Frau Schink, waren Sie heute schon auf Instagram unterwegs?

Ja, das war ich. Ich habe Instagram heute Morgen zu Recherchezwecken genutzt – also nicht zum Vergnügen, sondern für die Arbeit.

In Ihrem Buch „Unfollow!“ gehen Sie mit dem sozialen Netzwerk hart ins Gericht, Sie schreiben auch, dass Sie vielen dort entfolgt sind. Inzwischen folgen Sie noch knapp 300 Kanälen. Wen haben Sie gern in Ihrer Liste behalten und warum?

Zum einen „logo!“-Moderatorin Jennifer Sieglar. Ich folge ihr gern, weil sie ein gutes Vorbild ist, gerade für junge Frauen. Dazu kommt: Ich kenne sie persönlich, das heißt ich weiß, dass sie wirklich so ist, wie sie auf Instagram wirkt. Ich finde es wichtig, Menschen zu folgen, die man kennt – sie inspirieren mich, treiben mich im positiven Sinne an, bringen mich dazu, mehr zu geben. Bei Jennifer Sieglar kommt dazu, dass sie sich für ihre Posts nicht bezahlen lässt – ich will niemandem mehr folgen, der Werbung macht oder Kooperationen mit Unternehmen eingeht. Wem ich auch sehr gern folge, auf verschiedenen Kanälen, ist die amerikanische Journalistin Ariana Huffington, eine tolle Frau! Und dann ist da zum Beispiel noch Franca Lehfeldt, eine meiner besten Freundinnen, sie ist Politikreporterin.

Und wen finden Sie auf Instagram so unerträglich, dass Sie kein Follower mehr sind?

Das ist ganz klar Leonie Hanne, eine Modebloggerin. Ihr Feed hat mich persönlich irgendwann regelrecht angeekelt. Man muss sich nur mal ihre Entwicklung auf Instagram anschauen … Erst hat sie sich von vorn gezeigt, dann plötzlich von hinten, weil sie total kamerascheu sei, sagte sie. Und jetzt zeigt sie sich halbnackt. Insgesamt frage ich mich warum wir den Influencern überhaupt folgen. Die meisten Kanäle bieten keinen Mehrwert, die Influencerinnen reden nur über sich selbst und schwärmen von ihrem perfekten Leben – mit solchen Angebern will man doch auch in der Realität nichts zu tun haben. Warum also auf Instagram?

Der Influencerin Leonie Hanne – hier 2018 bei einem Event in Berlin – folgt Nena Schink inzwischen nicht mehr.
Der Influencerin Leonie Hanne – hier 2018 bei einem Event in Berlin – folgt Nena Schink inzwischen nicht mehr. | Bild: Annette Riedl / dpa

Sonst noch jemand?

Cathy Hummels ist auch jemand, dem ich wirklich sehr gern entfolgt bin. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit redet sie über ihren Sohn Ludwig. Ich finde, wer es nötig hat, sein Kind für sein eigenes berufliches Weiterkommen zu vermarkten, der tut mir wirklich leid. Das Kind hat ja keine Chance, sein Einverständnis zu geben.

Gibt es auch Influencer, die Sie gut finden?

Nicht wirklich, einfach weil ich ganz andere Werte habe. Ich würde mich zum Beispiel nie über das Geld eines Mannes profilieren wollen. Oder oben ohne, lasziv im Netz posieren.

Aber jemand wie Fußballerfrau Ina Aogo kommt in Ihrem Buch dennoch gut weg.

Das stimmt. Und wenn ich mich frage, ob Ina Aogo es wert ist, ihr auf Instagram zu folgen, muss ich sagen: Ich finde zwar ihr Frauenbild nicht gut, aber sie ist wenigstens ehrlich – wenn man ihr folgt, bekommt man, anders als bei den meisten Influencern, keine Mogelpackung.

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Sie betrachten Instagram sehr kritisch. Können Sie trotzdem nachvollziehen, dass gerade viele Mädchen und junge Frauen Influencern wie Leonie Hanne oder Cathy Hummels folgen?

Oh Gott, ja! Ich habe das ja selber jahrelang gemacht. Ich wusste immer, wo Leonie Hanne oder Caro Daur gerade sind, ich wusste, dass Mandy Bork einen Hund hat. Ich wusste, was Menschen frühstücken, die ich überhaupt nicht kenne. Mir ist lange gar nicht aufgefallen, wie tief ich drin war – bis andere Leute mich darauf aufmerksam gemacht haben. Und ich bin froh, dass ich diesen ganzen Influencern nicht mehr folge. Ich vermisse nichts!

Macht Instagram süchtig?

