als „chaotisch“ und „unberechenbar“.

Der deutsche Maschinenbau, immerhin die beschäftigungsstärkste Industriebranche der Republik, legte nach und sprach von einem vergifteten Klima, das zwischen den Handelspartnern Deutschland und den USA derzeit herrsche. Keine Frage: Diesseits und jenseits des Atantiks ist die Rhetorik nicht nur in politischen, sondern auch in wirtschaftlichen Belangen frostig.
40.000 neue Jobs in der Branchenburger Heide?
Blickt man in die Brandenburger Heide, sieht es eher nach Frühlingserwachen aus. Inmitten endloser Kiefernwälder entsteht gerade die weltweit modernste Fabrik für Elektroautos und Batteriespeicher, die der kalifornische Tesla-Konzern im Rekordtempo aus dem sandigen Boden stampft. Ab 2021 sollen hier zunächst 3000 Beschäftigte E-Flitzer des Models 3 und des Geländewagens Model Y montieren.

„Deutschland rocks“, sagt Tesla-Chef Elon Musk
„Je nach Markthochlauf“ könnten bei dem Unternehmen und Zulieferbetrieben in den nächsten Jahren „bis zu 40 000 Arbeitsplätze“ entstehen, schätzt man im Brandenburgischen Wirtschaftsministerium. Vier Milliarden Euro investiert Tesla-Chef Elon Musk für das neue Vorzeigestück seines Automobil-Imperiums. „Deutschland rocks“, antwortete der Exzentriker betont lapidar jüngst auf die Frage, warum er sich gerade die Bundesrepublik als Standort seiner Giga-Fabrik ausgesucht habe.
Dass in Deutschland „die Post abgeht“, wie man Musks Zitat frei übersetzen könnte, haben auch andere erkannt. Sogar der US-Präsident. Als ziemlich sicher gilt, dass das Weiße Haus im Sommer plante, das Tübinger Biotech-Unternehmen Curevac in die USA zu locken und dafür hohe Summen ins Spiel brachte. Am Ende scheiterte der Plan zwar, aber er zeigt, wie ausgeprägt das US-Interesse an deutscher Spitzentechnologie ist.
Das kann man auch in München beobachten. Dort erweitert der US-Tech-Riese Google derzeit die Kapazitäten seines Forschungs- und Entwicklungsstandorts massiv und will 1500 neue Mitarbeiter einstellen. Konkurrent Microsoft forscht in der Stadt an der Isar schon lange. Und der Paketriese Amazon investierte seit 2010 rund 28 Milliarden Euro in Deutschland. Mehr als 20.000 Arbeitsplätze entstanden so.
US-Techriesen schaffen Zehntausende Jobs in Deutschland
Eine Einbahnstraße ist das Engagement der US-Wirtschaft zwischen Kiel und Konstanz indes nicht. 2016, im Jahr der Amtsübernahme Donald Trumps, kündigte Bayer mit der 63 Milliarden Dollar teuren Übernahme des US-Saatgutriesen Monsanto den bis dato größten Deal im Pharmabereich überhaupt an. Nach Daten der Bundesbank haben etwa 3000 deutsche Unternehmen zuletzt rund 360 Milliarden Euro jährlich in den USA investiert. Keinem anderen Standort weltweit vertraut die deutsche Wirtschaft so viel Geld an.

Die verblüffende Nähe der politischen Streithähne zeigt sich auch in den gegenseitigen Handelsbeziehungen. Trotz der Abschottungspolitik der Trump-Regierung sind die USA in den vergangenen Jahren das wichtigste Abnehmerland für deutsche Exporte geblieben. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes nahmen die Ausfuhren von Waren Made in Germany in die Vereinigten Staaten seit 2017 um sechs Prozent auf knapp 119 Milliarden Euro zu. Gleichzeitig stiegen die Einfuhren aus Übersee – ein klares Zeichen wachsender Verflechtung. Für Schlüsselbranchen wie den Maschinenbau sind die USA seit Jahren der wichtigste Exportmarkt, noch vor China.

Experten halten den Einfluss der US-Wahlen auf die gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen daher auch für begrenzt. „Unsere Firmen sind in den USA so robust aufgestellt, dass sie grundsätzlich mit beiden Regierungen zurecht kommen werden“, sagt Achim Wambach, Präsident des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) unserer Zeitung. In den vergangenen vier Jahren seien die gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen „trotz des großes politischen Getöses sehr stabil weitergelaufen“, sagt der Ökonom, der zusätzlich Vorsitzender der Monopolkommission ist.
Deutscher Alleingang in der Umweltpolitik würde nicht viel Wirkung zeitigen
Dennoch würde der Ökonom eine Regierung Joe Bidens in den kommenden Jahren für vorteilhaft halten. Eine sehr ambitionierte Klimapolitik beispielsweise könnten Deutschland und die EU „nur schwer alleine durchhalten, sofern die USA und China nicht auch mitmachen“, sagt Wambach. Biden habe bereits zugesichert dem Pariser Klimaabkommen wieder beizutreten.
Forschungsstandort Baden-Württemberg
Für Deutschland, das bei Nachhaltigkeitstechnologien durchaus vorne mitspielt, wäre das ein Vorteil. Insbesondere der Südwesten könnte profitieren. „Baden-Württemberg mit seinen exzellenten Hochschulen und Forschungseinrichtungen, dem Mittelstand und den technologiestarken Konzernen hat gute Voraussetzungen, sich dem Wettbewerb mit den USA auch in künftigen Zukunftsfeldern zu stellen“, sagt er.