Lukas von Hoyer

Mitten in den Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD gibt es noch einige Themenfelder, in denen es hakt. Eines davon ist das Bürgergeld, das derzeit direkt rund 5,5 Millionen Menschen betrifft. Indirekt sind auch alle Steuerzahlerinnen und Steuerzahler betroffen, weswegen das Thema oft zu einem Streitfall wird, bei dem der Ton immer wieder rau ist. Das war nun auch bei der ARD-Talkshow „Hart aber fair“ der Fall.

Kuban bei „Hart aber fair“: Beim Bürgergeld muss gespart werden

Moderator Louis Klammroth empfing am Montag, 24. März 2025, die Politiker Tilman Kuban (CDU) und Andreas Bovenschulte (SPD) sowie Politikerin Heidi Reichinnek (Die Linke). Außerdem waren die Zeit-Redakteurin Anna Mayr und die Unternehmerin Isabel Grupp-Kofler zu Gast. Die grobe Ausgangslage: Alleinstehende Empfängerinnen und Empfänger von Bürgergeld erhalten derzeit 563 Euro im Monat, teils wird ihnen die Miete gezahlt. Die Fragestellung: Ist das fair, zu wenig oder zu viel? Und soll das Bürgergeld grundsätzlich beibehalten, ersetzt oder umfangreich reformiert werden?

Kuban stellte gleich zu Beginn der Sendung klar, dass es in den Koalitionsverhandlungen beim Bürgergeld schnell eine Einigung brauche, um Deutschland so schnell wie möglich handlungsfähig zu machen. Nachdem in der letzten Sitzung des alten Bundestags zwei Finanzpakete für Sicherheit und Infrastruktur beschlossen wurde, die zusammen eine Billion Euro schwer sind, muss beim Bürgergeld gespart werden, glaubt der CDU-Wirtschaftspolitiker.

Es gebe Personen, die ihre Einkünfte mit Bürgergeld aufstocken müssten, da sie krank seien oder in ihrem Job zu wenig verdienen, merkte Kuban an. Allerdings auch eine Gruppe von voll erwerbsfähigen Empfängerinnen und Empfängern von Bürgergeld, die arbeiten könnten, aber nicht arbeiten würden. „Bei den beiden ersten Gruppen sind wir stolz darauf, dass wir in Deutschland ein soziales Netz haben, dass wir diejenigen auffangen und für sie da sind und dass wir für diejenigen sogar mehr machen wollen“, sagte Kuban bei „Hart aber fair“: „Aber wir sagen klar und deutlich zu denen, die erwerbsfähig sind: Der Sozialstaat kann nur für diejenigen da sein, die gerade nicht können, aber er kann nicht für die da sein, die gerade nicht wollen.“

Reichinnek hält dagegen: Das Bürgergeld ist zu niedrig

Heidi Reichinnek sieht die Thematik grundlegend anders als Kuban. Die Chefin der Linken-Fraktion im neuen Bundestag ist der Meinung, dass das Bürgergeld zu niedrig ist. Sie verweist in der ARD-Talkshow auf Studien, die beweisen würden, dass Kinder in Bürgergeld-Familien nicht ausgewogen ernährt werden. „Diese Debatte geht in eine Richtung: Es wird so getan, als ob massenhaft Menschen Bürgergeld beziehen, obwohl sie arbeiten könnten. Wenn wir uns die Zahlen anschauen, ist das aber nur ein Bruchteil von den Leuten, die Bürgergeld bekommen“, sagte Reichinnek.

