Wenn man Dieter Blessing nach dem Geheimnis seines Misserfolgs fragt, legt sich seine Stirn in Grübler-Falten. Dann zieht er die Schultern hoch und sagt: „Vielleicht liegt es daran, dass ich kein Marketing-Mann bin, sondern ein Ingenieur.“ Dinge perfekt zu machen, das sei sein Antrieb. Aber sie auch zu verkaufen?

Snowbraker-Schlitten stehen fertig aufgereiht in der Konstanzer Manufaktur des Unternehmens. Lieferzeiten gibt es nicht. Die Geräte sind ...
Snowbraker-Schlitten stehen fertig aufgereiht in der Konstanzer Manufaktur des Unternehmens. Lieferzeiten gibt es nicht. Die Geräte sind sofort verfügbar. | Bild: Dieter Blessing/Snowbraker

Vor einigen Jahren hatte Blessing einen Geistesblitz. Auf einer Skitour im Vorarlberg sah er eine Gruppe Schneeschuhwanderer, die sich mehr eiernd als gehend einen sulzigen Hang hinunterquälten. Das Bild der schwitzenden Gurkentruppe ließ ihn nicht mehr los und so überlegte er, wie er dieser oft geschundenen Spezies von Schneesportlern, das Leben erträglicher machen könne. Bei der Suche nach einer sorgenfreien Form des Abstiegs von alpinen Gipfeln landete er zügig beim winterlichen Lieblingsspielzeug aller Familien und Kinder – dem Schlitten. „Warum nicht einen gewöhnlichen Holzschlitten so modifizieren, dass er auch in Tiefschnee, Sulz und Eis voll einsatzfähig ist“, fragte er sich.

Drei Jahre Entwicklungszeit, Dutzende Testfahrten

Rund drei Jahre, Dutzende Testfahrten und mehr als 1000 Stunden Entwicklungszeit später stand Dieter Blessing, diplomierter Ingenieur und begeisterter Berg-Sportler, 2012 dann vor der Lösung aller alpinen Abfahrts-probleme: dem Snowbraker – einem Tiefschnee-Schlitten für Einsätze jenseits aller gespurten Pisten und Wege.

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Mit einem Holzschlitten hat das seit damals mehrfach überarbeitete Sportgerät nicht mehr viel zu tun. Für den nötigen Auftrieb auf dem Schnee sorgen zwei extra-breite Kufen, die an ein halbiertes Snowboard erinnern. Das Gestänge zum Draufsitzen ist aus Alu und Carbon gefertigt.

Dieter Blessing, Chef der Konstanzer Firma Snowbraker Hochalpin-Schlitten
Dieter Blessing, Chef der Konstanzer Firma Snowbraker Hochalpin-Schlitten | Bild: Dieter Blessing/Snowbraker

Damit spielt das Gefährt, das deutlich größer und stabiler ist als ein gewöhnlicher Holzschlitten, in der selben Gewichtsklasse wie seine historischen Vorbilder. „Deutlich unter acht Kilo“, sagt Blessing. So kann der Snowbraker einfach auf den Rücken geschnallt oder an einer Kordel nachgezogen werden.

Innovation ist das Bremssystem für bis zu 40 Grad steile Hänge

Der Clou der Konstruktion aber sind die Bremsen. Beim normalen Holzschlitten überflüssig, kommt ihnen beim Snowbraker zentrale Bedeutung zu. Der Grund: Eine Abfahrt von einem Alpengipfel gleicht ohne sie einem Himmelfahrtskommando.

Dieter Blessing, Chef der Konstanzer Firma Snowbraker Hochalpin-Schlitten
Dieter Blessing, Chef der Konstanzer Firma Snowbraker Hochalpin-Schlitten | Bild: Dieter Blessing/Snowbraker

Insbesondere auf vereisten Hängen kann nämlich einiges schief gehen. Gegenstände oder auch Alpinisten, die auf Eisfeldern den Halt verlieren, erreichen schon nach wenigen Metern nahezu Fallgeschwindigkeit, wie der Deutsche Alpenverein (DAV) in Tests nachgewiesen hat. Der Versuch in derartigem Gelände auf dem Schlitten sitzend mit den Hacken der Schuhe zu bremsen, sei deswegen von vorneherein zum Scheitern verurteilt, sagt Blessing.

