Im fernen Berlin hatte Bundeskanzler Olaf Scholz am Freitag für die versammelten Bundeswehr-Generäle eine frohe Botschaft im Gepäck. Das mit 100 Milliarden Euro ausgestattete Sondervermögen für die Bundeswehr sei nur „ein erster wichtiger Schritt“, sagte der Kanzler auf einer Bundeswehrtagung.

Darüber hinaus sicherte er den Streitkräften schnell neue Mittel zu. Das sogenannte Zwei-Prozent-Ziel, also der Anteil der Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP), werde Deutschland bereits 2024 erreichen und dieses „dauerhaft gewährleisten“, so der Kanzler. Im Klartext: In die Verteidigung wird schnell mehr Geld fließen.

US-Firmen machen das Geschäft

In Immenstaad am Bodensee kann man angesichts der Berliner Bekenntnisse nur mit den Achseln zucken. „Politische Ankündigungen reichen nicht“, sagte Christian Birkhofer, Betriebsratschef beim Rüstungsunternehmen Airbus in Immenstaad. „Es müssen jetzt schnell Aufträge her.“

Airbus A400M: Von der Transportmaschine beschaffte die Bundeswehr weitaus weniger Exemplare als zunächst geplant. Man brauche ...
Airbus A400M: Von der Transportmaschine beschaffte die Bundeswehr weitaus weniger Exemplare als zunächst geplant. Man brauche langfristig Planungssicherheit bei Aufträgen, heißt es aus der Branche. | Bild: Wolfgang Kumm/dpa

Rund 200 Airbus-Beschäftigte haben am Freitag zusammen mit ihren Kollegen des benachbarten Radar-Spezialisten Hensoldt und der IG Metall am Bodensee für ein Umdenken der deutschen Beschaffungspolitik bei Rüstungsgütern demonstriert. Mit dabei waren auch Top-Manager heimischer Rüstungsfirmen, was sehr ungewöhnlich ist. „Die Hütte brennt“, sagte Harald Mannheim, Geschäftsführer der Airbus-Verteidigungssparte Defence and Space (DS) auf der Veranstaltung.

Wann kommen Eurofighter-Aufträge?

Konkret fürchten die Arbeitnehmer und Manager, dass ihre Interessen bei der milliardenschweren Rundum-Erneuerung der Bundeswehr unter die Räder kommen und das Geschäft andere machen. Und sie fürchten, dass Know-How und Jobs abwandern. Denn es ist vor allem die hochgezüchtete Rüstungsbranche des Nato-Partners USA, die den hiesigen Unternehmen die Aufträge aus dem 100-Milliarden-Sondervermögen streitig macht.

Christian Birkhofer, Betriebsratsvorsitzender bei Airbus in Immenstaad, sagt, man begebe sich bei Rüstungsgütern in die Abhängigkeit vom ...
Christian Birkhofer, Betriebsratsvorsitzender bei Airbus in Immenstaad, sagt, man begebe sich bei Rüstungsgütern in die Abhängigkeit vom Ausland. | Bild: Christa Steuernage/Airbus

Das gilt insbesondere für die Luftverteidigung. Ende vergangenen Jahres machte der Bundestag den Weg frei zum zehn Milliarden Euro schweren Kauf von US-Tarnkappenbombern vom Typ F-35. Diese sollen im Verteidigungsfall US-Atomwaffen vom deutschen Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz ins Ziel tragen und ersetzen ältere Tornado-Jets.

Zudem entschied sich der Bund für den Kauf schwerer Transporthubschrauber vom Typ CH-47 von Boeing. Die an ihren zwei großen Hauptrotoren zu erkennenden Hubschrauber folgen dem in die Jahre gekommenen Sikorsky CH-53 nach. Zusammen mit den von einem US-israelischen-Konsortium beauftragten Abfang-Raketen des Typs Arrow 3 belaufen sich die ans „nicht-europäische Ausland ausgegebenen Beschaffungsaufträge auf rund 20 Milliarden Euro“, heißt es auf SÜDKURIER-Nachfrage vom Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI).

Vernetzung bei Kampfjets

Und das, obwohl teilweise europäische Alternativen verfügbar sind. Zwar ist die heimische Branche bei schweren Transporthubschraubern blank. Und auch ein Konkurrenzprodukt zur Arrow-3-Rakete gibt es aus deutscher Produktion von Herstellern wie Diehl oder MBDA nicht. Indes verfügt man mit dem Eurofighter über eine Alternative zum US-Jet F-35.

Symboldarstellung des Eurofighter-Nachfolgers FCAS. Kommt er ab 2040?
Symboldarstellung des Eurofighter-Nachfolgers FCAS. Kommt er ab 2040? | Bild: Airbus

Was fehlt, ist aus Sicht heimischer Hersteller ein klares Bekenntnis der Politik zum Eurofighter. 2030 wird die letzte fest beauftragte Maschine im bayrischen Manching vom Band laufen. Danach herrscht gähnende Leer in den Büchern des Eurofighter-Herstellers Airbus.

Erst ab 2040 könnte der europäische Nachfolger FCAS für neuen Schwung sorgen. Aber ob der hochvernetzte Jäger fristgerecht aus den Hangars gerollt werden kann, ist derzeit mehr als fraglich. Und so fürchtet insbesondere Airbus ein Jahrzehnt des Stillstands.

Straucheln die Zulieferer?

Innerhalb der nächsten 15 Monate benötige man eine feste Zusage zum Bau einer neuen Eurofighter-Tranche. Geschehe dies nicht, gingen als Erstes ab 2025 die Zulieferer in die Knie, so Airbus-DS-Manager Mannheim. „Unverzüglich“, so heißt es auch vom Branchenverband BDLI, sei es nötig die neuen Eurofighter zu beauftragen. Das sei „aus Gründen des Fähigkeitserhalts im militärischen Flugzeugbau dringend notwendig“.

Auch für Airbus in Immenstaad wäre das eine wichtige Entscheidung. Bildlich gesprochen hat der Hochtechnologie-Standort die Federführung bei der Entwicklung des Gehirns der zukünftigen, komplett vernetzten EU-Verteidigung, der sogenannten Combat-Cloud. Diese soll über Datenleitungen und Schnittstellen künftig Jets, Panzer und Kriegsschiffe im Einsatz orchestrieren.

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Auch in der neuen Eurofighter-Generation soll die Technologie vom Bodensee zum Einsatz kommen. „Es darf nicht zu einem Verlust von Spitzentechnologien und -kompetenzen, von Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen unserer Industrie kommen, die über Jahrzehnte aufgebaut wurden“, sagte Alexander Reinhardt, BDLI-Hauptgeschäftsführer, dem SÜDKURIER.

Airbus-Standort-Betriebsratschef Birkhofer wundert sich: Während in allen Bereichen der Wirtschaft diskutiert werde, Abhängigkeiten vom Ausland zurückzudrehen, begebe man sich ausgerechnet bei der Landesverteidigung in solche Abhängigkeiten anderer Staaten. Das sei doch wohl absurd.