Im Juni soll es wieder so weit sein: Roger Federer will noch einmal das Grand Slam Turnier in Paris spielen. Der Ausnahmesportler kehrt kehrt zurück auf die Tennistour. Nach zwei Knieoperationen mit entsprechend langer Wettkampfpause – und im Alter von fast 40 Jahren, die der Schweizer Erfolgsathlet am 8. August erreichen wird.

Karrieren bis in die Ü40-Zone 

Was für ihn jedoch, wie er kürzlich in einem SRF-Interview erzählte, kein Grund ist, sich seine Ziele niedrig zu stecken: „Ich will noch einmal große Siege feiern.“ Und es wäre gar nicht so abwegig, dass ihm das gelingen wird.

Tennis-Ass Roger Federer, 39, aus der Schweiz erringt immer noch Siege.
Tennis-Ass Roger Federer, 39, aus der Schweiz erringt immer noch Siege. | Bild: Michael Dodge/dpa

Denn immer mehr Spitzensportler machen kurz vor oder hinter der Schwelle zu Ü40 von sich reden. Wie etwa der 39-jährige Zlatan Ibrahimovic, dessen Vertrag der AC Mailand im letzten Sommer verlängerte. Die deutsche Kanutin Birgit Fischer war 42, als sie ihre letzte Olympia-Medaille holte, und Kelly Slater holte Ende 2019 als 47jähriger den „Triple Crown of Surfing“, dem hinter der Weltmeisterschaft wichtigsten Titel im Surfen.

Auch Dirk Nowitzki, Paula Radcliffe, Kristin Armstrong, Bernhard Langer, Claudia Pechstein und Gianluigi Buffon hatten jeweils Karrieren, die bis in die Ü40-Zone reichten. Nicht zu vergessen Box-Weltmeister Henry Maske, der mit 43 Jahren noch 2007 den WM-Titel zurückholte und in den Box-Olymp aufstieg. Sie sind nicht etwa Ausnahmen, sondern Bestätigung für einen Trend.

Denn laut Prof. Wilhelm Bloch von der Sporthochschule Köln gibt es immer mehr ältere Sportler, „die noch im sehr guten Leistungsbereich sind“. Ihre Maximalleistung erreichten sie zwar oft nicht mehr, so der Sportmediziner, doch im Wettkampf seien sie immer noch „Weltklasse“. Sie könnten also noch die meisten Athleten schlagen – nur eben sich selbst nicht mehr, wie sie im Zenit ihrer Leistungsfähigkeit waren.

Ausdauer bleibt länger erhalten

Womit sich bereits andeutet, dass die erfolgreichen Senioren im Leistungssport nicht das komplette Arsenal ihrer Fähigkeiten konservieren können. Denn der Zahn der Zeit nagt natürlich auch an ihnen. Während die Ausdauer erst spät und dann auch nur mäßig nachlässt, geht es bei Schnelligkeit und Kraft ziemlich schnell bergab. „Bei Sportarten, in denen die Geschwindigkeit eine große Rolle spielt, ist es schwieriger, jenseits der 30 oder 35 noch eine gute Leistung zu bringen“, betont Bloch.

Die meisten erfolgreichen Ü40-Athleten kommen deshalb aus den Ausdauersportarten. Oder aber aus Disziplinen, in denen man konditionelle Mängel gut mit Wettkampferfahrung kompensieren kann. Wie etwa in den Ball- und Mannschaftssportarten. „Fitness und körperliche Geschwindigkeit nehmen zwar stetig ab“, erklärt Daniel Memmert, der in Köln zur Trainingslehre im Sport forscht. „Doch wenn die Geschwindigkeit im Kopf zunimmt, kann ein Spieler seine Altersdefizite kompensieren.“

US-Football-Legende Tom Brady
US-Football-Legende Tom Brady | Bild: Dirk Shadd/dpa

Vorteil des erfahrenen Spielers

Zlatan Ibrahimovic spottete einmal über einen überforderten Gegenspieler: „Ich ging erst nach links, dann nach rechts – und er ging und kaufte sich einen Hot-Dog.“ Das klingt wenig respektvoll, doch es verdeutlicht, was die Trainingsforschung die „Öffnung des Aufmerksamkeitsfensters“ nennt: Die Fähigkeit, gleichzeitig mehrere Ereignisse und Objekte bewusst wahrzunehmen.

