Viele Kommunen drehen an der Steuerschraube und belasten Hausbesitzer. 87 der 1101 Gemeinden in Baden-Württemberg haben im ersten Halbjahr 2023 den Hebesatz für die Grundsteuer B hochgesetzt, im Jahr 2022 waren es dem Statistischen Landesamt zufolge sogar 171 Kommunen.

„Das hat das Wohnen in jeder zwölften Kommune im Land zum Teil erheblich verteuert, es gab Hebesatzerhöhungen um bis zu 100 Prozentpunkte“, sagt Daniel Bilaniuk vom Bund der Steuerzahler Baden-Württemberg. Der Hebesatz ist ein zentraler Hebel dafür, um die Höhe der Grundsteuer festzulegen.

Viele werden sich verwundert die Augen reiben und fragen: Die Grundsteuerreform, durch welche Steuerhöhungen drohen, kommt doch erst im Jahr 2025? Und wie kann es sein, dass die Steuern jetzt erhöht werden, obwohl die Finanzverwaltungen eigentlich versprochen haben: Die Gemeinden sollen durch die Grundsteuerreform nicht mehr Einnahmen haben als vor der Reform? Das sind die Erklärungen:

Steigende Hebesätze

Die Höhe der Grundsteuer, die ein Hausbesitzer zahlen muss, hängt bislang und auch nach der ab 2024 in Kraft tretenden Reform stark vom Hebesatz ab. „Diesen Faktor können die Kommunen von der Höhe her theoretisch völlig frei festlegen, und zwar jedes Jahr neu“, sagt Patrick Holl, der als Erster Beigeordneter des Gemeindetages Baden-Württemberg für Finanzangelegenheiten zuständig ist.

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Ausgaben und Einnahmen

Wie hoch der Hebesatz gewählt wird, hängt davon ab, welche Ausgaben und welche anderen Einnahmen die jeweilige Gemeinde hat, weshalb sich die Hebesätze stark von Kommune zu Kommune unterscheiden.

Nun haben viele Gemeinden durch gestiegene Kosten, etwa wegen energetischer Sanierungen, Ganztagesbetreuung in Kitas oder der Unterbringung von Flüchtlingen einen stark angestiegenen Finanzbedarf – weshalb die Hebesätze für die Grundsteuer vielerorts in den vergangenen Monaten erhöht wurden. Mit der Reform der Grundsteuer hat das erst einmal nichts zu tun.

Daniel Bilaniuk vertritt beim Bund der Steuerzahler die Interessen von Zehntausenden Hausbesitzern im Land.
Daniel Bilaniuk vertritt beim Bund der Steuerzahler die Interessen von Zehntausenden Hausbesitzern im Land. | Bild: BdSt

Daniel Bilaniuk vom Bund der Steuerzahler warnt die Kommunen dennoch davor, vorschnell an der Steuerschraube zu drehen. „Insbesondere für Ein- und Zweifamilienhäuser ist durch die neuen Regelungen in Zukunft ohnehin schon von einer deutlich höheren Grundsteuerbelastung auszugehen.“

Aufkommensneutralität

Dieser Eindruck kann sich einem durchaus aufdrängen, auch wenn der erhöhte Finanzbedarf der Kommunen nicht von der Hand zu weisen ist. Damit die Bürger einfach erkennen können, ob ihre Kommune die Grundsteuerreform für Steuererhöhungen nutzt, veröffentlichen einige Bundesländer inzwischen einen aufkommensneutralen Hebesatz für jede Kommune.

Daniel Bilaniuk wünscht sich diese Möglichkeit auch für Bürger in Baden-Württemberg. Dazu Michaela Hornung, Sprecherin des Finanzministeriums auf SÜDKURIER-Nachfrage: „Auch das Land Baden-Württemberg wird – in einer noch festzulegenden Weise – für Transparenz in Bezug auf die Hebesätze sorgen.“

Das Wort Grundsteuer erscheint auf einem Computerbildschirm auf der Seite des Online-Steuerportals Elster. 2025 soll die Reform in Kraft ...
Das Wort Grundsteuer erscheint auf einem Computerbildschirm auf der Seite des Online-Steuerportals Elster. 2025 soll die Reform in Kraft treten. | Bild: Bernd Weißbrod

Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Für den einen oder anderen wird durch die Grundsteuerreform ab 2025 sicherlich noch mehr Grundsteuer fällig werden – aber das ist durch die Reform teils ja auch beabsichtigt. Denn das der Reform zugrunde liegende Urteil des Bundesverfassungsgerichts forderte mehr Gerechtigkeit bei der Zahlung der Grundsteuer.

Künftig soll die Effizienz mit der eine Grundstücksfläche fürs Wohnen genutzt wird, mitabgebildet werden. Das heißt: Es zahlen nicht mehr alle in einer Kommune gleich viel. Wer mehr Fläche für sich in Anspruch nimmt, zahlt auch mehr. In einem mehrstöckigen Mehrfamilienhaus ohne Garten könnte es dagegen billiger werden.

Zwei Musterverfahren

Beim Finanzgericht Baden-Württemberg sind zwei Musterverfahren anhängig, eines davon unterstützt der Bund der Steuerzahler Baden-Württemberg. Im ersten Verfahren hat die Oberfinanzdirektion ein Gutachten zur Verfassungsmäßigkeit der Landesgrundsteuer in Auftrag gegeben, dieses soll noch im November vorliegen. „Wir hoffen, dass dann Anfang des kommenden Jahres die mündliche Verhandlung stattfinden kann“, sagt Bilaniuk.

Zur Einordnung ist allerdings zu sagen, dass das Finanzgericht selbst das Landesgrundsteuergesetz nicht für verfassungswidrig erklären kann. Hat es Zweifel an der Verfassungsfestigkeit, muss es die Frage der Verfassungswidrigkeit dem Verfassungsgericht zur Prüfung vorlegen. Es wird also in jedem Fall noch eine weitere Instanz benötigt.

Beim Landesgrundsteuergesetz besteht zudem die Besonderheit, dass Landesrecht betroffen ist, somit könnte auch der Verfassungsgerichtshof des Landes über die Vereinbarkeit des Landesgrundsteuergesetzes mit der Landesverfassung befinden. Es wird also noch eine Weile dauern, bis Klarheit herrscht.