Der Kampf gegen den Klimawandel wird nicht nur auf der Erde geführt, sondern auch am Himmel. Sogar der Weltraum ist nicht ausgenommen. Die Luft- und Raumfahrtbranche treibt die große Frage um, wie die Antriebe von Jets und Satelliten umweltfreundlicher werden können.
Zwar beträgt der Anteil der Luftfahrt am menschengemachten Klimawandel laut Studien nur 3,5 Prozent, wovon 1,5 Prozent auf den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) entfallen und der Rest die Bildung Kondensstreifen anregt, die das Klima ebenfalls beeinflussen.
32 Milliarden Tonnen CO2
Doch die absoluten Zahlen weisen den Luftverkehr als ernstzunehmenden Klimaschädling aus. So errechneten Forscher, dass Flugzeuge zwischen 1940 und 2028 mehr als 32 Milliarden Tonnen CO2 in die Atmosphäre geblasen haben, die Hälfte davon durch den wachsenden Luftverkehr in den vergangenen 20 Jahren.
Es gibt also Handlungsbedarf. Wie der aussieht, erfuhr ein Fachpublikum diese Woche in der Friedrichshafener Graf-Zeppelin-Haus, wo sich die Experten zum elften Mal zum Bodensee Aerospace Meeting (BAM) einfanden. Dort gab der Luftfahrt-Fachmann Cord Schellenberg als Moderator die Richtung vor, indem er die Ingenieure mit der Frage konfrontierte, ob der Klimaschutz in der Luftfahrt nur eine Ansage sei oder ob er auch die Inhalte dominiere.
Neue Projekte machen Hoffnung
Die neuen Projekte in der Industrie machen jedenfalls Hoffnung. Das Ziel, auf das sich die deutsche Luft- und Raumfahrtbranche geeinigt hat, ist, bis zum Jahr 2050 schrittweise Klimaneutralität zu erreichen. Das ist ein steiniger Weg.
Denn während viele Kraftfahrzeuge und manche Eisenbahnen mit bereits verfügbarer Technik emissionsgemindert unterwegs sind, stehen die Entwickler bei Flugzeugen vor dem Problem, dass viele Tonnen schwere Technik, beladen mit teilweise hunderten von Passagieren und Gepäck, mit hohem Energie-Aufwand in die Luft befördert und dort gehalten werden muss.
Ist das durch Technik zu schaffen, die noch in den Kinderschuhen steckt? „Nur durch eine Technologie-Mix kann die Herausforderung der Nachhaltigkeit in der Fliegerei bewältigt werden“, sagt Tim Sowa, Geschäftsführer Technik der Friedrichshafener Aerospace Transmission Technologies (ATT), in der die Liebherr-Aerospace und der Triebwerksbauer Rolls Royce gemeinsam an neuen Antrieben forschen.
Deutlich verbrauchsärmer und leiser
Der Verbrenner bleibt der Luftfahrt also erhalten, jedoch noch deutlich verbrauchsärmer und auch leiser als bisher. So soll das Ultrafan-Triebwerk, das ATT entwickelt, ein Viertel weniger Sprit verbrauchen als Turbinen derzeit. Was für Laien wenig klingt, feiern Fachleute als Revolution.
Dabei dringt man in neue Dimensionen vor. 90.000 PS soll der Ultrafan liefern, er gilt als größtes Triebwerk der Welt. Die Turbinenschaufeln haben einen Durchmesser von 3,56 Metern. „Ein einziges Zahnradpaar seines Getriebes überträgt die Motorkraft eines ganzen Formel-1-Starterfelds“, beschreibt Tom Sowa die Leistung, die hier entfaltet wird.
Sie könnte Großraumflugzeuge wie den Doppelstock-Airbus 380 in die Lage versetzten, statt mit vier mit nur zwei Triebwerken zu fliegen.
Viele Jets von heute fliegen auch 2050 noch
Die Entwicklung eines neuen Verbrenners rechtfertigt Sowa auch mit dem Hinweis, dass es „viele Flugzeuge, die heute in Dienst gestellt werden, 2050 noch geben wird“. Denn Großraumjets halten bei guter Wartung 20 bis 30 Jahre durch. Ältere Triebwerke können also durch neue Technik wie den Ultrafan ersetzt werden. Dieser wird auch für die Verbrennung von Wasserstoff ausgelegt.
Der Wirbel um diesen Kraftstoff hat auch die Luftfahrt längst erreicht. Kuriose Experimental-Flieger im Segelflugzeug-Format fliegen bereits mit Wasserstoff. Aber bringt er dem Durchbruch zur Klimaneutralität? Tobias Grosche ist mehr als skeptisch.
Wasserstoff mit Risiken und Nebenwirkungen
Der Luftverkehrs-Professor der Hochschule Worms nennt die Tücken und Risiken des Hoffnungsträgers, mit dem Airbus bis 2035 einen Jet befüllen will. Grosche weist auf das Erfordernis einer klimaneutralen Herstellung des Wasserstoffs hin, die bisher kaum gegeben ist. Weiterhin müsse dieser Kraftstoff an den Flughafen entweder auf minus 250 Grad gekühlt oder unter extremem Druck verflüssigt gelagert werden.