Hochalpen als Tummelplatz

Daher ersann er eine Bremsplatte, die sich ähnlich wie das Gaspedal eines Autos mit dem Fuß bedienen lässt. Streckt man den Fuß aus, beißen sich Metallzähne in den Untergrund und bringen den Schlitten ruckelfrei zum Stillstand. Bergflanken mit bis zu 35 Grad Steilheit ließen sich mit wenig Übung sicher befahren, sagt Blessing. Er selbst bezwingt schon mal 40 Grad steile Schneehänge – ein Gefälle, das auch geübte Skifahrer und Freerider nur selten überschreiten.

Die Saison geht bis Ende Mai

Was den Schlittenfahrer dann erwartet, beschreibt der Wahl-Badener überraschend euphorisch. „Wirklich göttlich“ sei die Abfahrt im Neuschnee. Wie beim Skifahren könne man die Hänge durch Gewichtsverlagerung und den geschickten Einsatz der Bremsen herunterwedeln. „Es fühlt sich an wie surfen auf einer Welle“, sagt der 68-Jährige.

Abfahrts-Gaudi auf dem Snowbraker
Abfahrts-Gaudi auf dem Snowbraker | Bild: Dieter Blessing/Snowbraker

Auf den ersten Blick gleichen die Schlittenspuren des Snowbraker tatsächlich jenen von Skifahrern im Wedelmodus. „Tausend Höhenmeter Abfahrt in einem Rutsch sind problemlos möglich“, sagt Blessing, der seit 2006 in Konstanz lebt und arbeitet. Einen 4000er und eine ganze Reihe 3000er ist er so schon sicher abgefahren. Es muss aber nicht hochalpin sein. Regelmäßig reitet Blessing sein Gefährt auch im Schwarzwald auf Hängen und gespurten Pisten. Bis Ende März geht die Saison hier. In den Alpen bis Ende Mai. Auch im flacheren Gelände mache der Rodel Geschwindigkeit und einen „Riesenspaß“, sagt er.

Revier ist auch der Schwarzwald

Ein Problem gibt es bei der Sache allerdings. In den rund sieben Jahren, in denen Blessing seinen Schlitten anbietet, haben erst gut 30 Käufer zugegriffen. Dabei hat der gebürtige Schwabe schon einiges versucht. Eine Saison lang stellte er sich in einem großen Münchner Sporthaus immer samstags neben seinen High-Tech-Rodel und erklärte den Kunden dessen Finessen. Auch bei Sporthäusern und Skischulen direkt in Skigebieten hat er es probiert – ohne durchschlagenden Erfolg.

Vielleicht liegt es daran, dass Blessing den Snowbraker nicht sofort verkauft, sondern eine vorherige Einweisung zur Bedingung macht. Wer den 800 Euro teuren Boliden erwirbt, bekommt einen kompletten Tag Einweisung gratis mit dazu. „Die Zeit braucht man“, sagt der Erfinder. Aktuell vertreibt er den Snowbraker vor allem über seine eigene Webseite. Und auf YouTube hat er Videos gestellt, die das Gefährt in Davos und Damüls in Aktion zeigen.

Dieter Blessing bei der Abfahrt vom Feldberg mit einem Snowbraker-Schlitten. Die Saison geht bis Ende März.
Dieter Blessing bei der Abfahrt vom Feldberg mit einem Snowbraker-Schlitten. Die Saison geht bis Ende März. | Bild: Dieter Blessing/Snowbraker

Der Schlitten sei eben ein Produkt mit einer sehr spitzen Zielgruppe. Für Familien mit Kindern sei der Preis wohl schon ein Problem. Günstiger gehe es aber nicht. Denn all der High-Tech kostete eben Geld. Tourengeher wiederum, bräuchten zur Abfahrt keinen Schlitten. Die rauschen auf Ski ins Tal. Und den Genießern am Berg – den Winterwanderern – fehle wohl das „Abenteurer-Gen“, vermutet Ingenieur Blessing.

Die letzten, die den Snowbraker gekauft haben, seien drei Gebirgsjäger aus Bayern gewesen, sagt er. Echte Bergfexe. Sie wollten es einfach mal voll den Berg hinunter krachen lassen.