Die Deutschen Privathaushalte sitzen auf einem Riesenbatzen Geld. Nach Daten der Deutschen Bundesbank summierte sich das Geldvermögen der Bundesbürger Ende 2024 auf schwindelerregende 9,1 Billionen Euro – so viel wie noch nie.
Weit über ein Drittel dieses Gelder ist Bargeld oder liegt auf Giro-, Tages- und Festgeldkonten, wo es keine oder fast keine Rendite bringt. Kein Zweifel: Auch nach vielen satten Börsenjahren sind die Deutschen Anlagemuffel und – historisch bedingt – in Finanzfragen stark auf Sicherheit bedacht. Indem sie Risiken bei der Geldanlage konsequent vermeiden, bringen sich die Privatanleger aber auch um Chancen, ihr Vermögen zu mehren.
Der SÜDKURIER hat in einem Online-Webinar mit Experten gesprochen, welche Strategien es gibt, Risiko und Sicherheit auch als Finanz-Normalo in der Balance zu halten. Die Leser durften dabei ihre Fragen loswerden. Dabei stand eine Anlageklasse im Fokus, die in letzter Zeit einen Boom erlebt hat – ETFs. Anbei wichtige Fragen und Antworten zum Thema:
Ich bin kein Fachmann. Was sind ETFs überhaupt?
Niels Nauhauser: ETF bedeutet Exchange Traded Fund, auf Deutsch also börsengehandelter Fond. Solche Fonds bilden Aktienindizes nach, in denen Unternehmen aus bestimmten Branchen oder Regionen zusammengefasst sind, und folgen deren Wertentwicklung. ETFs, gibt es für nahezu alle Börsenindizes, beispielsweise den deutschen Leitindex Dax oder den weltweiten Aktienindex MSCI World. Der Vorteil gegenüber einzelnen Aktien ist, dass in viele Firmen und Märkte investiert wird. Es wird also breiter gestreut. Und: Hinter solchen ETFs stehen im Normalfall keine teuren Börsenmanager, sondern eine Software. Das macht ETFs zu sehr günstigen Anlageprodukten.

Ich habe einen größeren Betrag auf der hohen Kante. Wieviel davon soll ich sicher anlegen und wieviel in risikoreichere Anlagen, etwa Aktien oder Exchange Traded Funds (ETFs), stecken?
Werner Bareis: Risiko und Rendite hängen zusammen, daher ist es wichtig, dass Sie sich informieren und eine Entscheidung treffen, bei der Sie sich wohlfühlen. Bei einer Anlage in Aktien lag die reale, schon um die Inflation bereinigte, Rendite historisch bei rund 5,1 Prozent pro Jahr. Bei sicheren Anlagen lag sie etwa drei bis vier Prozentpunkte darunter. Eine Faustformel: Wenn Sie bereit sind, einen zwischenzeitlichen Verlust von 30 Prozent ihres Kapitals in Kauf zu nehmen, können Sie 60 Prozent des Anlagebetrags breit gestreut in Aktien-ETFs investieren. Die Erfahrung zeigt: Wenn Sie die Kursdelle aussitzen können, steigt der Wert ihrer Anlagen langfristig wieder.
Einzelaktien sind mit zu unsicher. ETF sind breiter investiert, was mir entgegenkommt. Aber welchen ETF kaufe ich am besten?
Nauhauser: Für eine erfolgreiche Anlagestrategie mit Aktien sind zwei Faktoren entscheidend: eine breite Risikostreuung und niedrige Kosten. Die breiteste Streuung bietet der Index „MSCI All Country IMI“ mit rund 8400 Aktien, die darin abgebildet sind. Er enthält große, mittlere und kleine Aktiengesellschaften aus Industrie- und Schwellenländern. Der MSCI All Country World, der FTSE All World und der Solactive GBS Global Markets Large & Mid Cap Index bieten ebenfalls eine breite Streuung, jedoch ohne kleinere Unternehmen. Auch zu diesen Aktienindizes gibt es ETFs. Welchen Sie nehmen, ist nicht so entscheidend, da alle die Entwicklung der weltweiten Aktienmärkte nachbilden.

