Sebastian Küster, Alexander Michel und Steve Przibylla

Vor acht Jahren wurde eine Frau in der Nähe der Universität Konstanz in den frühen Morgenstunden fast vergewaltigt. Die Hochschule hat reagiert. Frauenparkplätze wurden geschaffen, auf der Hochschul-Homepage gibt es Präventionsmaßnahmen und ein Fahrradweg von der Uni nach Wollmatingen wurde beleuchtet.

Ein Erfolgsmodell? 2015 lag die Zahl der registrierten Straftaten im Bereich der Uni laut Pressestelle der Polizei noch bei 54, 2016 bei 41 und 2017 nur noch bei 31 Straftaten. Aktuellere Zahlen konnte die Polizei nicht liefern. „Ich gehe aber davon aus, dass sich an dem Trend nichts geändert hat“, so Markus Sauter von der Polizei Konstanz und ergänzt: „Eine gute Ausleuchtung von Wegen, die Einrichtung von Frauenparkplätzen und sonstige Maßnahmen stellen ein höheres Entdeckungsrisiko für einen potentiellen Täter dar.“

Helligkeit steigert Sicherheitsgefühl

Das weiß auch Renato Gigliotti vom Landesinnenministrium Baden-Württemberg: „Die Tatgelegenheitsstruktur kann in Einzelfällen von den örtlichen Begebenheiten, zu denen auch Beleuchtung zählt, abhängen.“ Unbestritten sei, dass helle Straßen das Sicherheitsgefühl positiv beeinflussen.

Das könnte Sie auch interessieren

Bei einer Umfrage des Präventionsrates auf dem sozialem Netzwerk Facebook wurde deutlich: In Konstanz gibt es zu dunkle Straßen. „Als erstes wurde die Schwaketenstraße beleuchtet“, teilt Mandy Krüger von der Stadtverwaltung mit.

Und auch Teile der Mainaustraße wurden mit intelligenter Beleuchtung ausgestattet. Fußgänger können seitdem per Knopfdruck die Straßenlaternen für rund eine Viertelstunde anschalten. Zudem wurden an einigen Straßen Bäume und Sträucher gekappt, damit das Licht auch künftig bis auf den Asphalt scheint.

Pilotprojekt am Rheinufer

Im Mai riefen die Stadtwerke ein Pilotprojekt für intelligente Straßenbeleuchtung am linksrheinischen Ufer ins Leben. 45 LED-Leuchten strahlen seitdem auf einer Strecke von rund einem Kilometer. Das Besondere: Die Leuchten sind sensorgesteuert und kommunizieren miteinander. So ist es möglich, dass sich die Beleuchtung nur bei Bedarf automatisch aufhellt und weniger Energie verbraucht wird.

Christian Trapp von den Stadtwerken Konstanz installiert LED-Leuchten für das Pilotprojekt am Rheinufer.
Christian Trapp von den Stadtwerken Konstanz installiert LED-Leuchten für das Pilotprojekt am Rheinufer. | Bild: Stadtwerke Konstanz

Der Ausbau der Beleuchtung zwischen dem SeaLife Center und der Schweizer Grenze ist laut Mandy Krüger bereits in Planung. Wann und wie genau das Projekt in die Tat umgesetzt wird, ist unklar. Wie viel Geld in die helle Stadt am Bodensee fließen wird, konnte Krüger zu diesem Zeitpunkt ebenfalls nicht mitteilen.

Smarte Laternen im Fauthweg

Der Fauthweg in Kaiserslautern ist gerade einmal 300 Meter lang. Dunkel, düster, ungemütlich. Kein Ort, an dem man nachts gerne verweilt. Doch es gibt Abhilfe. Wer sich unwohl fühlt, kann den Weg mit eigener Kraft erhellen. Am oberen und unteren Laternenmast befindet sich jeweils ein gelber Taster, der wie ein Ampel-Signalknopf aussieht. Einmal drücken, schon leuchten die LED 20 Mal heller als zuvor.

Möglich ist diese Erleuchtung durch zehn sogenannte smarte Laternen. Diese lassen sich je nach Bedarf heller oder dunkler stellen. Zusätzlich verfügen sie über Bewegungsmelder und Sensoren, die Feuchtigkeit und Temperatur messen.

