Nach der großflächigen Kündigung von Obstverträgen durch Großkeltereien im Bodenseeraum klopfen immer mehr Apfelerzeuger bei kleineren Konkurrenten an. „Ich habe jeden Tag bis zu zehn Anfragen von Obsterzeugern, die in der kommenden Saison Streuobst anliefern wollen“, sagte Günther Schäfer, Chef einer auf Bioware spezialisierten Streuobstmosterei in Stahringen dem SÜDKURIER.

Viele Streuobstwiesenbesitzer wollten von ihren bisherigen Vertragspartnern weg. „Sie sind gefrustet“, sagte Schäfer, dessen Betrieb mit Produkten wie der Öko-Limonade Brisanti oder dem Birnen-Likör Birnoh auch im Einzelhandel gelistet ist. Oft muss Schäfer die Anfragen aber ablehnen. „Ich kann einfach nicht alle annehmen“, sagt er.

Klein-Keltereien: „Wir können nicht mehr Menge aufnehmen“

Ähnlich verhält es sich bei Weinmann Fruchtsäfte. Auch bei diesem auf Streuobstwiesen spezialisierten Mittelständler, klopften immer mehr Erzeuger an, wie Firmen-Chef Michael Weinmann sagt. Aber auch hier sind die Türen nur einen Spalt weit offen. Alle Interessenten anzunehmen, würde die eigenen Verarbeitungskapazitäten sprengen, sagt Firmen-Chef Weinmann.

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Dass sich Teile der bäuerlichen Obsterzeuger am Bodensee nach neuen Partnern umsehen, hat mit massenhaften Vertragskündigungen von zwei Groß-Keltereien Ende 2020 zu tun. Die Firmen Dreher und Widemann kündigten damals geschätzt 3500 Erzeugern in ganz Süddeutschland und boten im selben Zug neue Lieferverträge zu deutlich schlechteren Konditionen an.

Zumindest eine der beiden Firmen, die Bodensee-Kelterei Widemann, hat diesen Schritt teilweise wieder rückgängig gemacht und leicht bessere Preise angeboten. Diese reichen indes nicht an das ursprüngliche Niveau heran. Die Firma Dreher äußert sich nicht. Auch am Freitag hieß es von dem Stockacher Branchen-Riesen: „Hierzu nehmen wir keine Stellung“.

20 Euro für 100 Kilo Bio-Obst bekommen Erzeuger in Schwaben

Die Stimmung in der Bauernschaft wird derzeit durch Vorgänge im schwäbischen Landesteil Baden-Württembergs aufgeheizt. Dort sollen rund 220 bei Widemann unter Vertrag stehende Obsterzeuger nun deutlich bessere Erzeugerpreise erhalten. Zuvor hatten sie geschlossen mit dem Übertritt zu einem regionalen Konkurrenten gedroht.

Nach Angaben von Dieter Blessing, Vorsitzender des Obst- & Gartenbauverein Leutenbach, der die Erzeuger vertritt, habe Widemann nun einen fixen Preis von 20 Euro je 100 Kilogramm Obst für die kommende Saison angeboten worden. Zusätzlich würden anfallende Bio-Zertifizierungskosten – im Regelfall sind das mindestens 150 Euro – von dem Unternehmen übernommen.

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Der SÜDKURIER konnte entsprechende Verträge einsehen. Zum Vergleich: Im Bodenseeraum stellt die Kelterei ihren Erzeugern einen Marktpreis von 17 Euro in Aussicht, ohne Zertifizierungskosten zu übernehmen. „Ich will, dass im Bodenseeraum bekannt wird, dass hier offenbar mit zweierlei Maß gemessen wird“, sagte Vereins-Chef Blessing, selbst Obsterzeuger in Schwaben, dem SÜDKURIER. Die Bodensee Kelterei Widemann äußerte sich vorerst nicht.