Die Börsenkurse sind grade recht hoch, schwanken aber auch. Ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um ETFs oder Aktien zu kaufen?
Nauhauser: Wenn Sie Angst haben, zu einem ungünstigen Zeitpunkt eine große Summe zu investieren, sollten Sie überlegen, ob Sie die Risiken des Aktienmarkts eingehen wollen. Kurseinbrüche von bis zu 50 Prozent sind zwar selten, aber möglich. Die Kurserholung hat in der Vergangenheit meist nur wenige Jahre gedauert. Sie kann aber auch länger als zehn Jahre dauern. Eine pragmatische Strategie ist: Teilen Sie Ihren Anlagebetrag durch drei und investieren Sie in drei Tranchen. Die erste Tranche sofort, die zweite nach sechs Monaten und die dritte nach zwölf Monaten. Steigen die Kurse, freuen Sie sich über den bereits investierten Teil. Fallen sie, können Sie günstig nachkaufen. In der Vergangenheit war es aber in zwei Dritteln der Fälle vorteilhafter, sofort zu investieren.
Wo eröffne ich ein Depot?
Bareis: Für den Kauf von ETFs benötigen Sie ein Wertpapierdepot, das Sie bei Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken sowie fast allen privaten Geschäftsbanken eröffnen können. Die günstigsten Konditionen bieten Direktbanken und Online-Broker. Bei vielen Banken ist die Depotführung kostenlos, es fallen jedoch Ordergebühren beim Kauf an. Filialbanken verlangen oft ein Prozent der Anlagesumme, während Direktbanken und Online-Broker deutlich niedrigere Gebühren haben. Es gibt sogar Neo-Broker, also auf den Online-Vertrieb von Aktien spezialisierte Finanzdienstleister, die (fast) keine Ordergebühren verlangen.
Kann man auch bei der Sparkasse oder Volksbank ETFs kaufen?
Nauhauser: Ja, aber Sie müssen dort aktiv danach fragen und auch damit rechnen, dass Ihnen andere Produkte angeboten werden, da die Bank dort höhere Provisionen erhält. Die Gebühren für den Kauf über das Online-Banking finden Sie im Preisverzeichnis Ihrer Bank oder Sparkasse.
Wenn Kunden bei Banken und Sparkassen nach ETFs fragen, werden ihnen manchmal aktiv gemanagte ETFs angeboten. Was ist davon zu halten?
Nauhauser: Gar nichts. Aktives Management verursacht Kosten, die Ihre Rendite schmälern, ohne langfristig einen Mehrwert zu bieten. Klassische, passiv durch eine Software verwaltete ETFs, also ohne gutverdienende Finanz-Manager im Hintergrund, sind die bessere Wahl.

In den vergangenen Wochen sind ETFs auf den MSCI-World-Index in die Kritik geraten. Der Grund ist der hohe Anteil von US-Technologiefirmen, die darin enthalten sind, und die starken Kursschwankungen ausgesetzt sind. Manche Experten sprechen hier von einem Klumpenrisiko. Sind ETFs auf den MSCI World daher für Normalanleger nun zu riskant?
Bareis: Nein, das sind sie nicht. In den letzten 50 Jahren gab es keine Anlagestrategie, die diesen globalen Aktienindex nachhaltig übertroffen hat. Sie sollten Ihre ETFs auf den MSCI World also nicht aus Angst vor dem hohen US-Anteil verkaufen. Für Sparpläne und Neuanlagen wählen Sie aber besser einen ETF, der auch Anlagen in Schwellenländern enthält. Wenn Sie den US-Anteil reduzieren wollen, können Sie Ihrem Depot auch ETFs mit einem Schwerpunkt auf Europa beimischen.
Ich sorge mich um die Stabilität des Euro. Macht es Sinn, Geld auch in der Schweiz oder Liechtenstein anzulegen?
Bareis: Es ist unwahrscheinlich, dass dies vorteilhaft ist. In diesen Ländern sind die Banken im Verhältnis zur Wirtschaftskraft besonders groß, was in einer Finanzkrise problematisch werden könnte. Zudem sind viele Versicherungsangebote oder Vermögensverwaltungen in diesen Ländern zu teuer. Mit weltweit anlegenden ETFs sind Sie bereits über alle wichtigen Währungen diversifiziert.

