Konstanz – Für die Juden im Südwesten setzt der kommende Sonntag einen Markstein: Im südlichsten Zipfel des alten Baden wird die neue Synagoge feierlich übergeben. Nach Jahren der Diskussion um den Standort und viel internem Streit in der Konstanzer Gemeinde wird das fertiggestellte Bethaus offiziell geöffnet. Die Synagogengemeinde Konstanz – der Bauherr und Eigentümer – erwartet unter anderem Ministerpräsident Winfried Kretschmann als Gast.

Die neue Synagoge, hier kurz vor Fertigsstellung. Das Fassadenmuster des alten Baus wurde wiederaufgenommen.
Die neue Synagoge, hier kurz vor Fertigsstellung. Das Fassadenmuster des alten Baus wurde wiederaufgenommen. | Bild: Lukas Ondreka

Drei Jahre sind seit dem Spatenstich 2016 vergangen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, auch wenn die räumlichen Bedingungen in der schmalen Sigismundstraße eingeschränkt sind. Die moderne Synagoge steht einige Hundert Meter entfernt von ihrem Vorgängerbau, der durch die Reichspogromnacht 1938 zerstört und abgerissen wurde. Der Standort ist gut gewählt: Im Bahnhofsviertel der Stadt am Bodensee lebten bis zur Vernichtungspolitik des NS-Regimes viele Juden. Zahlreiche Stolpersteine sowie eine Stele mit den Namen der Deportierten erinnern bis heute an die bedeutende Minderheit.

Wurde bei der Reichspogromnacht im Jahr 1938 zerstört: die alte Synagoge von Konstanz.
Wurde bei der Reichspogromnacht im Jahr 1938 zerstört: die alte Synagoge von Konstanz. | Bild: Archiv

Den Sabbat und andere religiöse Feste begingen die Konstanzer Juden bisher in den privaten Räumen eines Geschäftsmannes. Die neue Synagoge hat dagegen öffentlichen Charakter, sie gehört der Gemeinde und ist von der Straße aus zugänglich. Durch den Zuzug von Glaubensbrüdern aus Osteuropa war die Gemeinschaft gewachsen, was einen Neubau nahelegte. Dessen Fassade nimmt das Streifenmuster des alten, prächtigen Gotteshauses aus großherzoglicher Zeit auf.

Verunsichert durch Halle

Die jüdischen Gemeinden in Baden sind in der IRG Baden organisiert (Israelische Religionsgemeinschaft). Deren Vorsitzender Rami Suliman misst der jüngsten Synagoge große Bedeutung zu. Bei aller Vorfreude macht Suliman im Gespräch mit dieser Zeitung keinen Hehl aus seiner großen Sorge, die er nach den Ereignissen von Halle empfindet. Dort hatte ein Rechtsradikaler versucht, das Bethaus am Feiertag Yom Kippur zu stürmen. „In puncto Sicherheit ist unser Gefühl sehr schlecht,“ betont er für die Juden im Land. Und: „Immer mehr Juden, die ich kenne, wollen keine Kippa mehr tragen.“ Andere lehnen es ab, Briefpost der jüdischen Gemeinde anzunehmen, da der Davidsstern auf dem Kuvert prangt. Suliman selbst geht immer wieder ganz bewusst mit der Kippa auf die Straße. Das lässt er sich nicht nehmen, er zeigt sein Judentum.

Die Tora kommt in den Schrein

Das neue religiöse Zentrum wird nicht eigentlich eingeweiht. Vielmehr werden die Schriftrollen der Tora von der provisorischen Synagoge in das neue Gebäude getragen. Begleitet wird das von Musik und Tanz. In der neuen Synagoge werden die Schriftrollen in den Toraschrein eingestellt. Außerdem wird der neue Rabbiner ins Amt eingeführt.

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Mit der neuen Heimstatt sollen auch die Streitigkeiten zwischen liberalen und eher konservativen Gläubigen überwunden werden. In Fragen der Stellung der Frau in der Gemeinde und in der Synagoge lagen beide Gruppen weit auseinander. Das Motto für den Festakt am Sonntag ist deshalb gut gewählt, in der Einladung heißt es: „Wie gut und angenehm ist es, wenn Geschwister in Frieden zusammenleben.“

Eine schmale Gasse nur

Für die Polizei ist das prominente Gebäude in der engen Gasse eine Herausforderung. Die Synagoge stehe unter Polizeischutz, sagt Markus Sauter für das Polizeipräsidium Konstanz. „Im Moment deutet nichts auf eine konkrete Gefährdung hin“, sagt er, doch sei man auf der Hut.