Ja, und zwar mehr als Alkohol und Zigaretten zusammen – das haben Studien gezeigt. Einerseits wird man süchtig nach Aufmerksamkeit Likes, andererseits wird man süchtig danach zu wissen, was die anderen gerade machen. Diese Dauerberieselung mit perfekten Bildern ist schädlich, vor allem für junge Mädchen, deren Selbstwahrnehmung permanent negativ beeinflusst wird. Ganz ehrlich: Auch mein Instagram-Profil ist eine digitale Lüge – ich habe zum Beispiel in echt nicht so schneeweiße Zähne …

Bevor Sie das Buch geschrieben haben, haben Sie einen Selbstversuch gemacht – Sie wollten Influencerin werden. Wie extrem haben Sie die negativen Auswirkungen von Instagram, über die Sie schreiben, bei sich gespürt?

Ich war schon immer sehr dünn, eigentlich zu dünn. Und trotzdem habe ich meiner Schwester in dieser Zeit per WhatsApp Bilder von mir geschickt und sie gefragt, ob ich darauf zu dick aussehe, bevor ich sie auf Instagram hochgeladen habe. Ich habe auch meinen Freunden Bilder geschickt und sie gefragt: Findet ihr mich hübsch? Also ja: Die negativen Einflüsse habe ich sehr wohl gespürt. Ich hatte durch Instagram ein Problem mit meinem Selbstbild. Alles andere wäre eine Lüge.

Noch schnell ein Foto posten …
Noch schnell ein Foto posten … | Bild: Moritz Thau

Es spricht aber nicht grundsätzlich etwas dagegen, ab und zu ein Bild zu posten, oder? Was sollte man dabei Ihre Meinung nach beachten?

Nein, aber die Betonung liegt auf ab und zu. Auch vor dem Instagram-Zeitalter wurden Fotos geschossen, aber das Ausmaß ist heute ein völlig anderes. Die App Instagram hat uns süchtig danach gemacht, Bilder zu machen. Und wir fotografieren einmal alles: unser Mittagessen, unsere Socken, das Lebkuchenherz auf dem Oktoberfest, Kaffeebecher, uns selbst. Immer wieder uns selbst. Wir müssen die Bedeutung von Fotos neu erlernen. Und wieder lernen den Augenblick ohne Selbstinszenierung zu genießen.

Sie haben die App trotz Ihrer negativen Erfahrungen nicht gelöscht, sondern nutzen Instagram inzwischen einfach anders. Was ist Ihr ultimativer Tipp für alle, die das Gefühl haben, selbst zu viel auf der Plattform unterwegs zu sein?

Timer stellen, auf Filter verzichten, den selbstfokussierten Influencern entfolgen, sinnentleerte Inhalte meiden, mehr Zeit in der Realität verbringen, sich immer wieder vor Augen führen, dass Instagram eine Scheinwelt ist und seine eigene Instagram Nutzung konstant hinterfragen.

Auf Instagram vergleicht man sich ja permanent. Ist das nicht wichtig für uns, weil es uns hilft, uns selbst besser kennenzulernen?

Es gibt eine Studie, die besagt, dass Instagram gar nicht schädlich sein muss. Wenn ich jemandem folge, der mich inspiriert, dem ich nacheifern will, dann hat das natürlich positive Auswirkungen. Wettbewerb kann ja auch etwas Gutes sein – wenn wir uns mit den richtigen Leuten vergleichen. Aber bei Fitness- oder Beautybloggern ist das eben ein negativer Konkurrenzkampf. Dort sehe ich makellose Menschen, die mir hübsche Handtaschen zeigen. Alles gefiltert, niemand hat dort Pickel oder Bauchspeck. Und das löst negative Gefühle wie Neid aus. Wir müssen also genau aufpassen, wem wir folgen und was das mit uns macht.

Nena Schink sagt, sie sei „froh, dass ich diesen ganzen Influencern nicht mehr folge“.
Nena Schink sagt, sie sei „froh, dass ich diesen ganzen Influencern nicht mehr folge“. | Bild: Tobias Hase / dpa

Ist dieser negative Konkurrenzkampf eigentlich etwas, das besonders Mädchen und Frauen betrifft?

