Ein Bierkasten, darin Bierflaschen, auf den Etiketten das Logo einer Brauerei aus Baden-Württemberg. Beim ersten Schluck aber wird klar: Der Geschmack hat mit Bier nichts zu tun. In der Flasche ist ein Cola-Mix-Getränk. Hergestellt wird es neuerdings von der Brauerei Waldhaus. Damit steigt nun auch der Familienbetrieb aus Weilheim im Schwarzwald in einem Markt ein, den seit einiger Zeit viele große wie kleine Brauereien bundesweit für sich entdecken: den von süßen Erfrischungsgetränken.

In Baden-Württemberg hat beispielsweise Alpirsbacher Klosterbräu Saftschorle in drei Geschmacksrichtungen ins Sortiment aufgenommen, ebenso wie die Hirsch-Brauerei aus Wurmlingen. Zwiefalter Klosterbräu setzt auf eine breite Palette an Limos und Saftschorlen. Die Braumanufaktur Schönbuch hat einen Cola-Mix im Angebot.

Oettinger will fast die Hälfte des Geldes alkoholfrei verdienen

Die Brauereigruppe Oettinger kündigte jüngst gar an, dass der Anteil an alkoholfreien Getränken bis zum Jahr 2026 rund 40 Prozent des Umsatzes ausmachen solle. Angeboten werden verschiedene Limonaden, Saftschorlen, isotonische Getränke, Fassbrausen und Eistee – alles aus Glasflaschen, um es bei Festen oder Treffen mit Freunden so trinken zu können, wie bislang bei Bier üblich.

Vom Bierbrauer zum Getränkehersteller: freiwillig gehen die Brauereien diesen Weg nicht. Sie kämpfen seit Jahren mit einem schrumpfenden Biermarkt in Deutschland. „Einen massiven Einbruch gab es wegen der Corona-Krise in den Jahren 2020 und 2021, nun haben wir einen leichten Zuwachs, aber die Situation bleibt schwierig“, sagt Nina Göllinger, Sprecherin beim Deutschen Brauer-Bund. Die gestiegenen Produktions- und Lohnkosten stellten eine immense Belastung dar.

„Die schlechten Ernten haben die Preise für Braugerste und Naturhopfen in die Höhe getrieben. Die Kochung und wochenlange Kühlung beim Bier braucht viel Energie, auch hier sind die Kosten stark gestiegen. Und gerade in mittelständischen Brauereien haben wir wenig industrielle Vollautomatisierung, weshalb die gestiegenen Personalkosten sich auch bemerkbar machen“, sagt etwa Markus Schlör, Geschäftsführer bei Alpirsbacher Klosterbräu. Hinzu kommt, dass die Herstellung von Bier viele Produktionsschritte und rund sechs Wochen Produktionszeit erfordert.

Markus Schlör.
Markus Schlör. | Bild: DPA

Bei den Saftschorlen dagegen würden fertige Fruchtsaftkonzentrate mit aufgesprudeltem Brauwasser und den Kräuterauszügen gemischt und direkt abgefüllt, so Schlör. Die Herstellungskosten möchte er nicht direkt gegenüberstellen, sie seien schwer vergleichbar. Ein Blick auf die Preise der Alpirsbacher Getränke aber zeigt: die Saftschorlen werden für etwa 3,86 Euro den Liter verkauft, die günstigsten Biere für 2,25 Euro den Liter.

Und dann ist da noch das veränderte Verhalten der Verbraucher, die verstärkt auf ihre Gesundheit achten. „Gerade die junge Generation trinkt oft keinen oder nur noch wenig Alkohol“, sagt Karin Tischer, Geschäftsführerin und Inhaberin des Forschungs- und Entwicklungsinstituts food & more (Kaarst) und Expertin für Trends in der Lebensmittel- und Getränkebranche.

Wobei Tischer darauf hinweist, dass dieses Verhalten meist nicht besonders konsequent gelebt werde. „Wenn man dann etwas trinkt, dann oft gleich hochprozentige Dinge wie Cocktails oder Longdrinks.“

Bier trumpft alkoholfrei auf

Bier habe in dieser Generation vor allem teilweise noch seinen Platz als alkoholfreie Variante, etwa weil ihm der Ruf anhaftet als isotonisches Getränk nach dem Sport bei der Regeneration zu helfen. „Seit 2007 hat sich die Produktion alkoholfreier Biersorten in Deutschland mehr als verdoppelt. Wir erreichen damit völlig neue Konsumentenkreise“, sagt Göllinger.

2023 wurden 660 Millionen Liter alkoholfreies Bier verkauft, was rund acht Prozent des Biermarktes ausmacht. „Wir rechnen damit, dass bald jedes zehnte in Deutschland gebraute Bier alkoholfrei sein wird“, so Göllinger.

„Können glaubwürdig auftreten“

Die Ausweitung der Produktpalette auf weitere alkoholfreie Getränke scheint da für viele Brauereien naheliegend. „Wir haben sehr gute Erfahrungen mit alkoholfreien Getränken wie unseren 0,0 %-Bierspezialitäten gemacht. Deshalb können wir auch in dem neuen Produktfeld mit der Saftschorle glaubwürdig auftreten“, sagt Carl Glauner, Inhaber der Alpirsbacher Klosterbräu. Er hält hochwertige und natürliche alkoholfreie Getränke für den „absoluten Mega-Trend“ für eine breite Kundschaft.

Auch bei der Brauerei Waldhaus im Schwarzwald ist man optimistisch, dass trotz großer Konkurrenz auf dem Markt auch noch Platz ist für das neue Produkt aus dem eigenen Haus. „Wir haben mit dem Cola-Mix-Getränk insbesondere junge Erwachsene im Blick, die auf der Suche nach erfrischenden und gleichzeitig trendigen Getränken sind“, sagt Tanja Blum, Marketingleiterin bei Waldhaus.

Das regionale Image als Vorteil

Auch Karin Tischer sieht gerade für die regional stark verwurzelten Familien-Brauereien eine gute Chance, sich auch mit anderen Getränken zumindest lokal gut etablieren zu können. „Viele Biere leben ja auch von ihrem Image, von einer Heimatverbundenheit, davon, dass es sie eben nur in einer bestimmten Region im Biergarten oder auf einem Fest gibt. Auch besondere Craft-Bier-Varianten sind hier besonders beliebt.“ Dieses Image könne auch auf Limos oder Saftschorlen übertragen werden.

Auch sonst sieht sie die Zukunft der Brauereien nicht so düster, wie die Branche sie manchmal selbst malt. „Man darf bei all den sinkenden Zahlen der letzten Jahre eins nicht vergessen: Bier ist nach wie vor das am meisten konsumierte alkoholische Getränk in Deutschland“, sagt Tischer.