Ralf Nestler

Benzin wird teurer, Strom wird teurer – wie groß müssen die Chancen für Autos sein, die beides nicht brauchen und ihre Energie von oben beziehen. Solarmobile versprechen genau das: Sonnenstrahlen aufs Modul, ab geht die Fahrt. Die Idee ist alt, doch was bislang auf die Straße kam, waren unpraktische Vehikel. Extremer Leichtbau, nerdige Optik, oft nur Platz für eine Person. Unter der Sonne Australiens rollten die Kisten dahin, ein ernsthaftes Solarauto in Mitteleuropa erschien illusorisch.

Eher ein Solar-Auto der ersten Stunde: Beim Dreirad des Belgiers Xavier van Stappen deckeln die Solarzellen das Einmann-Cockpit.
Eher ein Solar-Auto der ersten Stunde: Beim Dreirad des Belgiers Xavier van Stappen deckeln die Solarzellen das Einmann-Cockpit. | Bild: imago

Das soll sich ändern, zumindest wenn es nach Start-ups wie dem deutschen Sono Motors oder dem niederländischen Lightyear geht. Sie wollen 2021 mit Elektro-Pkw auf den Markt kommen. Die fahren zwar nicht nur mit Sonnenstrom, aber sie schaffen mittels Solarpaneelen so viele Extrakilometer, dass Pendler tagelang nicht an die Steckdose müssen. Groß sind die Versprechen von nachhaltiger Mobilität. Sind sie zu halten?

Wer einen „Lightyear One“ fahren will, muss fast 150 000 Euro hinblättern. Er wird von einem E-Motor angetrieben.
Wer einen „Lightyear One“ fahren will, muss fast 150 000 Euro hinblättern. Er wird von einem E-Motor angetrieben. | Bild: Lightyear

Bei Sono Motors geht es eine Nummer einfacher. Der „Sion“ soll für die breite Käuferschicht bezahlbar sein:

Der „Sion“ von Sono Motors präsentiert sich als familientauglicher Fünfsitzer. Er soll nur 25 500 Euro kosten.
Der „Sion“ von Sono Motors präsentiert sich als familientauglicher Fünfsitzer. Er soll nur 25 500 Euro kosten. | Bild: Sono Motors GmbH

Laurin Hahn, einer der beiden Gründer von Sono Motors, sagt: „Angesichts der Klimakrise haben wir uns entschieden, nicht länger nur zuzuschauen, sondern etwas zu tun.“ Gemeinsam mit Jona Christians wollte er die Mobilität verändern, weil diese auf fossilen Rohstoffen basiere und so zum Klimawandel beitrage. Das spreche für die Elektromobilität, die aber drei Probleme hatte und hat: Preis, Reichweite, Lade-Infrastruktur.

Fünfsitzer für 25 500 Euro

Die Lösung von Hahn und Christians ist „Sion“. Ein Fünfsitzer für 25 500 Euro, dessen Außenhaut mit Solarzellen besetzt ist, die zusätzlichen Strom für den Elektroantrieb liefern. Im besten Falle – etwa wenn der Wagen sommers auf einem schattenfreien Parkplatz steht – soll Sion 34 Kilometer am Tag zusätzlich schaffen.

Blick auf das Dach des „Sion“: Hier und in den Türen sind Solarpaneelen verbaut.
Blick auf das Dach des „Sion“: Hier und in den Türen sind Solarpaneelen verbaut. | Bild: Sono Motors GmbH

Übers Jahr und alle Wetter modelliert sollen es 16 Gratis-Kilometer am Tag sein. Bei 20 Kilometern durchschnittlicher Pendlerstrecke in Deutschland könne Sion den Großteil mit Sonnenenergie bewältigen, so die Gründer. Tatsächlich ist das Auto eher für den Kurzstreckenbetrieb geeignet, die Batterie reicht nur für 255 Kilometer.

Neuen Kunststoff entwickelt

Auffälligstes Merkmal sind die 248 Solarzellen, die in die Karosserie eingefügt sind. Während herkömmliche Zellen in Glas eingebettet sind, nutzen die Münchener einen eigens entwickelten Kunststoff. Dadurch wiegen die Solarmodule nur rund ein Viertel gegenüber den herkömmlichen Modulen und sind auch leichter als eine Blechkarosserie.

Blick aus der Beifahrertür des „Sion“. Der Wagen wird maximal 140 km/h schnell
Blick aus der Beifahrertür des „Sion“. Der Wagen wird maximal 140 km/h schnell | Bild: Sono Motors

Das Polymer sei stabil genug, um große Temperaturschwankungen und Feuchtigkeit zu überstehen, versprechen die Entwickler. Selbst kleine Rempler, etwa von einem Einkaufswagen auf dem Parkplatz, soll es überstehen.

