Um keine Personengruppe wird beim Bürgergeld derzeit so gestritten wie um die Ukrainerinnen und Ukrainer. Sie haben in Deutschland eine Sonderstellung: Die Geflüchteten können gleich nach ihrer Ankunft Bürgergeld beantragen und 563 Euro im Monat erhalten. Derzeit leben laut der offiziellen Website der Bundesregierung rund 1,14 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland, von denen etwa 686.000 Leistungen aus der Grundsicherung erhalten. 471.000 Leistungsberechtigte der Gruppe gelten demnach als erwerbsfähig.
Markus Söder (CSU) möchte das ändern. Der bayerische Ministerpräsident forderte im ZDF, dass Ukrainerinnen und Ukrainer kein Bürgergeld mehr erhalten sollten. „Und zwar am besten nicht nur die, die in der Zukunft kommen“, sagte Söder und führte aus, dass es „kein Land der Welt gebe“, das derartige Regelungen für geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer getroffen hätte. Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) gab Söder bei ntv recht. Die Bundesregierung würde „Leistungen ausbringen, wie es kein anderes Land der Erde tut“, wenn es um Geflüchtete aus der Ukraine gehe. Und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer wird im Bericht von ntv mit Bezug auf Frankreich, die Niederlande, Polen und Tschechien wie folgt zitiert: „Überall dort ist die Quote der Menschen, die arbeiten, viel, viel höher als bei uns.“
Doch stimmt das alles? Und wie sehen die Unterstützungen aus, die Ukrainerinnen und Ukrainer in anderen Ländern erwarten können?
Polen: Ukrainische Geflüchtete arbeiten doppelt so häufig wie in Deutschland
Polen stellte sich direkt nach Kriegsbeginn hinter die Ukraine und nahm viele Geflüchtete auf. Ukrainerinnen und Ukrainer erhalten ein legales Aufenthaltsrecht und Zugang zu Bildung, Beschäftigung, Gesundheitsversorgung und einigen Sozialleistungen, wie die UNO-Flüchtlingshilfe aufklärt. Eine Grundsicherung, wie das Bürgergeld, ist bei diesen Sozialleistungen nicht enthalten. Ukrainerinnen und Ukrainer erhalten aber umgerechnet 180 Euro Kindergeld pro Kind im Monat und eine Sozialhilfe von bis zu 177 Euro im Monat bei längerer Krankheit.
In Polen sind 65 Prozent der Geflüchteten aus der Ukraine erwerbstätig – und damit prozentual rund doppelt so viele wie in Deutschland. Das geht aus einer Studie des ifo Instituts aus dem Oktober 2024 hervor. Zur Einordnung muss man hierbei erwähnen, dass die sprachlichen Barrieren geringer sind, Polnisch und Ukrainisch sind sich näher als Deutsch und Ukrainisch. Zudem weist ntv darauf hin, dass schon vor Kriegsbeginn rund 1,5 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer in Polen gearbeitet haben. Die Geflüchteten könnten dadurch auf ein bestehendes Netzwerk zurückgreifen.
Tschechien: Ukrainer leisten Beitrag zur tschechischen Wirtschaft
In Tschechien können ukrainische Geflüchtete Sondervisa erhalten, diese Regelung wurde jüngst bis zum 4. März 2027 verlängert, wie aus einem Bericht von Radio Prague International hervorgeht. Auch bei den Sozialleistungen haben die Ukrainerinnen und Ukrainer dort eine Sonderstellung, erhalten mehr Unterstützung als andere Asylbewerberinnen und -bewerber. Zentral ist die Aufnahme in die öffentliche Gesundheitsversorgung, die sämtliche medizinischen Leistungen und Medikamente umfasst, die auch tschechischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern zur Verfügung stehen. Eine vergleichbare Unterstützung wie das Bürgergeld gibt es für Ukrainerinnen und Ukrainer aber auch in Tschechien nicht.
Derzeit leben in Tschechien rund 375.000 geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer, wie Radio Prague International mit Verweis auf das tschechische Innenministerium berichtet. Sie leisten laut Klara Simackova Laurencikova, der Menschenrechtsbeauftragten der tschechischen Regierung, einen Beitrag von rund einer Milliarde Kronen zur tschechischen Wirtschaft. Das sind etwa 40 Millionen Euro. „Wir sind uns der Vorteile für die tschechische Wirtschaft bewusst. Rund 130.000 Ukrainer haben in Tschechien eine legale Arbeit. Weitere Geflüchtete stellen Anträge, um Arbeit zu bekommen. Insgesamt sind rund 70 Prozent der in Tschechien lebenden Ukrainer werktätig“, zitiert Radio Prague International den tschechischen Innenminister Vit Rakusan.
Bulgarien: Transitland für Ukrainerinnen und Ukrainer
Bulgarien ist für Geflüchtete aus der Ukraine mehr Transitland als Anlaufstelle. Das ärmste Land der Europäischen Union (EU) empfing nach Kriegsbeginn etwa 3,4 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer. Im November 2024 lebten laut Angaben der ukrainischen Botschaft in Bulgarien allerdings nur noch 60.800 Menschen aus der Ukraine. Erwerbstätig waren zu diesem Zeitpunkt demnach 14.000 Ukrainerinnen und Ukrainer. Sie dürfen in Bulgarien arbeiten und können eine einmalige Unterstützung von 806 Euro erhalten, dauerhafte Sozialleistungen gibt es allerdings nicht.
