Eine besinnliche Weihnachtszeit war den – nun ehemaligen – Mitarbeitern von Formel D am Standort Immendingen nicht vergönnt. Wie aus einem Schreiben aus dem Unternehmensumfeld hervorgeht, wurde knapp 70 Mitarbeitern am 30. November gekündigt. Das Schreiben wurde dem SÜDKURIER anonym zugesandt. Die Kündigung betrifft die gesamte Belegschaft am Standort Immendingen, welcher zum 31. Dezember des vergangenen Jahres geschlossen wurde.
Kündigung eine „Hauruck-Aktion“?
Formel D ist ein Dienstleister der Automobil- und Zulieferindustrie. Erst vor gut drei Jahren hatte das Unternehmen den Standort Immendingen eröffnet, in unmittelbarer Nähe zum Daimler Prüf- und Technologiezentrum. Der Standort war wohl überlegt, so absolvierte Formel D auf dem Prüfgelände in Immendingen „Erprobungsfahrten mit Prototypen und sogenannten Erlkönigen von Daimler Benz“, wie es in dem Schreiben heißt.
Rentiert hat sich das scheinbar nicht: Denn so sei als Grund für die Kündigung und die Schließung des Standorts angegeben worden, „dass das Unternehmen nicht wirtschaftlich arbeiten könne, auch weil der Kunde Daimler Benz kurz- und mittelfristig nicht genügend Erprobungsfahrzeuge zur Verfügung stellen könne.“ Daimler selbst wollte sich auf SÜDKURIER-Anfrage nicht äußern, man habe sich aber stets an vertragliche Abmachungen gehalten.
Doch es ist nicht nur die Kündigung an sich, die in dem Schreiben kritisiert wird. Die Art und Weise wird als „Hauruck-Aktion“ beschrieben. So haben manche Beschäftigte bis zu vier Stunden nach Schichtende auf dem Firmengelände warten müssen, um am Ende die Kündigung zu erhalten. In dem anonymen Schreiben werden die Vorgänge wie folgt zusammengefasst: „In diesem Unternehmen mangelt es offensichtlich nicht nur an der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber den Mitarbeitern.“
Formel D kämpfte lange um den Standort Immendingen – trotz finanzieller Schieflage
Und was sagt das Unternehmen selbst? Der SÜDKURIER hat Johannes Wallraf, Topmanager von Formel D in Deutschland und Personalchef Christoph Hunold mit den Vorwürfen konfrontiert. Sie können die Kündigungen und die Standortschließung bestätigen. Johannes Wallraf ist seit über 14 Jahren bei Formel D – so etwas habe aber auch er noch nie erlebt. „Uns tut das sehr leid, dass es am Ende so gekommen ist, aber die Marktsituation hat uns zur Schließung getrieben.“ Schon lange Zeit sei der Standort Immendingen in keiner Weise wirtschaftlich tragbar gewesen.
Die Eröffnung des Standorts Ende 2020 erfolgte mitten in die Corona-Krise hinein. Seitdem folgt eine Krise auf die nächste, besonders die Industrie der Automobilzulieferer ist schwer gebeutelt, wie auch die jüngsten Geschehnisse bei ZF und Bosch zeigen. „Die Planungen für den Standort Immendingen haben natürlich vor Corona begonnen, damals waren diese ganzen Krisen nicht absehbar“, erklärt Wallraf.
Ihnen seien mit der Zeit am Standort Immendingen fast alle Zulieferer weggebrochen. Es habe trotzdem monatelange Gespräche gegeben, in denen immer wieder versucht wurde, den Standort trotz der schwierigen Marktsituation zu sichern.
Zeitpunkt für Kündigung nicht ideal – aber Schließung kam nicht völlig überraschend
Die Vorgänge, wie sie in dem Schreiben beschrieben werden, können Wallraf und Hunold aber so nicht bestätigen. So weit es möglich war, habe man immer versucht die Mitarbeiter einzubinden, die Marktsituation sei bekannt gewesen.
Natürlich könne es immer unterschiedliche Informationsstände bei Mitarbeitern geben – „aber man kann nicht sagen, dass die Schließung des Standorts für jeden Mitarbeiter komplett aus dem Nichts kam“, so Hunold. Dafür spreche auch, dass der Testfahrbetrieb im Dezember auch nach dem Aussprechen der Kündigungen von den Mitarbeitern weiterhin professionell aufrechterhalten wurde, was vom Unternehmen sehr geschätzt werde.
Dass der Zeitpunkt der Kündigung einen Monat vor Weihnachten nicht gut ist, verstehen die beiden Führungskräfte von Formel D. Christoph Hunold sagt dazu: „Wir standen vor der Entscheidung, sprechen wir die Kündigung direkt vor Weihnachten aus, oder noch im November?“
Es sei klar, dass es keinen perfekten Zeitpunkt für eine Kündigung gäbe. Durch den gewählten Termin Ende November wollte man den Beschäftigten auch die Chance geben, rechtzeitig Klarheit zu haben und sich so zu einem besseren Zeitpunkt um eine neue Stelle kümmern zu können.
Zumindest für den Verfasser des dem SÜDKURIER vorliegenden Schreibens dürfte das ein schwacher Trost sein. Für die Mitarbeiter sei Weihnachten nämlich kein „Fest für Ruhe und Besinnlichkeit“ gewesen, steht dort geschrieben.