Um teils drastische Preissteigerungen bei Rohstoffen, Energie und Personal abzufedern, bricht die heimische Gastronomie mit einem Tabu und zieht Eintrittsgelder für Restaurants sowie Gedeckgebühren in Erwägung. „Manche Gastronomen machen sich derzeit über solche Lösungen Gedanken“, sagte Daniel Ohl, Geschäftsführer Kommunikation des Branchenverbands Dehoga in Baden-Württemberg, dem SÜDKURIER am Freitag.
Eine Empfehlung seitens des Dehoga, derartige Gebühren einzuführen, gebe es aber nicht, sagte Ohl. Die Akzeptanz seitens der Kunden sei fraglich. Zudem seien solche Maßnahmen „kulturell in der hiesigen Gastronomie nicht verankert“.

In manchen Ländern in Europas Süden, etwa in Italien, sind Gedeckgebühren, das sogenannte Coperto, gang und gäbe. Gastronomen verlangen den Aufschlag, um damit Sitzplätze, Besteck und Service gegen zu finanzieren.
Manchmal ist auch der obligatorische Brotkorb im Coperto enthalten. Im Normalfall beträgt er zwischen 2,5 und fünf Euro pro Person.
Korken- oder Stoppelgeld aus der Mode gekommen
In der deutschen Gastronomie sind die Kunden von derartigen Pauschalen bislang verschont geblieben – auch historisch betrachtet. Früher verbreitet war allenfalls das sogenannte Korken- oder Stoppelgeld.
Dieses musste aber nicht wie das Coperto als eine Aufwandsentschädigung für die Bereitstellung von Service bezahlt werden. Vielmehr ist es eine Entschädigung, die der Gast dem Wirt für entgangene Umsätze bezahlt – das Stoppelgeld wird als Ausgleich dafür entrichtet, dass der Kunde eigene Getränke mitbringt und im Gasthaus konsumiert.
Coperto – in Südeuropa bewährt, aber unbeliebt
Der Grund, dass das aus Südeuropa abgeschaute Coperto jetzt auch in Deutschland diskutiert wird, liegt woanders. Dehoga-Mann Ohl macht dafür die „sehr dynamische Kostenentwicklung“ verantwortlich, der sich die Gastronomie in Folge der Ukraine- und Corona-Krise gegenübersieht. Diese schlägt insbesondere bei Nahrungsmitteln direkt auf die Betriebe durch.

Kostensteigerungen im zweistelligen Prozentbereich innerhalb kurzer Zeit für Fleisch, Fisch und Gemüse seien an der Tagesordnung, heißt es aus der Branche.
Dazu kämen Lohnsteigerungen sowie teurere Energie. Aufgrund langlaufender Verträge werden sich Preisaufschläge bei Strom und Gas aber meist erst in den kommenden Monaten bei den Wirten bemerkbar machen.
Deutschlandweit experimentieren Wirte
Die Diskussion um die Einführung eines Coperto in Deutschland begann vor rund einem Monat. Damals verlangte ein Wirt in Ratingen im Rheinland erstmals ein „Eintrittsgeld“ von drei Euro pro Person – Kinder ausgenommen – von seinen Gästen.
Mittlerweile ist der sonst nur bei Discotheken und Szenebars übliche Obolus in dem Ratinger Restaurant Medienberichten zufolge wieder abgeschafft – wohl auch, weil Kunden fernblieben. Auch ein Wirt in Heilbronn soll zwischenzeitlich mit dem Versuch gescheitert sein, ein Besteck- oder Eintrittsgeld zu erheben. Aus der Bodenseeregion ist noch kein entsprechender Fall bekannt.
Gedeckgebühr rechtlich durchaus möglich
Rechtlich wäre ein Coperto auch hierzulande durchaus möglich. Die deutsche Preisangabenverordnung schreibt aber vor, dass der Gast direkt auf der Speisearte und nicht erst auf der Rechnung eindeutig erkennen muss, was Essen und Getränke kosten und ob etwaige Zusatzkosten anfallen. „So einfach wie in Italien wäre das bei uns nicht“, sagt Fachmann Ohl.

Für wahrscheinlicher als die Einführung eines Besteckentgelts hält der Fachmann, dass Speisekarten entrümpelt werden oder bestimmte Gerichte, die nur geringe Deckungsbeiträge generieren, vom Angebot verschwinden. „Die Gastronomiebetriebe drehen gerade wirklich jeden Stein um, um die Kostensteigerung irgendwie abzufedern“, sagt er.
Lörracher Gastro-Professor: „Das Coperto wird kommen“
Unabhängige Fachleute halten Preissteigerungen in der Gastronomie für zwingend und meinen auch, dass dabei das Coperto eine Rolle spielen könnte. „Die Akzeptanz einer solchen Gebühr kann durchaus gegeben sein“, sagt etwa Valentin Weislämle Studiengangsleiter für Tourismus, Hotellerie und Gastronomie an der DHBW in Lörrach. „Von Gedeckpauschalen werden wir in Zukunft auf jeden Fall noch hören“, sagt er. Diese würden vom Gast als „fairer“ empfunden als ein Bier für 6,50 Euro, das früher 4,50 Euro gekostet habe.

Insbesondere in der höherpreisigen Qualitätsgastronomie sieht der Professor die Pauschale als ein Mittel der Wahl, Kostensteigerungen an die Kundschaft weiterzugeben. In der Kneipe nebenan sei das Konzept indes „eher nicht denkbar“.