„Eigentlich sollte es hier drinnen voll sein.“ Claus Eppler steht in der neuen Montagehalle des Werkzeugmaschinenbauers Chiron in Neuhausen ob Eck, nahe Tuttlingen. Im Herbst hat das Unternehmen den 30 Millionen Euro teuren Bau eingeweiht. Jetzt steht er zum Großteil leer. Von den 400 Maschinen, die hier montiert werden können, sei man „weit, weit entfernt“, sagt der Forschungschef des High-Tech-Maschinenbauers. Vielleicht ein Viertel der Maschinenplätze, manche so große wie ein kleines Haus, sind belegt.
Bis zu 60 Prozent Umsatzminus
Die Corona-Krise hat die Planung des Fräsen-Spezialisten, der weltweit rund 2100 Mitarbeiter beschäftigt, gründlich vehagelt. Um bis zu 30 Prozent wird der Umsatz am Jahresende unter dem Vorjahreswert liegen, schätzt man bei Chiron. Und auch 2019 war ein Jahr ohne Wachstum. Der Handelskonflikt zwischen China und den USA sowie Rückgänge im globalen Automarkt brachten die Erlöse auf Talfahrt. Jetzt hofft man bei Chiron darauf, dass die Konzerne bald wieder neue Fräsen ordern.

Gewiss ist das nicht. Denn durch den Übergang zur E-Mobilität sinkt die Komplexität von Automobilen stark – und damit auch der Bedarf an Maschinen. „Auf die Rekordwerte des Jahres 2018“ – damals erzielte Chiron knapp 500 Millionen Euro Umsatz – werde sich die Branche nie mehr zubewegen, schätzt der Chiron-Chef-Forscher.
Einige Kilometer weiter, beim Autozulieferer Marquardt in Rietheim-Weilheim ist die Lage ähnlich düster. Den Absatzrückgang in der Automobilindustrie hatte das Familienunternehmen schon 2019 zu spüren bekommen und einen deutlichen Abbau von Personal beschlossen. Als die Arbeitnehmer auf die Barrikaden gingen, einigte man sich darauf, nur rund ein Drittel der geplanten 600 Jobs abzubauen.

Im März kam dann Corona. Die Autowerke schlossen und bei Marquardt mit seinen rund 10.500 Mitarbeitern weltweit rauschten die Umsätze im April um 60 Prozent in den Keller. Seitdem verbessert sich die Lage zwar leicht. An das Vorkrisenniveau anknüpfen könne man aber erst im Jahr 2023, schätzt Ludger Schönecker, Leiter Unternehmensentwicklung bei Marquardt. Im Moment wird bei dem Autozulieferer wieder über Arbeitsplatzabbau verhandelt.
Masken und Brennstoffzellen
Kein Zweifel, es gab schon freudigere Botschaften, die Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) bei ihrer alljährlichen Sommerreise zu hören bekam. Im Moment bemüht sich die Ministerin, der miesen Stimmung durch eine Mischung aus Realismus und Zuversicht zu begegnen. 2021 werde für die Wirtschaft ein kritisches Jahr, sagt sie. Über ein so gut aufgestelltes Unternehmen wie Marquardt mache sie sich aber keine Sorgen. Und als Chiron-Manager Eppler bekennt, man befinde sich gerade in einer „schwierigen Situation“, sagt sie: „Die technologische Kompetenz wird Chiron über die Krise hinweg tragen.“

Tatsächlich versuchen die Firmen sich umzuorientieren und mit frischen Ideen der Krise zu begegnen. Bei Marquardt, einem Unternehmen, das einst einfache Schalter herstellte, steht man in den Startlöchern, Porsche, Audi und Jaguar mit Batteriemanagementsystemen für E-Autos zu beliefern. Diese sind das Herzstück eines Elektrofahrzeugs. Mit der Hochschule in Furtwangen entwickelt man Komponenten für Brennstoffzellen. Außerdem ist man in die Herstellung von Corona-Schutzmasken eingestiegen. Fünf Millionen Stück im Monat laufen vom Band.
Chiron wiederum hat eine Maschine entwickelt, die filigrane medizintechnische Instrumente wie Federscheren, Nadelhalter und Pinzetten vollautomatisch herstellen kann. Mit Chiron-Fräsen lassen sich überdies Fingerringe fräsen und Zahnimplantate modellieren. Die Digitalisierung treibe man mit neuem Personal voran, sagt Chiron-Manager Eppler. Sechs Prozent vom Umsatz gibt das Unternehmen für Forschung und Entwicklung aus.
Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut begrüßt alle diese Vorstöße. „Wir brauchen die schnellen, innovativen Mittelständler“, sagt sie. Dass das Netzwerk aus Maschinenbauern und Automobilzulieferern auch in der Krise halte, sei für den Standort „ganz entscheidend“.