„Früher haben sich junge Frauen hier nur noch zu dritt nach Hause getraut“

„Früher haben sich junge Frauen hier nur noch zu dritt nach Hause getraut“, sagt Frank Huber, Projektleiter beim kommunalen Tochterunternehmen KL.digital. Dank der neuen Laternen fühlten sich die Leute sicher. „Der Weg ist nun deutlich besser einsehbar“, sagt Huber. „Damit tragen wir dem individuellen Sicherheitsgefühl Rechnung.“ Eine solche Aufrüstung ist für Kommunen nicht billig: 15 000 Euro kostet eine smarte Laterne; ein Standard-Mast mit Gasdampf-Leuchtmittel nur etwa 1800 Euro.

Hell wie im OP-Saal?

Huber führt den Reporter über den Fauthweg. Am frühen Abend ist viel los. Hundebesitzer, Radfahrer und Pendler huschen über den engen Abschnitt. Am unteren Ende sitzen Jugendliche und hören Musik. „Wenn die Polizei hier kontrollieren würden, könnte sie die Helligkeit nochmals erhöhen“, sagt Huber. „Dann ist es so hell wie im OP-Saal.“ In diesem Moment steht die Beleuchtung allerdings auf normal: Den gelben Knopf hat niemand gedrückt.

Wie kam das Licht auf die Straßen?

Helligkeit gleich Sicherheit, Dunkelheit gleich Gefahr: So banal es klingt, so hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei den meisten Menschen das Kopfkino startet, sobald sie daran denken, nachts alleine durch den Park zu gehen. Betrunkene, Räuber, Triebtäter – dass das Ungemach im Dunkeln lauert, ist bei vielen Menschen tief verwurzelt. Je dunkler, desto gefährlicher. Aber stimmt das?

In Kaiserslautern kann die Polizei dazu keine belegbaren Zahlen vorlegen. So seien seit der Installation der smarten Laternen keine Straftaten im Fauthweg passiert – vorher, 2018, aber auch nicht. Bernhard Christian Erfort, Sprecher beim Polizeipräsidium Westpfalz, findet die Beleuchtung trotzdem gut: „Wenn es heller ist, sind die Sichtverhältnisse grundsätzlich besser und erleichtern die Arbeit der Einsatzkräfte“, sagt er.

Kriminologe sieht keinen Zusammenhang zwischen Dunkelheit und Verbrechen

Der Kriminologe Dietrich Oberwittler vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht ist sich unsicher, ob es einen Zusammenhang zwischen Dunkelheit und der Verbrechensrate gibt. Zwar zeige sich bei Umfragen der Trend, dass sich viele Menschen vor dunklen Ecken fürchteten. Ob Helligkeit im Umkehrschluss aber auch zu einem Rückgang der Kriminalität führt, sei noch nicht ausreichend belegt.

Die Angst vor dem Abstieg

Was die Wirkung auf das allgemeine Sicherheitsempfinden angeht, ist der Kriminologe skeptisch. Er beruft sich auf die Prekarisierungsthese, nach der Kriminalitätsfurcht eine tiefere Ursache hat: die Sorge vor dem sozialen Abstieg. „Wenn wir die Beleuchtung in einer dunklen Unterführung verbessern, ist auf dieser Ebene nichts gewonnen.“

Soziale Projekte fördern, statt smarte Laternen bauen

Stattdessen plädiert Hefendehl für eine gute Sozialpolitik, durch die sich auf lange Sicht auch das Sicherheitsgefühl verbessere. „Ich sehe aber das Risiko, dass lieber Hunderttausende Euro in smarte Laternen investiert werden. Für den Rest ist dann kein Geld mehr da.“

„Für uns ist die Akzeptanz der Bevölkerung das Wichtigste“

In Kaiserslautern wollen die Verantwortlichen im kommenden Frühjahr eine Umfrage machen. „Für uns ist die Akzeptanz der Bevölkerung das Wichtigste“, betont Projektleiter Frank Huber. Falls sich durch die smarte Beleuchtung niemand sicherer fühle, könne man durchaus noch einmal über deren Sinnhaftigkeit nachdenken.

Zum Abschluss stellt der Projektleiter die smarten Laternen auf 100 Prozent. Die Umgebung ist hell genug, um unerwünschte Gäste in die Flucht zu treiben: Die Jugendlichen, die sich zuvor noch betrunken hatten, sind nicht mehr zu sehen. Nur eines strahlt im Glanz der smarten Laternen besonders: die zehn leeren Plastikbecher, die die Wodka-Trinker hinterlassen haben.