Wird die Schweiz erneut zur Wintersportinsel, diesmal bei der 3G-Regel? Zur Erinnerung: 2020/21 öffnete das Land anders als die europäischen Nachbarn die Skigebiete samt Hotels. Wirtschaftlich ein cleverer Schachzug, zumal ein befürchtetes „Schweizer Ischgl“ ausblieb.

Nun preschte der mächtige Verband Seilbahnen Schweiz vor und meldete am Dienstagmittag überraschend, dass es in dieser Saison keine generelle Zertifikatspflicht für Skigebiete geben wird. Es würden dieselben Regeln wie im öffentlichen Verkehr gelten. Das hieße: Maskenpflicht in Bergbahngondeln und es muss gelüftet werden, in Ski- oder Sesselliften darf die Maske runter.

Gesundheitsministerium rügt Bergbahnen: „Ein bisschen vermessen“

Man habe sich mit dem Bund und den Kantonen nach „sehr konstruktiven“ Gesprächen geeinigt, erklärte der Verband, der mit der Lösung „sehr zufrieden“ ist. Der Haken: Die Bergbahnen freuen sich zu früh. Bei einer Pressekonferenz sagte Patrick Mathys vom zuständigen Bundesamt für Gesundheit (BAG) kurz darauf: „Jetzt, zu sagen, dass das so sein wird, finde ich ein bisschen vermessen.“

Zwar erklärte auch das BAG gegenüber dem SÜDKURIER zuvor, dass für Skigebiete dasselbe gelte wie überall sonst – also beispielsweise Maskenpflicht ab zwölf Jahren in Innenbereichen von Restaurants oder bei Veranstaltungen, aber eben auch 3G für über 16-Jährige. Ob Lifte und Bahnen hiervon ausgenommen werden, sei Sache des Bundesrats und nicht der Bergbahnen, rügte Patrick Mathys den Verband vor versammelter Medienschar. „Wir werden sehen, wie die Situation zu gegebener Zeit ist.“

„Das letzte Wort noch nicht gesprochen“

Der oberste Kantonsarzt Rudolf Hauri unterstrich: Er könne aktuell nicht sagen, ob es richtig sei, auch ungeimpfte und nicht-getestete Personen auf die Pisten zu transportieren. „Das wird sich erst noch zeigen. Ich denke, es ist auch noch nicht das letzte Wort gesprochen in diesem Fall.“

Für das BAG bleibt es also dabei, was es bereits zuvor dieser Redaktion mitteilte: Man befinde sich in Gesprächen mit den Bergbahnen und weiteren betroffenen Bereichen, entschieden ist aber noch nichts. Noch am Montagabend verwies der Bergbahnverband auf Anfrage selbst auf „laufende Gespräche“, zu denen „keine verbindlichen Aussagen“ getroffen werden können. Der Vorstoß, auf den der Bund nun überrascht bis brüskiert reagierte, dürfte auch dem Druck der regionalen Liftbetreiber geschuldet sein.

Insbesondere in Regionen, in denen die Saison bereits gestartet ist oder zeitnah beginnen soll, wuchs der Ärger über die wochenlangen, ergebnislosen Gespräche zwischen Politik und Verbandsspitze. Gäste und Bergbahnbetreiber erwarten Planungssicherheit und Klarheit über geltende Regeln, sagte etwa der Chef der Bergbahnen Flumserberg (Kanton St. Gallen) der 'Neuen Zürcher Zeitung'.

In Deutschland gilt 3G – oder sogar 2G plus

Die Nachbarn fahren auch diesmal einheitlich, zumindest in Sachen 3G. Das gilt in Deutschland, Österreich und Italien gleichermaßen, wenn auch in unterschiedlicher Ausgestaltung.

Die Regeln für Deutschland, Österreich, Italien und Frankreich

Vor Probleme gestellt würden durch das Vorpreschen des Bergbahnverbands durch eine Schweizer 3G-Ausnahme länderübergreifende Gebiete, die sich eine Bergbahn teilten. Wenn im ausländischen Teil 3G gelte, sei es nicht Aufgabe der Schweizer Bahn- und Liftbetreiber, das Zertifikat zu kontrollieren, hatte Hans Wicki, Präsident der Schweizer Seilbahnen, gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA hierzu gesagt.

Ostschweiz wollte keine Zertifikatspflicht für Skigebiete

Innerhalb der Schweiz gibt es schon jetzt eine eigene Wintersport-Insel: Die Fideriser Heuberge im Kanton Graubünden verlangen nämlich bereits für alle Bereiche im gesamten Skigebiet ein Corona-Zertifikat. Einlass gibt es nur für geimpfte, genesene oder negativ getestete Personen.

In der Ostschweiz hofft man noch auf eine nationale Regelung. Das sagte der Geschäftsleiter der Bergbahnen Wildhaus, Urs Gantenbein, dem 'Tagblatt'. Die Region, in der die Saison Anfang Dezember beginnen soll, wünschte sich das, was ihnen der Verband nun versprach, die Regierung aber noch nicht: keine Zertifikatpflicht, auch vor dem Hintergrund der ungeklärten Kontrollmöglichkeiten.

„Es gibt keinen Grund, unsere Branche anders zu behandeln wie den öffentlichen Verkehr. Auch Nichtgeimpfte sollen im Freien Sport ausüben dürfen“, fasste Gantenbein, der auch Vizepräsident des Ostschweizer Verbands der Seilbahnunternehmen ist, zusammen.

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Das Ergebnis des Durcheinanders zwischen Bergbahnen und Politik: Eine vorläufige Klatsche für den Verband, der sich gerade noch erfreut hatte, dass der Schweizer Sonderweg 2020/21 Verluste in Höhe von sechs Milliarden Franken (5,6 Milliarden Euro) vermieden hätte.

Diesmal konnte man den Bund offenbar auch nicht zu frühzeitigen Entscheidungen bewegen. Da half auch die Ankündigung nichts, sich gemeinsam mit dem Skischul-Verband an der nationalen Impfwoche in der zweiten Novemberwoche zu beteiligen.