Attraktivere Arbeitsplätze, ein neues Produktionszentrum für medizintechnische Geräte und endlich eigene Betriebsrestaurants für die Mitarbeiter – der Endoskopie-Spezialist Karl Storz aus Tuttlingen organisiert seinen deutschen Stammsitz massiv um und investiert dafür den höchsten Betrag in der Unternehmensgeschichte. „Durch das Neubauprojekt ordnen wir die Produktion von Karl Storz in Deutschland komplett neu“, sagte Storz-Finanzchef Michael Tröndle dem SÜDKURIER. Das Projekt sei die „größte Umorganisation des Unternehmens in Deutschland seit Jahrzehnten und ein klares Bekenntnis für den Produktionsstandort Baden-Württemberg.

Michael Tröndle, Finanz- und IT-Chef bei Karl Storz steht vor der Baustelle des neuen Produktionswerks in Neuhausen. Das Unternehmen ...
Michael Tröndle, Finanz- und IT-Chef bei Karl Storz steht vor der Baustelle des neuen Produktionswerks in Neuhausen. Das Unternehmen investiert hier einen Mittleren dreistelligen Millionenbetrag. | Bild: Rosenberger, Walther

Konkret plant das Unternehmen, das zu den größten Medizintechnikherstellern in Deutschland gehört, die Produktion vom Tuttlinger Stammsitz in ein neues Fertigungszentrum im etwa zehn Kilometer entfernten Neuhausen ob Eck zu verlagern. 1200 Mitarbeiter, die bisher über mehrere Werke in Tuttlingen verteilt waren, werden so in Neuhausen zusammengezogen. Knapp 2000 Menschen sollen hier perspektivisch für das Familienunternehmen arbeiten. Man plane, Mitte 2024 mit den Umzügen zu beginnen, sagte der verantwortliche Storz-Manager Frank Stock bei der Vorstellung der Pläne.

Ein Stereolaparoskop für 3D Endoskopie ist bei einem Rundgang durch das Schulungszentrum von Karl Storz Endoskope in Tuttlingen zu ...
Ein Stereolaparoskop für 3D Endoskopie ist bei einem Rundgang durch das Schulungszentrum von Karl Storz Endoskope in Tuttlingen zu sehen. Der Endoskop-Weltmarktführer will die Produktion von Tuttlingen ins benachbarte Neuhausen verlagern. | Bild: Christoph Soeder, dpa

Karl Storz ist nicht das erste Unternehmen, das seine Produktion am Fuß der Schwäbischen Alb zusammenzieht. Bereits im Jahr 2019 hatte der Werkzeugmaschinenbauer Chiron in Neuhausen auf dem Gelände eines ehemaligen Hubschrauber-Stützpunkts der Bundeswehr die nach eigenen Angaben modernste Fabrik Europas zum Bau komplexer Fräsen errichtet und dafür 30 Millionen Euro investiert. Auch Storz ist in dem heute als Industriepark genutzten Gelände schon seit einigen Jahren mit einem Logistikstandort präsent. Dieser wird jetzt umfassend ausgebaut und auf rund 80.000 Quadratmetern Gesamtfläche um das Produktionswerk erweitert. Die so entstehende Einheit aus Produktion- und Logistikaktivitäten soll die internen Abläufe vereinfachen und schneller machen.

Kein Warten mehr auf Brezelwagen

Die Mitarbeiter, die teilweise einen bis zu zehn Kilometer längeren Pendelweg in Kauf nehmen müssen, sollen nach Unternehmensangaben aber von dem geplanten Großprojekt profitieren. „An den betroffenen Standorten schaffen wir hochmoderne Arbeitsplätze“, sagte Storz-Personalchef Holger Mann dem SÜDKURIER. Die neuen Produktionsarbeitsplätze in Neuhausen entsprächen modernsten Standards, andere Abteilungen würden nach Prinzipien des „New Work“ organisiert, sagte er.

Karl-Storz-Personalchef Holger Mann: Bessere Arbeitsplätze für die Mitarbeiter sind das Ziel.
Karl-Storz-Personalchef Holger Mann: Bessere Arbeitsplätze für die Mitarbeiter sind das Ziel. | Bild: Rosenberger, Walther

Dazu gehörten etwa offenere Bürostrukturen, Kreativräume, aber auch flexible Arbeitszeitkonzepte. Man wolle die räumliche Umorganisation nutzen, „allen Mitarbeitern ein besseres Arbeitsumfeld zu Verfügung zu stellen“, sagte der Ex-Festo-Manager. Auch am Tuttlinger Stammsitz, wo beispielsweise zentrale Verwaltungsabteilungen, die Forschung und Entwicklung sowie das Marketing, verbleiben werden, würde weiter investiert. Zudem plane das Unternehmen einen Shuttle-Service für die Beschäftigten zwischen den Standorten.

Durch die Umorganisation soll auch eine Scharte ausgemerzt werden, die dem Unternehmen in der Vergangenheit immer wieder negative Schlagzeilen eingebracht hat. Während lokale Konkurrenten wie etwa der zum Melsunger B.Braun-Konzern gehörende Medizintechnikhersteller Aesculap seit Jahren über eine von den Mitarbeiten als „top“ bewertete Kantine verfügen, mussten sich Karl-Storz-Beschäftigte bislang größtenteils ihr Pausenbrot selbst mitbringen oder auf einen zur Mittagszeit anrollenden Brezelwagen warten.

Das soll jetzt der Vergangenheit angehören. „In Neuhausen wird eine neue Betriebskantine mit einer dreistelligen Zahl an Sitzplätzen entstehen“, sagte Storz-Finanzchef Tröndle. Das Essen solle vielfältig sein und „größtenteils frisch zubereitet werden“. Von einer Dachterrasse aus, soll bei klarer Sicht sogar ein Blick auf die Alpen möglich sein.

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Das Betriebsrestaurant für den neuen 2000-Mitarbeiter-Standort soll eine bereits bestehende, aber deutlich kleinere, Kantine ersetzen. Am Stammsitz will Storz ebenfalls kulinarisch aufrüsten. „Für Tuttlingen gibt es konkrete Pläne, eine zentrale Kantine zu bauen“, sagte Tröndle. Eine finale Entscheidung über einen Standort der stehe aber noch aus.

Für alle Maßnahmen investiert das Unternehmen, das von Karl-Christian Storz, einem Enkel des Firmengründers, geleitet wird, nach eigenen Angaben einen „nicht unerheblichen dreistelligen Millionenbetrag“. Nach Informationen aus Branchenkreisen dürfte dieser aber deutlich unter der 500-Millionen-Euro-Schwelle liegen.

Umsatz bald bei zwei Milliarden Euro

Das 1945 von Karl Storz gegründete Unternehmen ist heute Leitanbieter in der endoskopischen Medizintechnik und hält rund 400 Patente allein in dieser Produktklasse. Weltweit beschäftigt man 8300 Mitarbeiter, 3000 davon im baden-württembergischen Tuttlingen. Zusammen erwirtschafteten sie im Jahr 2020 rund 1,8 Milliarden Euro Umsatz. Die langjährige Firmenchefin, Sybill Storz, die Tochter des Firmengründers, hat die operative Verantwortung 2019 an Sohn Karl-Christian abgegeben und ist zur Zeit Vorsitzende des Verwaltungsrats.