Im Hotzenwald ist seit dem 19. November 2018 nicht mehr alles wie vorher. Der Gemeinderat von Görwihl (Landkreis Waldshut), das 4300 Einwohner zählt, sprach sich für eine Erhöhung der Hundesteuer aus, die sich zum dicken Hund entwickelte. Ab 2019 müssen Hundehalter 200 statt wie bisher 100 Euro jährlich für den ersten Hund zahlen, jeder weitere Hund kostet wie bisher ebenfalls 200 Euro. Damit könnte Görwihl bei der Hundesteuer bundesweit den Spitzenplatz einnehmen.
Laut Bürgermeister Carsten Quednow befinden sich derzeit 240 Hunde in der Gemeinde. „Seit der letzten Erhöhung des Steuersatzes im Jahr 2010 ist die Anzahl der Hunde in der Gemeinde im Schnitt um zehn Hunde pro Jahr angestiegen, aber auch die Beschwerden gehen nach oben“, berichtet er. Die Beschwerden würden sich gegen Hundehalter richten, die den Kot ihrer Tiere nicht von den Wegen und Wiesen entsorgen. Deshalb, so Quednow, handle es sich bei der Hundesteuer nicht um eine Einnahmequelle, sondern um eine Lenkungssteuer. „Die Hundesteuer soll die Hundehaltung eindämmen“, sagt er. Kommt hinzu, dass die Infrastruktur zur Beseitigung von Hundekot – „Robidogs“ mit Plastikbeuteln und Mülleimern – Kosten verursacht, ebenso die wöchentlichen Leerungen der Eimer.
Kurz nach Bekanntwerden des Beschlusses brach eine Welle der Empörung unter den örtlichen Hundehaltern los. Diese hatten in der Sitzung am 19. November weitgehend gefehlt, möglicherweise weil der Tagesordnungspunkt harmlos als „Anpassung der Hundesteuer“ angekündigt war und auch keine Details an die Öffentlichkeit gelangten. Pikant: Ein Vorschlag der Verwaltung bestand aus 365 Euro pro Jahr und Hund. Obwohl er keine Mehrheit im Gemeinderat fand, hagelte es heftige Kritik seitens der Görwihler Hundehalter.
Die 100-prozentige Erhöhung der Steuer für den Ersthund sei „unsozial, ungerecht und unchristlich“, hieß es in Leserbriefen, „ein Skandal“ und „von Hundehassern“ vollzogen. Eine Frau aus dem Landkreis Lörrach, die regelmäßig im Raum Görwihl in Urlaub war, bemerkte, sie werde „in Zukunft in eine hundefreundlichere Gemeinde ausweichen“. Hundehalter Patrick Menzel bezeichnete die „massive Erhöhung in der sozialen Verantwortung völlig daneben“. Und: „Diese Erhöhung der Hundesteuer ist Willkür. Sie wird als eine Abstrafung wahrgenommen und nicht als ein Versuch der Lenkung“, so Menzel.
Ist das noch sozial verträglich?
Sofort nach Bekanntwerden der Steuererhöhung kursierten zwei Unterschriftenlisten gegen den Gemeinderatsbeschluss. Über 800 Personen, auch solche, die keine Hunde halten sowie Bürger aus umliegenden Gemeinden, drückten ihren Unmut aus. „Unseres Erachtens wurde hier eine realitätsferne Entscheidung auf Kosten der Bürger getroffen, welche sich in keinem anderen Bereich unseres Lebens durchsetzen ließe“, erklärten sie. Ihre Forderung: „Eine Überarbeitung der Hundesteuersatzung mit dem Ziel, die Steuer auf eine sozial verträgliche Höhe zu verringern.“
Eine Überarbeitung der Satzung könnte jedoch auf sich warten lassen. „Der Beschluss ist rechtskräftig“, stellte Bürgermeister Quednow klar, als er am 13. Dezember die Unterschriften im Beisein eines SWR-Kamerateams entgegen nahm. Erst nach Ablauf eines halben Jahres könne die Satzung wieder zur Diskussion gestellt werden.
Görwihl wird nicht nur im Landkreis Waldshut, sondern voraussichtlich in ganz Deutschland ab dem neuen Jahr die höchste Hundesteuer aufweisen – sofern keine andere Kommune nachzieht. Was Tierarzt Friedrich Jehle zur Frage veranlasst: „Warum muss ausgerechnet Görwihl den Vogel abschießen?“ Jehle kommentiert die Steuererhöhung mit Blick auf die geplanten Investitionen in die Görwihler Infrastruktur von mehreren Millionen Euro so: „Das ist keine Lenkungssteuer, sondern eine Umlenkungssteuer, damit die Haushaltslöcher gestopft werden.“
Hundesteuer
Die Hundesteuer ist eine sogenannte Aufwandsteuer, die wie alle Steuern nicht mit einer bestimmten Gegenleistung (zum Beispiel die Beseitigung des Hundekots auf den Straßen) verknüpft ist und wird zur Finanzierung verschiedener kommunaler Aufgaben verwendet. „Sie ist eine örtliche Steuer, zu deren Erhebung die Gemeinden (in Baden-Württemberg und dem Saarland, Anm. d. Red.) gesetzlich verpflichtet sind“, erklärt Michael Swientek, Pressesprecher im Landratsamt Waldshut. Die Gemeinden können selbst bestimmen, in welcher Höhe Hundesteuer erhoben wird. „Bei der Festlegung der Steuersätze ist dem Satzungsgeber ein großer Ermessensspielraum eingeräumt“, sagt Swientek. Die bislang höchste Steuer in Deutschland erhob Mainz mit 186 Euro pro Jahr, gefolgt von Hagen mit 180 Euro. Zum Vergleich (Angaben beziehen sich auf Ersthunde): München 100, Stuttgart 108, Köln 156, Frankfurt und Hamburg je 90, Karlsruhe 120, Konstanz 108, Friedrichshafen 92, Singen 96 Euro. (pes)