„Bei der Verbrennung von Wasserstoff in einem Triebwerk entstehen Stickoxide und Kondensstreifen sowie Cirrus-Wolken“, nennt Grosche einen weiteren Nachteil. Die Kombination mit einer Brennstoffzelle gleiche das zwar aus, doch werde dazu eine (schwere) Batterie als Puffer gebraucht, was die Reichweite deutlich mindere.
Die Wasserstoffhoffnungen bremst Grosche auch durch den Hinweis auf die in Zukunft wachsende Nachfrage für andere Verkehrsmittel wie Schiene und Schifffahrt aus. Daher stünde er dem Wasserstoff „aktuell skeptisch“ gegenüber.
Forschungszentrum in Stuttgart geplant
In Stuttgart, wo man am Flughafen ein Zentrum für die Entwicklung von mit Wasserstoff angetriebenen Flugzeugen aufbauen will, wird man diese Aussagen nicht gerne hören.
Möglicherweise wird es dieser Kerosin-Ersatz – zusammen mit den SAF (Sustainable Aviation Fuels – alternative Flugkraftstoffe auf grüner Basis) in den Luftverkehr schaffen. Dann aber vermutlich in Kurz- und Mittelstrecken-Maschinen. Die Jumbo-Fraktion, die auf fünfstellige Reichweiten kommen muss, dürfte ausgeschlossen sein.

Mit ihren zurückgelegten Kilometern sind die 4200 Satelliten, die zurzeit die Erde umrunden, unbestrittene Rekordhalter. Mit ihrem stillen Kreisen im widerstandsfreien Weltraum scheinen sie bar keine Energie zu benötigen.
Ein Trugschluss. Weil Satelliten immer wieder Kursänderungen und Bahnkorrekturen vornehmen müssen, haben sie Triebwerke, die man früher mit chemischen Treibstoffen anfeuerte.
Raumfahrt will das teure Xenon ersetzen
Das ist seit etwa zehn Jahren Raumfahrtgeschichte. Moderne Ionentriebwerke arbeiten vor allem mit dem Edelgas Xenon. „Davon haben große Satelliten bis zu eine Tonne an Bord“, sagt Franz Georg Hey, Koordinator für Triebwerkstechnik beim Satellitenbauer Airbus DS in Friedrichshafen. Er weist auf die Folgen hin: „Ein Kilo verbranntes Xenon setzt mehr als 10 Tonnen CO2 frei.“
Satelliten-Triebwerk der dritten Generation
Außerdem ist das Edelgas auf der Erde Mangelware und daher sehr teuer. Ein Kilo kostet rund 1000 Euro. Es gibt also Grund genug, bei Airbus an einer Alternative zu forschen.

Die Alternative wurde im Halogen Jod gefunden. „Das kostet nur 60 Euro pro Kilo und ist extrem gut verfügbar“, sagt Hey. Airbus könne es von einer Chemie-Anlage aus Stuttgart „für günstiges Geld“ beziehen. Weiterer Effekt: Das Verdampfen von Jod im Triebwerk braucht nur sehr wenig Energie. Das in einer grünlichen Wolke aufleuchtende Jod kann bei einem Satelliten bis zu 12.000 Tonnen CO2 einsparen.

Bereit zum Einbau ist das Jod-Triebwerk aber noch nicht. „Bis zum Ende der Dekade“, sagt Airbus-Techniker Hey, wolle man es aber im Orbit haben. Für wachsenden Bedarf ist jedenfalls gesorgt. Allein die von Tesla-Chef Elon Musk geplante Flotte von StarLink-Satelliten soll auf 42.000 Geräte wachsen.