Herr Hagel, Sie wollen Ministerpräsident werden. Falls jemand Sie noch nicht kennt: Was ist das Wichtigste, das man über Sie wissen muss?
Manuel Hagel: Familienpapa, VfB-Mitglied und leidenschaftlicher Fasnachter – also im Grunde alles ganz normal. Baden-Württemberg ist für mich das großartigste Land der Welt. Diesem zu dienen, empfinde ich als riesige Ehre.
Und was wäre das wichtigste Ziel, das Sie als Ministerpräsident sofort angehen würden?
Hagel: Nur ein Beispiel? Ich möchte, dass wir Krebsforschungsstandort Nummer eins werden. Wir haben auch die Chance, im Bereich Lebenswissenschaften an die Weltspitze zu kommen. Die Fusion der Kliniken in Mannheim und Heidelberg öffnet dafür einmalig eine Tür. Es macht mich wirklich kirre, dass wir seit Monaten nicht wirklich vorankommen.
Wo genau sehen Sie die Chance?
Hagel: Wenn wir es richtigmachen, können bis 2030 im Gesundheitsbereich Tausende neue Jobs entstehen. Wertschöpfung im zweistelligen Milliardenbereich ist möglich. Die Rechnung ist einfach: Je mehr Betten, desto mehr Patienten; je mehr Patienten, desto mehr Daten; je mehr Daten, desto mehr Forschung; je mehr Forschung, desto bessere Ergebnisse, desto mehr Start-up-Gründungen, desto mehr Wertschöpfung.
Aber um das in Gang zu setzen, brauchen wir Ambition. Wir müssen bei Entwicklung, Versuchen und Datenschutz wieder mehr zulassen, damit Neues entstehen kann. Wir brauchen Mut und Energie für eine neue Dynamik.

Vor der Bundestagswahl hat die CDU einen Politikwechsel angekündigt. Jetzt wurden Rekordschulden gemacht. Der Schock über diese finanzpolitische 180-Grad-Wende ist an der CDU-Basis gigantisch. Wie erklären Sie das Ihrer Parteibasis?
Hagel: Ich kann das verstehen! Ich hätte mir auch manches gewünscht. Zum Beispiel, dass wir erst über Einsparungen, Reformen und Investitionsbedarfe sprechen. Wir sind jetzt den zweiten Schritt vor dem ersten gegangen. Das war nicht ideal, es ging aber nicht anders. Ich glaube, diese Ehrlichkeit versteht die große Mehrheit im Land.
Sie selbst haben „eine Art Ewigkeitsgarantie für die Schuldenbremse“ gefordert. Hat sich das jetzt erledigt?
Hagel: Was heißt denn haben? Die fordere ich immer noch!
Der Bund hat die Schuldenbremse gelockert und gibt Ländern die Möglichkeit, das ebenfalls zu tun. Was machen Sie im Land?
Hagel: Wir sollten bei den aktuellen Verschuldungsregeln bleiben, die wir im Land haben. Die Schuldenbremse ist gut. Wir sehen keinen materiellen Änderungsbedarf. Es gibt auch im Moment keinen Bedarf für einen Nachtragshaushalt. Wir haben ja erst vor kurzem einen Investitionshaushalt verabschiedet.
In der CDU gab es große Erwartungen bei den Themen Migration, Wirtschaft, Soziales. Erfüllt der Koalitionsvertrag in diesen Punkten Ihre Erwartungen?
Hagel: Ja, der Koalitionsvertrag ist eine schöne Grundlage, um unser Land wieder in Ordnung zu bringen. Was mir besonders wichtig ist: Da sind viele richtig gute Punkte für Baden-Württemberg drin. Kleine und mittlere Einkommen werden entlastet und die Einkommenssteuer wird gesenkt.
Das Bürgergeld wird abgeschafft, genauso wie das Heizungsgesetz. Auch unsere Bauernfamilien werden entlastet. Und wir ermöglichen den Zuzug von dringend benötigten Fachkräften in unseren Arbeitsmarkt, gleichzeitig sichern wir unsere Grenzen und schieben endlich der illegalen Migration in unsere Sozialsysteme, die unser Land tief spaltet und unsere Kommunen überfordert, einen harten Riegel vor.
Sie selbst haben bei den Koalitionsverhandlungen im Bund die CDU-Delegation für Digitales geleitet. Welcher Punkt dazu im Koalitionsvertrag geht auf Ihren Input zurück?
