Erstes Anzeichen einer Depression kann dauerhafte Schlaflosigkeit sein. Frauen, die häufiger als Männer erkranken, ziehen sich dann eher zurück, sind antriebslos, während Männer zu Überaktivität neigen, gereizt reagieren, unruhig und angespannt sind – also nicht so, wie man sich Depressive vorstellt.
Doch warum erkranken manche, andere dagegen nicht?
Genetische und biografische Faktoren spielen hier eine Rolle. So haben Menschen, in deren Familie Depressionen gehäuft vorkommen und die besonders belastende Lebenserfahrungen durchgemacht haben, ein höheres Risiko zu erkranken. Hinzu kommt dann meist ein aktueller Auslöser wie Überlastung bei der Arbeit, eine Trennung, ein Todesfall.

Depressionen sind für Gesunde eine fremde Welt. Sie können kaum nachfühlen, was ein depressiver Mensch durchmacht, warum er, der sportlich ist und gerne ins Kino geht, für nichts mehr zu begeistern ist: Er kann sich nicht mehr freuen, fühlt sich antriebslos und niedergeschlagen, schläft schlecht, grübelt ständig über negative Dinge nach, ist erschöpft. Innerlich leer.
Was tun bei Depressionen?
Wer unter einer leichten bis mittelgradigen Depression leidet, schafft seinen Alltag gerade noch, so dass andere oft zunächst nichts von seinen Problemen mitbekommen. Betroffene fühlen sich schnell erschöpft, reagieren gereizter, im Beruf und auch auf ihre Kinder. In diesem Stadium lassen sich Depressionen nach Erfahrung von Steve Truöl gut psychotherapeutisch behandeln. Der 48-Jährige ist Chefarzt in der Abteilung für Depressionen und Trauma am Zentrum für Psychiatrie in Ravensburg.
Wichtig sei, dass Angehörige auch direkt nachfragen, welche Gefühle der Betroffene hat, denn oft schafft dieser es, lange eine Fassade aufrechtzuerhalten, die darüber hinwegtäuscht, wie es ihm wirklich geht.
Wann Medikamente zur Behandlung wichtig sind
Bei mittel- bis schwergradigen Depressionen reicht das aber nicht aus: Betroffene brauchen zusätzlich zu einer psychotherapeutischen Behandlung Medikamente. Sie werden krankgeschrieben, weil sie völlig aus der Bahn geworfen sind, mitunter auch Suizidgedanken entwickeln. Sie können ihr Leben nicht mehr meistern. „In einem solchen Fall ist eine Kombination aus Medikamenten und einer Psychotherapie angezeigt“, sagt Steve Truöl.
Angehörige versuchten oft, die Erkrankten zu Aktivitäten zu überreden, sagt er. „Dabei unterschätzen sie, dass der Erkrankte zwar gerne handeln würde, es aber nicht kann.“
Mit Charakterschwäche haben Depressionen nichts zu tun
Vielmehr geraten bei Depressiven im Gehirn Botenstoff-Systeme, wie der Serotonin- und Noradrenalin-Stoffwechsel, aus dem Tritt. Diese Botenstoffe werden im Gehirn zu wenig weitergeleitet, so dass Emotionen, Antrieb und Energie verarmen. „Neben Medikamenten beeinflusst auch Psychotherapie diese Botenstoff-Systeme positiv“, sagt Truöl.
Deshalb ist es so wichtig, sich Hilfe zu holen. In der Regel bessert sich das Befinden der Patienten während einer Behandlung nach einigen Wochen, abgesehen von schweren Verläufen, die es auch gibt. Ob Depressionen zugenommen haben oder nur früher erkannt werden, weil Betroffene offener damit umgehen und sich schneller Hilfe holen, lasse sich nicht genau sagen, so der Arzt. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass es in Deutschland mehr als vier Millionen Betroffene gibt.
Truöl versucht, seinen Patienten die Angst vor Antidepressiva zu nehmen: Sie machen weder abhängig, noch verändern sie die Persönlichkeit. „Eine unbehandelte Depression verändert dagegen sehr wohl die Persönlichkeit.“