Infolge von Umstrukturierungen beim Münchner Technologiekonzern Siemens, verliert die Region zwischen Schwarzwald, Alb und Bodensee für das Unternehmen immer mehr an Bedeutung. Nach dem vor wenigen Tagen angekündigten Verkauf des Geschäfts mit Flughafen-Gepäcksortiermaschinen, ist Siemens im Süden Baden-Württembergs nur noch mit einer Niederlassung in Freiburg präsent. Aus Konstanz am Bodensee wird sich das Unternehmen in absehbarer Zeit komplett zurückgezogen haben.

Ende Oktober hatte der Dax-Konzern angekündigt, sein Geschäft mit Flughafen-Logistik für 300 Millionen Euro an einen niederländischen Konkurrenten, die Toyota-Tochter Vanderlande, zu veräußern. Der Verkauf solle im Lauf des Jahres 2025 vollzogen werden, hieß es von Siemens. Davon betroffen ist neben drei weiteren deutschen Standorten auch das Siemens-Werk in Konstanz.

Bereits im Frühjahr 2022 war bekannt geworden, dass sich der Münchner Konzern von seinem ebenfalls in Konstanz angesiedelten Traditionsgeschäft mit Brief- und Paketsortieranlagen trennt und es an den Hamburger Stiftungskonzern Körber verkauft.

Siemens-Vorstandschef Roland Busch treibt seit Jahren den Umbau des deutschen Industrie-Riesen – Umsatz 2023 rund 78 Milliarden Euro – voran. Ziel ist es, Bereiche abzustoßen, die nicht unmittelbar zum Kerngeschäft gehören. Gleichzeitig will Busch Siemens zu einem Digital-Konzern umbauen.

Siemens baut um

Erst vor wenigen Tagen kündigte er an, für umgerechnet 9,2 Milliarden Euro den US-Softwarespezialisten Altair zu übernehmen, der nach eigenen Angaben ein weltweit führender Anbieter von Software für Industrieanwendungen ist. Siemens, selbst einer der größten Ausrüster für voll-digitalisierte Fabriken, will damit insbesondere seine Schlagkraft im Bereich Künstlicher Intelligenz ausbauen.

Andere Sparten und Beteiligungen werden für die Münchner unwichtiger. So erwägt Siemens seine Anteile an der Medizintechnik-Tochter Healthineers herunterzufahren. Gleiches gilt für die börsennotierte Kraftwerkstochter Siemens Energy.

Von anderen Geschäftsfeldern trennt man sich ganz und hat dies zum Teil schon vor Jahren angekündigt. So gehen erste Pläne zum jetzt öffentlich gewordenen Verkauf der Flughafen-Logistik auf das Jahr 2012 zurück. Damals brachte Ex-Konzernchef Peter Löscher eine Abspaltung des Gepäcklogistikgeschäfts ins Spiel.

Aus der Konstanzer Siemens-Belegschaft heißt es, der jetzt angekündigte Verkauf an Vanderlande sei aus diesem Grund „irgendwann erwartbar“ gewesen. Die Konstanzer Chefin des Siemens-Logistics-Betriebsrats, Vera Seidel-Fichter, sagte dem SÜDKURIER, mit der angekündigten Übernahme sei „eine Zeit der Unsicherheit vorbei“. Die Toyota-Tochter Vanderlande, bezeichnete sie als „starken Partner“, die Übernahme als „Chance“.

Ähnlich hatten sich nach dem Verkauf an Körber vor gut zwei Jahren auch Vertreter des damaligen Konstanzer Siemens-Betriebsrats geäußert. Jetzt stehen dort indes nach einem Einbruch der Konjunktur im Brief- und Paketgeschäft mindestens 50 bis 70 Stellen in der Produktion zur Disposition.

Heute wie vor gut zwei Jahren verhindern vor allem umfassende Job- und Standortgarantien der Käufer größeren Unmut in der Siemens-Belegschaft. Ähnlich wie die Siemensianer beim Verkauf an Körber 2022 wurde der Siemens-Logistics-Belegschaft nach Informationen des SÜDKURIER auch von Vanderlande eine drei Jahre andauernde Arbeitsplatz- und Standort-Garantie zugesichert.

Sie gilt ab dem Vollzug des Geschäfts, also wahrscheinlich bis weit ins Jahr 2028. „Die Zusicherungen bezüglich des Erhalts der Standorte und der Arbeitsplätze sehen wir als positiv an“, sagte Betriebsratschefin Seidel-Fichter. Insbesondere betriebsbedingte Kündigungen seien demnach für drei Jahre ausgeschlossen, sagte sie.

Für die rund Hundert Siemens-Logistics-Mitarbeiter in Konstanz brechen dennoch unsichere Zeiten an. Eine gewisse Nervosität in der Belegschaft sei spürbar, sagte Seidel-Fichter.