Ich bin über 60 Jahre alt. Soll ich auch dann noch in ETFs investieren, wenn ich nur noch sechs Jahre bis zur Rente habe?
Bareis: Überlegen Sie sich, was Sie in sechs Jahren mit dem angelegten Geld machen wollen. Brauchen Sie das Geld, um Ihr Haus zu renovieren, wären ETFs zu riskant. Wenn Sie die Summe nicht brauchen und nur einmal im Jahr einen kleinen Teil entnehmen wollen, um Ihre Rente aufzubessern, kann eine Anlage in ETFs in Frage kommen.
Sind ETFs auch für Rentner empfehlenswert?
Nauhauser: Wer auf das Geld angewiesen ist und sich Verluste nicht leisten kann, sollte sichere Anlagen wie Tagesgeld, Festgeld oder Anleihen-ETFs bevorzugen. Anleihen-ETFs investieren in Anleihen, etwa von Staaten, und nicht in Aktien. Handelt es sich dabei zum Beispiel um deutsche Bundesanleihen, ist der Anleihen-ETF eine relativ sichere Anlageform.

Ich werde in den nächsten 5 Jahren eine Wohnung kaufen und brauche dafür einen Kredit. Ist es dann sinnvoll, in ETFs zu investieren?
Nauhauser: In dem Fall wären aktienbasierte Anlageformen nicht die richtige Wahl. Vielmehr wäre eine sicherere Anlage ratsam. Bei ETFs besteht das Risiko, dass Sie in fünf Jahren nur mit Verlust verkaufen können.
Was ist bei den Steuern zu beachten, wenn ich mein Geld anlege?
Bareis: Die Besteuerung von Kapitalerträgen ist zwar recht kompliziert, aber die gute Nachricht ist, dass man sich nicht intensiv damit beschäftigen muss. Denn alle inländischen Banken führen die Kapitalertragsteuer automatisch an das Finanzamt ab. Aufgepasst: Steuervorteile sind für Banken und Sparkassen oft ein Verkaufsargument, um Ihnen damit Produkte gegen hohe Provisionen oder Vermittlungshonorare zu verkaufen. Investieren Sie besser direkt in ETFs, ohne den Umweg über eine Versicherung.
Soll ich meine private Rentenversicherung kündigen?
Nauhauser: Ob der Vertrag passt oder Alternativen günstiger sind, kann nur im Einzelfall geprüft werden. Private Rentenversicherungen mit Fonds sind häufig zu teuer und in den ersten sieben bis 15 Jahren wegen der Abschlusskosten oft im Minus.
Wie stehen Sie zu ETF-Rentenversicherungen?
Nauhauser: Bei den Verbraucherzentralen stehen wir Rentenversicherungen generell skeptisch gegenüber, auch wenn das Geld über kostengünstige ETFs investiert wird. Zum einen fallen Versicherungskosten an, zum anderen kann der Versicherer die angebotenen Fonds jederzeit ändern. Steuerliche Vorteile bieten Rentenversicherungen nur auf den ersten Blick. Mit einem ganz einfachen ETF-Sparplan sind Sie flexibler.

Welche Risiken sind mit ETFs verbunden?
Bareis: Der Wert der Anlage schwankt ständig. Wenn Sie noch einen langen Anlagezeitraum vor sich haben, nutzen Sie jeden Crash, um ETFs günstig nachzukaufen! Historisch gesehen war nach einem Crash von circa 50 Prozent meist der Tiefpunkt erreicht und es dauerte meist nur wenige Jahre bis die Kurse wieder die alten Höchststände erreichten. Lassen Sie sich aber auf keinen Fall dazu verleiten, ein Risiko einzugehen, das Sie gar nicht eingehen wollen.
Lohnen sich Themen-ETFs auf nachhaltige Energien, Rüstung oder KI?
Nauhauser: Nein. Es gelingt selbst Profis nicht, überdurchschnittliche Renditen zu erzielen. Ein Investment in heute aussichtsreiche Themen ist reine Spekulation. Es erhöht das Risiko und reduziert den Anlageerfolg.
Edelmetalle boomen. Sollen Anlageklassen wie Gold oder auch Kryptowährungen ins Portfolio?
In den letzten 30 Jahren ist der Goldpreis zwar von rund 250 auf fast 3000 Euro gestiegen. Gold ist aber keine sichere Anlage. Zwischen 1980 und 2000 hat sich der Goldpreis halbiert. Weltweit gestreute Aktien haben über einen so langen Zeitraum keinen Wertverlust erlitten. Da sich der Goldpreis aber oft anders entwickelt als Aktien, kann eine kleine Beimischung das Gesamtrisiko Ihrer Geldanlage senken. Von Kryptowährungen raten wir generell ab, da hier ein Totalverlustrisiko besteht. Ob Bitcoin, Ethereum und Co. ihren heutigen Wert langfristig halten oder steigern können, ist ungewiss.