Der erfahrene Sportler ist darin dem jüngeren in der Regel überlegen. Erstens, weil er durch seine langjährige Erfahrung weiß, worauf er in bestimmten Wettkampfsituationen achten muss. Und zweitens, weil er sich mehr auf diese Situationen konzentrieren kann, insofern er im jahrelangen Training seine eigenen Bewegungsabläufe so automatisiert hat, dass sie nicht mehr viel Aufmerksamkeit von ihm beanspruchen.

Boxlegende Henry Maske.
Boxlegende Henry Maske. | Bild: Messe Friedrichshafen

Ganz zu schweigen davon, dass die lange Erfahrung den älteren Athleten auch gelehrt hat, auf seinen Körper zu hören. Roger Federer betont gerne, dass er mittlerweile genau wisse, was er braucht, um fit zu sein. „Und ich weiß mittlerweile auch, wann ich welches Tempo auf dem Platz gehen kann.“ Dadurch schützt er seinen Körper vor Erschöpfung und Überforderung – und das ist Grundvoraussetzung dafür, um viele Jahre auf hohem Niveau spielen zu können.

Die Menschen werden immer älter, das hält sie jung

Doch der zunehmende Erfolg der älteren Jahrgänge im Sport erklärt sich auch aus Faktoren, die jenseits des Sports liegen. Wissenschaftliche Studien zeigen nämlich: Wir altern anders – sprich: deutlich langsamer – als früher. So werden die Menschen der Wohlstandsländer immer älter. Der Durchschnittsbundesbürger etwa darf mittlerweile – vor allem wegen der Fortschritte in Ernährung, Hygiene, Bildung und Medizin – auf ein Leben von 82 Jahren hoffen.

Zu Beginn des letzten Jahrhunderts lag man schon mit 50 über der üblichen Lebenserwartung. Und dieser Zugewinn an Lebensjahren bedeutet nicht etwa, dass wir im Alter länger dahinsiechen, sondern länger fit und gesund bleiben. „Das sieht man beispielsweise an der Tabelle der ältesten Mount-Everest-Bezwinger“ erklärt der österreichische Demograph und Altersforscher Sergei Scherbov. „1953 war das ein 39-Jähriger; 2013 schaffte es ein 80-jähriger Japaner.“

Menschen über 40? Wie früher die Dreißigjährigen

Für die Menschen im mittleren Lebensabschnitt heißt die Abflachung der Alterskurve: Ü40 ist das neue Ü30. „2010 hatten 40-jährige Menschen die gleiche Lebenserwartung wie 30-Jährige in den 1960er-Jahren“, so Scherbov. Und das sei nicht nur eine abstrakte Zahlenspielerei. Wer heute die 40 überschreite, fühle sich genauso fit wie jemand, der in den 1960er Jahren die 30 hinter sich ließ.

Bleibt festzuhalten, dass es sich bei all den Zahlen in den Alterungsmodellen um Durchschnittswerte handelt. Es mag also immer mehr Spitzenathleten unter den Ü40ern geben, doch es gibt auch immer noch jenes Ü40-Modell, das als Couch-Potatoe seine sportlichen Aktivitäten zu den Akten gelegt hat. Laut Bundesamt für Statistik bewegen sich zwei Drittel der Schweizer zu wenig, und bei den Bürgern um die 30 kann man geradezu von einem schockartigen Bewegungsstillstand reden. Aus ihren Reihen wird wohl kein Wimbledon-Sieger kommen.