Rumänien: Sozialleistungen für Erwerbstätige
Bei Rumänien verhält es sich ähnlich wie bei Bulgarien. Zwar reisten seit Kriegsbeginn rund 11,1 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer in das Nachbarland der Ukraine, nur 100.000 blieben allerdings, wie das rumänische Arbeitsamt im Januar 2025 angab. Demnach waren zu dem Zeitpunkt 24.057 Geflüchtete aus der Ukraine beim Arbeitsamt registriert. 3271 konnten in Tätigkeiten vermittelt werden.
Sozialleistungen für ukrainische Geflüchtete werden in Rumänien laut ntv vor allem daran geknüpft, ob diese arbeiten oder zumindest auf Jobsuche sind. Dann können Einzelpersonen monatlich umgerechnet bis zu 100 Euro erhalten, Familien bis zu 300 Euro.
Italien: Vorübergehender Schutzstatus für Ukrainer
Seit Kriegsbeginn beantragten rund 200.000 Ukrainerinnen und Ukrainer in Italien Asyl, wie aus Daten der UNO-Flüchtlingshilfe hervorgeht. Ein Großteil von ihnen (etwa 170.000) lebt heute mit vorübergehendem Schutzstatus in Italien. Durch diesen Status haben die Geflüchteten aus der Ukraine Zugang zum Arbeitsmarkt, dem Bildungssystem, Programmen zur Berufsausbildung und der Gesundheitsversorgung.
Bis April 2025 erhielten Geflüchtete, die privat leben, einen Zuschuss zum Unterhalt von bis zu 300 Euro. Diese Regelung ist ausgelaufen, bislang ist unklar, ob es eine weitere Unterstützung in diesem Zuge geben soll. Geflüchtete ohne Unterkunft haben laut ntv das Recht, in dezentralen Aufnahmesystemen, Hotels oder religiösen Einrichtungen zu leben.
Frankreich: Kein Sonderweg für Ukraine-Geflüchtete
Frankreich nahm laut den Daten der UNO-Flüchtlingshilfe rund 70.000 Geflüchtete aus der Ukraine auf. Sie erhalten dieselben Leistungen wie andere Asylbewerber. Das bedeutet 607,75 Euro im Monat für Alleinstehende und eine Aufnahme in einem Aufnahmezentrum für Asylbewerber. Ein Sonderweg ist hier nicht zu erkennen.
Norwegen: Teile der Ukraine als sicher eingestuft
Norwegen hat laut eines Berichts von Deutschlandfunk etwa 85.000 geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer aufgenommen. Sie bekamen kollektiven Schutz, was sich nun aber ändert. Norwegen hat den Westen der Ukraine im April 2025 als sicher eingestuft, weswegen eine strengere Prüfung der Antragsverfahren erfolgen sollte. Während der Verfahren werden Ukrainerinnen und Ukrainer in Aufnahmezentren untergebracht. Wer eine Vollzeitstelle findet und ein Einführungsprogramm erhält, kann in der Folge mit einer Unterstützung von 20.000 Euro im Jahr rechnen, mit der auch eine Wohnung finanziert werden kann.
Niederlande: Leefgeld für Ukrainer
Die UNO-Flüchtlingshilfe berichtet von 125.000 Ukrainerinnen und Ukrainer, die in die Niederlande geflüchtet sind. Ihnen steht das sogenannte Leefgeld zu, eine Lebensunterhaltungskostenbeihilfe. „Flüchtlinge aus der Ukraine haben in den Niederlanden Anspruch auf Lebenshaltungskostenbeihilfe. Diese können Sie bei der Gemeinde beantragen, in der Sie wohnen. Die Lebenshaltungskostenbeihilfe besteht aus verschiedenen Komponenten“, informiert die Gemeinde Arnhem dazu. Das Leefgeld beträgt durchschnittlich 315 Euro pro Person und Monat.
Belgien: Hohe Sozialhilfe für ukrainische Geflüchtete
In Belgien wurde kurz nach Kriegsbeginn ein Beschluss verabschiedet, wonach Geflüchtete aus der Ukraine einen temporären Schutz erhalten, wie das Arbeitsamt der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens erklärt. Durch diesen können sie gesetzlich krankenversichert sein und eine staatliche Sozialhilfe von 1288,46 Euro erhalten. Befinden sich zwei Personen in einem Haushalt, beträgt die Unterstützung jeweils 858,97 Euro. Paare mit Kindern erhalten insgesamt 1741,29 Euro. Zusätzlich werden ukrainische Geflüchtete mit Zuschüssen für Kleidung, Strom, Essen und Möbel unterstützt. Der Schutzstatus wurde Anfang 2025 bis zum 4. März 2026 verlängert.
Was bringt der Vergleich von Deutschland zu anderen Aufnahmeländern?
Wer die Zahlen in Belgien betrachtet, sieht, dass es ein Land gibt, das Ukrainerinnen und Ukrainern noch mehr Sozialhilfe zahlt als Deutschland. Die Aussagen von Söder und Frei sind daher nicht gänzlich korrekt. Allerdings ist die Quote der erwerbstätigen Ukrainerinnen und Ukrainer in den meisten Aufnahmeländern tatsächlich höher als in Deutschland. Das dürfte vielschichtige Gründe haben.