Die Debatte um das Bürgergeld wird durch einen Vorstoß der CDU neu angefacht, der von SPD und Grünen heftig kritisiert wird. Fragen zur Regelung von Sanktionen und der finanziellen Sicherstellung für Arbeitsuchende stehen im Vordergrund und zeigen tiefere gesellschaftliche und verfassungsrechtliche Bedenken auf.
Union und SPD haben sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, das Bürgergeld in eine „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ zu überführen. Linnemann drängt darauf, dabei „wirklich an die Substanz des Systems“ zu gehen, wie ihn die dpa zitiert. Er fordert, zu prüfen, ob Empfänger, die wiederholt eine zumutbare Arbeit ablehnen, künftig kein Bürgergeld mehr beziehen dürfen: Dann müsse der Staat davon ausgehen, dass derjenige nicht bedürftig ist.
Übrigens: Einige Jobcenter in mehreren deutschen Städten berichten von systematischen Betrugsfällen beim Bürgergeld. Die Täter, die sich unrechtmäßig Sozialleistungen erschleichen, sind aber schwer zu fassen.
Bürgergeld: Grüne und SPD üben Kritik am harten CDU-Kurs
Grünen-Politiker Timon Dzienus, der für die Grünen im Arbeits- und Sozialausschuss sitzt und für das Bürgergeld zuständig ist, wirft im Gespräch mit t-online.de CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann „menschliche Kälte“ vor: „Die Koalition steuert auf den nächsten Rechtsbruch mit Ansage zu.“ Dzienus warnt: Die von der Union geplanten Totalsanktionen seien nicht nur „herzlos, kalt und unmenschlich, sondern auch verfassungswidrig“. Jeder Person müsse das Existenzminimum garantiert werden.
Auch die SPD zeigt deutliche Vorbehalte. Dagmar Schmidt, stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende und zuständig für Arbeit und Soziales, kritisiert gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) „täglich wachsende Attacken auf den Sozialstaat“. Sie betont, das System dürfe nicht „nach Kassenlage“ ausgedünnt werden: „Sozialsysteme bilden das solidarische Fundament unserer Gesellschaft.“ Vielmehr gelte es, nicht nur Geringverdiener in die Pflicht zu nehmen, sondern auch Spitzenverdienste und -vermögen stärker zur Finanzierung des Gemeinwesens heranzuziehen.
Bürgergeld: Koalitionsvertrag und Reformpläne
2025 hat sich die neue Regierung aus SPD und Union im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, dass aus dem Bürgergeld die Neue Grundsicherung werden soll. Mit dem neuen Konzept sollen vor allem ein Bewerbungszwang und schärfere Sanktionen für Empfänger möglich werden. Arbeitsministerin Bärbel Bas will aber trotz der geplanten Bürgergeld-Reform bestimmte Haushalte vor zu harten Sanktionen schützen.
Die Diskussion um Sanktionen ist nicht neu, erhält durch die gemeinsame Regierungsverantwortung von Union und SPD jedoch neue Brisanz. Bereits im vergangenen Sommer hatte Linnemann einen vollständigen Wegfall der Leistung für vermeintliche „Arbeitsverweigerer“ ins Spiel gebracht – damals stieß er auf Widerstand unter anderem von der SPD. Und schon 2019 hatte das Bundesverfassungsgericht ähnliche Totalsanktionen bei Hartz IV als verfassungswidrig eingestuft.
Übrigens: Viele Menschen in Deutschland bekommen schon seit mindestens zehn Jahren Bürgergeld und Hartz IV.
Bürgergeld-Entzug: Sanktionen bis zu zwei Monaten möglich
Die Ausgaben für das Bürgergeld kletterten laut einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) 2024 auf knapp 47 Milliarden Euro – nach rund 43 Milliarden im Jahr zuvor und etwa 37 Milliarden Euro zwei Jahre davor. Aktuell beziehen rund 2,9 Millionen Haushalte Bürgergeld.
Derzeit erlaubt die Rechtslage, den Regelbedarf für Bürgergeld für bis zu zwei Monate komplett zu streichen, wenn jemand wiederholt eine konkret angebotene, zumutbare Arbeit ablehnt und innerhalb des letzten Jahres bereits gegen eine Arbeitsverpflichtung verstoßen hat. Dies erläuterte das Bundesarbeitsministerium kürzlich in einer Antwort auf eine Anfrage im Bundestag.
Wie Christian Bäumler, Vize-Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), der dpa sagte, seien Sanktionen richtig, reichten aber nicht aus. Die vollständige Streichung der Grundsicherung dürfe nur als letztes Mittel gelten. Vielmehr sollte es das Ziel sein, Menschen in Arbeit zu bringen. (mit dpa)