Als sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der vergangenen Woche mit den Spitzen der Autoindustrie traf, saß neben den Chefs von Mercedes, BMW oder VW auch der neue Vorstandsvorsitzende von ZF, Holger Klein, mit am Tisch. Dass der Automobilzulieferer aus Friedrichshafen mit 157.500 Mitarbeitern weltweit zu diesem Gipfeltreffen eingeladen war, dürfte auf die Arbeit einer kleinen, aber wirkmächtigen Einheit des Unternehmens zurückzuführen sein: der Abteilung Außenbeziehungen.
18 Mitarbeiter kümmern sich um politischen Einfluss und Kontaktvermittlung. Manchmal mit Erfolg, wie bei der EU-weiten Zulassung von autonomen Shuttles. Nicht verhindern konnten die ZF-Lobbyisten hingegen das Verbrenner-Aus für Pkw ab 2035. Damit kann der Konzern in Europa wohl auf absehbare Zeit kein Geschäft mehr mit Antrieben für Plug-in-Hybride machen.
„Wir versuchen, einen professionellen Informationsaustausch in beiden Richtungen zu organisieren.“Kai Lücke, Leiter der ZF-Abteilung Außenbeziehungen
Das Wort Lobby hört keiner gern. „Wir versuchen, einen professionellen Informationsaustausch in beiden Richtungen zu organisieren“, erklärt Kai Lücke sein Wirken zwischen ZF und Politik. „Es ist ja kein Geheimnis, wessen Interessen wir vertreten“, sagt der Leiter der Abteilung, die es seit fünf Jahren gibt. ZF sei sowohl in Berlin als auch Brüssel im Lobby-Register eingeschrieben.
Allein am EU-Sitz sind um die 15.000 Lobbyisten aus den Branchen Automobil, Chemie, Pharma, Finanzdienstleistungen, Energie oder Rüstung engagiert. Deutsche Konzerne wie Siemens, Daimler, BASF, Bayer, Allianz, Deutsche Bank, EON, RWE und Airbus sind nur einige Beispiele für Unternehmen, die sich im Transparenzregister eingetragen haben. „Man kann nachlesen, zu welchen Themen wir uns positionieren“, sagt Kai Lücke nüchtern.
Büros auch in den USA, Mexiko und bald Shanghai
Büros für Außenbeziehungen unterhält ZF auch in den USA, Mexiko und demnächst in China, wo der Konzern Produktionsstandorte hat. Politische Entscheidungen, sagt Kai Lücke, haben Einfluss auf Produkte, ja die Unternehmensstrategie. Gleichzeitig habe die Politik ein Interesse daran zu erfahren, wie sich neue Gesetze auf Unternehmen und Industriestandorte auswirken.
Das Büro in Berlin gibt es bereits seit acht Jahren, allerdings unter anderer Prämisse. Früher wurde Industriepolitik hauptsächlich über die Verbände gemacht. ZF ließ seine Interessen über den Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) vertreten. Dass sich der Konzern auf Landes-, Bundes- oder gar Europaebene selbst engagiert oder positioniert, war früher gar nicht gewünscht, sagt Kai Lücke. „Heute wollen wir direkt den Puls der Politik fühlen.“
So ist ZF beim Strategie-Dialog Automobilwirtschaft in Baden-Württemberg dabei und begrüßt es, „dass die Landesregierung sehr nah an den Produktionsstätten überlege, was ein Gesetz konkret bedeutet“, erklärt Kai Lücke. In Berlin gehe es um Themen wie Steuern, der nationalen Zulassung von Shuttles, Aus- und Weiterbildung oder Förderung der E-Mobilität.
„Bei besonderen Themen versuchen wir natürlich auch direkt mit der Kommission in den Austausch zu kommen.“Hanna Blankemeyer, Leiterin des Büros für Außenbeziehungen der ZF am EU-Sitz in Brüssel
Und doch ist Brüssel inzwischen der Hauptwirkbereich. Gerade in der Umwelt- und Verkehrspolitik kommt etwa die Hälfte der Gesetze direkt aus der EU. Hanna Blankemeyer leitet das ZF-Büro, in dem „wir ein bisschen versuchen, das Gras wachsen zu hören“, wie sie es ausdrückt.
Die gesammelten Informationen fließen in die ZF-Fachabteilungen. Die dann im Konzern abgestimmte Position wird in die Politik zurück gespiegelt. „Bei besonderen Themen versuchen wir natürlich auch direkt mit der Kommission in den Austausch zu kommen“, sagt Hanna Blankemeyer.

ZF ist ein global aufgestelltes Unternehmen, dass zudem großes Interesse an europaweit gültigen Standards hat. Die EU-Typgenehmigung für den Level-4-Shuttle ist daher ein Erfolg. Gemeint ist ein Fahrzeug auf der höchsten Stufe der Automatisierung, das autonom, also ohne Fahrer, fahren kann.
Die kleinen E-Busse könnten eine Lösung für den Nahverkehr vor allem in Städten sein. In einem 18-monatigen Verfahren hat die EU im September autonom fahrende Shuttle zugelassen, so dass die nun zumindest in Kleinserie gebaut werden können. „Ein schönes Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen Industrie und Politik“, sagt Kai Lücke.
Kein Erfolg bei Plug-in-Hybriden
Beim Plug-in-Hybrid allerdings war die Lobbyarbeit von ZF weniger erfolgreich. „Wir hätten uns mehr erhofft“, gibt Lücke zu. Ab 2035 sollen nur noch Fahrzeuge in der EU zugelassen werden, die am Auspuff kein CO2 mehr ausstoßen. Der vom EU-Parlament beschlossene „Green Deal“ bedeutet das Aus für Autos mit Verbrennungsmotoren und degradiert Pkw mit Diesel- und Elektroantrieb zum Auslaufmodell.
Da halfen auch Gespräche mit federführenden Entscheidern wie Industriekommissar Thierry Breton nicht, der im November 2021 in Saarbrücken, einem der größten ZF-Werke mit 9000 Beschäftigten, von den Vorzügen der Plug-in-Hybride überzeugt werden sollte.
ZF sieht den Hybridantrieb als Übergangstechnologie, die der Konzern noch lange verkaufen wollte. In den USA und China läuft das Geschäft gut. In Europa gibt es jetzt nur noch ein Hintertürchen, die sogenannte Review-Klausel: In zwei Jahren will sich die EU-Kommission noch einmal Akzeptanz und Verbesserung dieser Technologie anschauen. Für Kai Lücke ein demokratischer Prozess: „Wir versuchen, uns mit Argumenten einzubringen. Und dann entscheidet die Politik.“
Lobby-Arbeit für E-Trailer
Das geschieht aktuell für ein anderes ZF-Produkt, für das einige Gesetze angepasst werden müssten: der E-Trailer, ein Lkw-Anhänger mit eigenem Elektroantrieb. Bisher dürfen Lkw-Anhänger keinen eigenen Antrieb haben, „sonst wären sie ja ein Fahrzeug und kein Anhänger“, erklärt Kai Lücke.
Noch im ersten Quartal dieses Jahres will die EU-Kommission ein Gesetz für den „Green Deal“ bei Lkw und Bussen vorlegen. Es bleibt abzuwarten, welche CO2-Grenzwerte hier festgeschrieben werden. Mit dem E-Trailer hätte ZF eine Technologie, die bis zu 16 Prozent CO2 einsparen kann und geeignet sei, Diesel-Lkw zu Hybriden umzurüsten. Genug Arbeit für die ZF-Lobbyisten.