Leider ja. Wir Frauen neigen dazu, uns optisch zu vergleichen, das beginnt schon im Kindesalter. Mädchen glauben, dass sie vieles nicht können, deshalb ist ihnen das Aussehen so wichtig. Warum mögen so viele die Eiskönigin und nicht ihre Schwester? Dabei ist Anna doch die Coolere! Instagram ist nichts anderes als ein optischer Konkurrenzkampf. Es ist soziale Angeberei, bei der wir alle mitmachen. Es gibt dort ja nichts zu gewinnen außer der Aufmerksamkeit der anderen. Gerade junge Frauen neigen deshalb dazu, ihren Körper und ihr Aussehen in Szene zu setzen, mit ihren Handtaschen und Urlaubsreisen anzugeben. Seit Neuestem gibt es ein Spiel unter jungen Mädchen, bei dem sie gegenseitig ihr Aussehen bewerten – öffentlich. Das ist der Horror! Ich weiß nicht, warum wir Frauen so etwas machen. Das Phänomen ist nicht neu, aber durch Instagram hat das eine ganz neue Dimension erreicht. Das schadet vor allem jungen Frauen. Es ist ja leider so, dass sich durch Instagram die Rate an Magersüchtigen deutlich erhöht hat.

Der Untertitel Ihres Buchs, „Wie Instagram unser Leben zerstört“, ist also traurig, aber wahr?

Natürlich! Ich war es beim Schreiben so leid, immer wieder die gleichen Argumente zu hören: Topmodels gab es doch schon immer … Früher gab es auch magersüchtige Mädchen … Man muss Instagram ja nicht nutzen … Aber mal ehrlich: Wenn jemand wie ich, mit Abitur und akademischem Abschluss, die nicht so erzogen wurde, dass Aussehen für sie alles bedeutet, die freiwillig aus einer Modelagentur geflogen ist, die als Unternehmensberaterin gearbeitet hat, mit 24 Jahren während ihrer Journalistenausbildung süchtig nach Selbstinszenierung auf Instagram wird – wie geht es dann erst jungen Mädchen? Natürlich gab es früher Topmodels, aber sie waren unerreichbar – heute inszenieren sie sich wie Mädchen von nebenan und haben dadurch viel mehr Einfluss.

Nena Schinks Buch „Unfollow! Wie Instagram unser Leben zerstört“ (Eden Books, 240 Seiten, 14,95).
Nena Schinks Buch „Unfollow! Wie Instagram unser Leben zerstört“ (Eden Books, 240 Seiten, 14,95). | Bild: Eden Books

Haben Sie denn schon während des Schreibens Reaktionen bekommen?

Ja, tatsächlich, und zwar nur positive. Ich habe es auf Instagram angekündigt, woraufhin mir schon einige geschrieben haben, dass sie sich sehr auf das Buch freuen und es als ein Muss für viele Influencer betrachten. (lacht)

Fürchten Sie sich denn nach Ihrer mitunter harten Kritik vor negativen Reaktionen?

Ich habe auf jeden Fall ein paar Vorkehrungen getroffen für den Fall der Fälle. Zum Beispiel habe ich überprüft, was man im Internet über mich finden kann. Dann habe ich alle Bilder – bis auf eins – von mir und meinem Lebensgefährten von meinem Instagram-Profil genommen. Er kommt im Buch vor, auch weil er mich während meiner Influencer-Zeit so oft fotografieren musste, aber er will darüber hinaus keine Rolle spielen. Meine Familie und enge Freunde, die im Buch vorkommen, haben es vorher gelesen – und ich habe ihnen erklärt, was vielleicht auch ihnen passieren kann. Es ist letztendlich ein sehr privates Buch geworden, vielleicht zu privat ist, aber das geht natürlich nicht anders, wenn man über persönliche Erfahrungen schreibt.

Sie sagen ja, dass Verbote nichts bringen. Was also können gerade Eltern tun, um ihre Kinder zu schützen? Oder wen sehen Sie in der Pflicht?

Verbote werden das Nutzungsverhalten nicht ändern. Das kann nur eine bessere Aufklärung schaffen und die muss in den Medien, im familiären Umfeld und in den Schulen erfolgen. Es kann nicht sein, dass sich 12-Jährige die Brüste machen lassen wollen, weil sie zu Hause in den Spiegel schauen und ihr eigenes Abbild nicht so schön ist wie das Foto von ihnen auf Instagram. Dank Filter. Damit sich das ändert muss jeder einzelne von uns mit seinen Kindern, Geschwistern, Freunden, Mitmenschen in den kritischen Dialog treten.

Mal ganz ehrlich: Könnten Sie eigentlich ohne Handy leben?

Nein, aber ich bin mir bewusst, dass aus meinem Leben mit ein bisschen Onlinesein ein Onlineleben geworden ist. Deswegen übe ich mich seit vergangenem Jahr in Digital Detox. Gestartet mit einem Wochenende am Gardasee schalte ich seitdem öfter mein Handy für mehrere Tage ab.