Stromerzeugung auch beim Fahren

Zudem ermöglicht die Materialkombination leicht gewölbte Module. „Die Ingenieure und Designer haben eng zusammengearbeitet, um möglichst viele Solarzellen auf dem Auto unterzubringen“, sagt Mathieu Baudrit, zuständig für die Solarintegration. Dank einer speziellen Elektronik gelinge es, auch bei wechselnden Lichtverhältnissen viel Strom zu erzeugen.

Produktion in Schweden geplant

Ob je ein Sion aus der ehemaligen Saab-Fabrik im schwedischen Trollhättan, die für die Produktion ausgewählt wurde, rollt, ist jedoch fraglich. Damit Sono Motors weitermachen kann, ist frisches Geld nötig. 10 000 Kunden haben bereits ein Sono-Auto reserviert und dafür mindestens 500 Euro angezahlt.

Das Instrumentenbrett des „Sion“ ist schlicht und überschaubar. Elektronischer Schnickschnack fehlt – auch im Lenkrad.
Das Instrumentenbrett des „Sion“ ist schlicht und überschaubar. Elektronischer Schnickschnack fehlt – auch im Lenkrad. | Bild: Sono Motors GmbH

Die Firma startete eine Crowdfunding-Kampagne, die 50 Tage lief und 50 Millionen Euro bringen sollte. Die Fans haben die Gründer nicht enttäuscht: Sono konnte sogar mehr als 53 Millionen Euro einsammeln.

Nur ein Gimmick?

Markus Lienkamp, Professor für Fahrzeugtechnik an der TU München, verfolgt die Aktivitäten von Sono Motors seit Jahren. „Mit gemischten Gefühlen“, wie er sagt. „Die gehen mit einem riesigen Engagement heran, das ist wirklich gut gemeint, aber sie haben nicht den Hauch einer Chance.“ Aus seiner Sicht ist die Solaranlage nur ein Gimmick, der nichts bringt, wenn das Auto in einer Garage oder einem Carport steht. Den Sion als Fahrzeug für den Massenmarkt „zu dem Preis anzubieten wie eine große Automobilfirma“, sei unrealistisch. Die Sono-Gründer hingegen behaupten, bei ihrem Konzept mit gut 250 Millionen Euro bis zur Serienreife auszukommen.

Ein „cooles Projekt“

Achim Kampker, Inhaber des Lehrstuhls für Production Engineering of E-Mobility Components an der RWTH Aachen, erachtet die Solarzellen ebenfalls vorrangig als Marketinginstrument. Er sagt: „Auf einem freien Dach wird mehr Strom produziert als auf einer gleich großen Fläche auf einem Auto“, sagt er. Wie Lienkamp glaubt auch Kampker, dass Solarautos allenfalls als Nischenprodukt eine Chance haben.

Das Edel-Sonnenauto

Dies könnte „Lightyear One“ gelingen, bei einem angestrebten Stückpreis von 149 000 Euro wird die Nachfrage überschaubar sein.

Im Design nah beim Porsche Panamera: Der „Lightyear One“ ist mit 1300 Kilo Leergewicht aber deutlich leichter.
Im Design nah beim Porsche Panamera: Der „Lightyear One“ ist mit 1300 Kilo Leergewicht aber deutlich leichter. | Bild: Lightyear

Dafür gibt es dann echte Hightech: Dank Leichtbau soll das Leergewicht bei 1300 Kilo liegen, das Design werde den geringsten Luftwiderstand eines Serienfahrzeugs bringen, so die Firma. Dazu gibt es fünf Quadratmeter Solarfläche, die Zellen sind von Sicherheitsglas geschützt – stabil genug, dass ein Erwachsener darauf laufen kann.

Die Hinterräder des „Lightyear“ sind halb abgedeckt, um den Luftwiderstand zu senken. Wo normalerweise ein Heckfenster ist, ...
Die Hinterräder des „Lightyear“ sind halb abgedeckt, um den Luftwiderstand zu senken. Wo normalerweise ein Heckfenster ist, liegen Solarpaneelen. | Bild: Lightyear

Pro Stunde Sonnenschein soll die Reichweite um 12 Kilometer erhöht werden, sodass am Ende bis zu 725 Kilometer möglich sind, heißt es. Ob Lightyear im Markt bestehen kann, wird sich zeigen. Vielleicht machen am Ende doch wieder die großen Firmen mit ihren Ressourcen das Rennen. Toyota, Hyundai oder Tesla haben längst begonnen, solche Autos zu entwickeln.

Der „Lightyear“ bietet durch sein langgezogenes Heck viel Einfallsfläche für Sonneneinstrahlung.
Der „Lightyear“ bietet durch sein langgezogenes Heck viel Einfallsfläche für Sonneneinstrahlung. | Bild: Lightyear