Dass sich die Wirtschaftsweisen in Erziehungsfragen einmischen, kommt ungefähr so selten vor wie eine Konjunkturprognose des Philologenverbands. Vor ein paar Tagen ist es dennoch geschehen. Deutschlands einflussreichstes Beratergremium in Wirtschaftsfragen ist mit dem Vorschlag um die Ecke gekommen, Schulkinder zu Aktienprofis auszubilden.

Kapitalistische Einflussnahme aufs humanistische Bildungsideal?

Man könnte dahinter den Versuch einer kapitalistischen Einflussnahme aufs humanistische Bildungsideal vermuten und das Ganze in Bausch und Bogen ablehnen. Man könnte aber auch einfach sagen: Das ist eine verdammt gute Idee! Denn das ist der Vorstoß tatsächlich.

Wirtschaftsweise Ulrike Malmendier ist eine der geistigen Mütter des Vorschlags, Kindern und Jugendlichen ein staatlich finanziertes ...
Wirtschaftsweise Ulrike Malmendier ist eine der geistigen Mütter des Vorschlags, Kindern und Jugendlichen ein staatlich finanziertes Aktienkonto zur Verfügung zu stellen. | Bild: Bernd Von Jutrczenka/dpa

Deutschland wird immer ungleicher. Die Reichen häufen immer mehr Kapital an, während die breite Masse abgehängt wird. Seit der Corona-Krise hat sich der Trend noch einmal beschleunigt. Mittlerweile mehrt sich die Zahl der Villen- und Yachtbesitzer ebenso schnell wie deren Vermögen: mit zweistelligen Zuwachsraten.

Umverteilung stößt an Grenzen

Zu hoffen, der Staat könne mittels Umverteilung dagegen anarbeiten, ist ziemlich illusorisch. Besser ist es, sich bei den Superreichen abzuschauen, wie ihr sagenhafter Vermögenszuwachs zustande kommt, und es dann genauso machen. Das geht nämlich.

Das könnte Sie auch interessieren

Sehr wohlhabende Menschen unterscheidet bei der Geldanlage nämlich Grundlegendes von Otto Normalverbraucher und Lieschen Müller. Sie haben einen weitaus größeren Anteil ihres Vermögens am Kapitalmarkt investiert. Weniger Vermögende setzen dagegen zuallererst auf Sicherheit und wählen risikoärmere Anlageklassen wie Bankguthaben, Bargeld oder Versicherungen – und das geht zulasten der Rendite.

Macht es wie die Superreichen!

Logisch, könnte man sagen. Wer arm ist, muss sein weniges Geld sicher anlegen. Es könnte ja sein, dass morgen die Waschmaschine kaputtgeht oder das alte Auto streikt. „Cash is king“ – nur Bares zählt, sagen die Superreichen. Aber der Spruch gilt zuallererst für die Ärmeren. So zu argumentieren, ist dennoch falsch. Denn es heißt, alle Chancen fahren zu lassen, die Kapitalmärkte und Börsen bieten.

Das Finanzwissen der deutschen Bevölkerung ist erschreckend gering. Warum nicht bei den Schulkindern anfangen, das zu ändern?
Das Finanzwissen der deutschen Bevölkerung ist erschreckend gering. Warum nicht bei den Schulkindern anfangen, das zu ändern? | Bild: Peter Kneffel/dpa

Ein Beispiel: Wer laut Bundesbank im Jahr 1995 nur 100 Euro in Aktien investiert hat, hatte Ende 2023 daraus 710 Euro gemacht. Hätte derselbe Anleger das Geld auf dem Bankkonto liegen lassen, wären daraus nur 148 Euro geworden. Das zeigt: Geld für sich arbeiten zu lassen, ist als Strategie zum Vermögensaufbau unübertroffen – man muss es aber können!

Konten mit ETFs und Günstigprodukten

Genau hier setzen die Wirtschaftsweisen an. Sie fordern ein Pflicht-Aktienkonto für Kinder zwischen 6 und 18 Jahren, auf das der Staat jeden Monat 10 Euro einzahlt. Eltern könnten den Betrag aus anderen Sozialleistungen, etwa dem Kindergeld, aufstocken. Damit die Finanzbranche keinen Reibach macht, wären teure Bankspar- oder Versicherungspolicen verboten.

Ins Depot buchen könnten Kevin und Janine nur Günstigprodukte wie etwa ETFs oder Aktienfonds ohne Ausgabeaufschläge. Die berechtigte Hoffnung ist, dass sich so das Verständnis für die Funktionsweise der abstrakten Finanzmärkte schon bei den Kleinen ganz nebenbei verbessert und auf die Eltern abstrahlt.

43 Prozent der Vermögen bringen fast keine Rendite

Das ist wichtig. Denn wissenschaftlich unumstritten ist, dass die Eltern prägend auf das Anlageverhalten der Kinder wirken. Jene aber sind Teil einer Generation, die das Platzen der Dotcom-Blase und den Schlamassel um den Börsengang der Deutschen Telekom voll miterlebt hat. Sie sind Aktienmuffel.

Als Folge halten nur 17 Prozent der deutschen Haushalte Aktien. 43 Prozent der heimischen Vermögenswerte rotten als Bargeld oder Bankeinlage vor sich hin.

Bitte richtig anlegen!

Ein richtiger Schritt wäre, damit aufzuräumen, aus alten Fehlern zu lernen und dem Kapitalmarkt im Portfolio wieder eine Chance zu geben. Langfristig denken, Aktien breit streuen, gehypte Aktien meiden und kostenbewusst anlegen, lautet die Devise. Und natürlich das Ganze seinen Kindern beibringen. Die würden dann zu echten Aktienprofis. Und vielleicht sogar reich.