Man solle lieber bei der Fragestellung ansetzen, warum die Personen nicht arbeiten würden, was häufig mit der Qualifikation zu tun habe. Jobcenter haben es häufig mit schwierigen Vermittlungsfällen zu tun – und sind überlastet. „70 Prozent ihrer Arbeit fließen in die Verwaltung des Systems“, erklärt Isabel Grupp-Kofler: „Das ist ein Problem, weil wir da gar nicht den Fokus richtig gesetzt haben. Wir bekommen teilweise Vermittlungsvorschläge, die funktionieren. Aber beim Großteil ist das so: Die kommen und sagen dann: Ich will hier gar nicht arbeiten, ich brauche nur die Unterschrift, damit ich das Geld wieder bekomme. Und weg sind sie. Die rauben uns die Zeit, holen sich die Unterschrift für das Bürgergeld und arbeiten dann schwarz.“

Den Bürgergeld-Regelsatz wollen Reichinnek und Die Linke auf 813 Euro im Monat anheben. Zusätzlich soll die Miete von Bürgergeld-Empfängerinnen und -Empfängern übernommen werden. SPD-Politiker Andreas Bovenschulte sieht das anders. „Ich finde überhaupt nicht, dass der Regelsatz zu gering ist. Allerdings kann es nicht sein, dass der Regelsatz beliebig gesteigert wird, denn er muss ja in einem Verhältnis zu dem stehen, was Menschen, die Arbeit haben, verdienen und wie das mit dem Lohngefüge zusammenpasst“, sagte der Bremer Bürgermeister.

Grupp-Kofler ordnet hier ein, dass das Abstandsgebot zwischen Erwerbstätigen mit niedrigen Gehältern und Bürgergeldberechtigten schon jetzt nicht gewährleistet sei. Die Managerin eines Familienbetriebes aus der Kunststoff-Branche in Baden-Württemberg fügt hinzu, dass viele Empfängerinnen und Empfänger von Bürgergeld durch Schwarzarbeit etwas hinzuverdienen würden. „Natürlich ist dann auch der Groll da bei denen, die Leistung bringen“, sagte Grupp-Kofler. Aus diesem Grund fordert sie eine Reform des Bürgergeldes.

Streit um Bürgergeld-Sanktionen bei „Hart aber fair“

Eine Erhöhung der Bürgergeld-Sätze scheint unwahrscheinlich, wenn man die Standpunkte von Union und SPD betrachtet. Interessant wird es allerdings rund um mögliche Sanktionen. Im Sondierungspapier wurde festgelegt, dass Personen der vollständige Leistungsentzug droht, die Bürgergeld beziehen und mehrfach zumutbare Jobs ablehnen. Das Bundesverfassungsgericht urteilte jedoch bereits, dass solch ein vollständiger Entzug der Leistungen in der Regel nicht rechtens sei. Das wäre nur dann der Fall, wenn das Gehalt des abgelehnten Jobs so hoch gewesen wäre, dass die Empfängerin oder der Empfänger von Bürgergeld mit ihrer oder seiner Familie komplett auf die Leistung verzichten könne.

Da das momentan äußerst selten der Fall ist, könnten wohl nur höhere Löhne für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer etwas verändern. Genau das sei das Ziel, meint Kuban. „Wir werden insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen mit einer Steuerreform entlasten. Das haben wir gemeinsam vereinbart. Die Gespräche waren etwas hakelig, aber jetzt werden die Parteivorsitzenden das noch glätten“, sagte das Mitglied des Deutschen Bundestags. Eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro sei aber nicht die Lösung, glaubt Kuban: „Wenn sich der Mindestlohn erhöht, dann erhöht sich nicht nur der Mindestlohn um 2,50 Euro pro Stunde, sondern es erhöht sich auch der Lohn, der vorher bei 17 Euro war, auf 19,50 Euro. Das ist die realistische Folge. Und die sorgt dafür, dass Unternehmen am Ende Probleme bekommen, weil sie nicht mehr wettbewerbsfähig sind.“

Die Linke ist für eine Anhebung des Mindestlohns. „Wenn wir bei 15 Euro Mindestlohn ansetzen und vernünftige Tariflöhne zahlen, dann muss sich niemand beschweren. Also lasst uns doch darüber reden, wie wir mittlere und geringe Einkommen entlasten, und da, wo viel zu viel ist, rangehen, zum Beispiel bei leistungslosen Milliardenerbschaften. Das ist die Debatte, die wir führen müssen“, offenbart Reichinnek bei „Hart aber fair“ ihre Sicht der Dinge.