Hagel: Das war eine echte Gemeinschaftsleistung. Wir haben als Verhandlungsteam sehr eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet – auch wenn es in einzelnen Punkten unterschiedliche Auffassungen gab. Am Ende war entscheidend, dass wir beim Thema Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Datensouveränität und Staatsmodernisierung an einem Strang gezogen haben.
Braucht Baden-Württemberg künftig ein Digitalisierungsministerium? Falls ja, welches könnte dafür weg?
Hagel: Wir haben uns für ein eigenes Digitalisierungsministerium auf Bundesebene ausgesprochen, das sich um KI, einen ganzheitlichen Digitalisierungsansatz und Staatsmodernisierung kümmert. Von diesem Gedanken bin ich total überzeugt. Am Ende geht es dann in Baden-Württemberg um die Funktionalität einer Landesregierung. Wir müssen uns nach der Landtagswahl den Zuschnitt aller Ministerien anschauen, um effizient Politik zu machen.
Sie haben mal gesagt, wir hätten im Land mindestens zwei Verwaltungsebenen zu viel. Brauchen wir eine neue Verwaltungsreform?
Hagel: Ja. Zwischen den Bürgern und der obersten Landesbehörde liegen fünf Verwaltungseinheiten. Das ist zu viel. Wir wollen Prozesse vereinfachen und beschleunigen. Deshalb müssen wir die Verwaltung dafür neu ausrichten. Dazu wird meine Partei einen ganzheitlichen Vorschlag machen. An dessen Ende wird stehen, dass wir uns von mindestens zwei Verwaltungsebenen verabschieden.
Welche Ebenen sollen weg?
Hagel: Im Winter werden wir auf unserem Parteitag die notwendigen Reformschritte vorstellen. Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich dem nicht vorgreifen kann.
In der Auto- und Zulieferindustrie im Land drohen zehntausende Arbeitsplätze wegzufallen. Was wäre Ihr Sofortprogramm?
Hagel: Wir haben immer noch die besten Voraussetzungen. Die besten Ingenieurinnen und Ingenieure, die besten Facharbeiterinnen und Facharbeiter der ganzen Welt kommen aus Baden-Württemberg. Deshalb geht es darum, unsere Unternehmen mit einer aktiven Strategie für Asien, Afrika oder Lateinamerika zu begleiten, um neue Absatzmärkte zu schaffen.
Autos für Afrika sind die Lösung?
Hagel: Auch, selbstverständlich! Unsere Autobauer haben immer für den Weltmarkt produziert. Wir dürfen uns doch nicht geistig und wirtschaftlich abschotten. Wir sollten uns endlich wieder darauf konzentrieren, die besten Autos und Maschinen in alle Welt zu exportieren und nicht nur deutsche Moral und Belehrungen.
Lassen Sie uns noch etwas über Sie persönlich reden. Sie sind junger Vater, haben drei kleine Kinder. Wie bekommen Sie Beruf und Familie unter einen Hut?
Hagel: So wie andere Familien auch. Am Ende ist es eine Frage der Organisation. Wir haben als Familie unseren Beat da ganz gut gefunden.
Wie viele Stunden arbeiten Sie in der Woche?
Hagel: Das ist unterschiedlich, keine Woche ist wie die andere. Ich versuche, so oft es geht sonntags daheim zu sein, außerdem an einem Abend pro Woche. Wir versuchen, regelmäßig als Familie zusammen zu frühstücken, und ich kann die Kinder in den Kindergarten bringen. Das ist mir wichtig.
Im neuesten Wahlvideo spazieren Sie mit Ihrer Familie zum Spielplatz. Wie oft kommt das in der Realität vor?
Hagel: Wir sind als Familie viel an der frischen Luft und in der Natur. Das ist unser Ankerpunkt. Meine drei kleinen Buben sind Antrieb für mich, jetzt die Ärmel hochzukrempeln, um unseren Kindern mal eine bessere Welt zu hinterlassen. Wenn die drei in 20 Jahren fragen: Papa, was habt ihr eigentlich getan? Dann will ich sagen können: Wir haben alles getan, was notwendig war, um die Wirtschaft, die Umwelt und das Bildungssystem wieder fit zu bekommen.
Man sieht Sie oft mit dem Handy in der Hand. Wie ist es denn bei Ihnen daheim, gibt es da ein Handyverbot?
Hagel: Das ist der Wunsch meiner Frau. Und ich bemühe mich wirklich redlich.
Haben sie mit Ihrer Frau schon besprochen, ob und wie sie im Fall der Fälle die Rolle einer First Lady oder einer Landesmutter ausfüllen möchte?
Hagel: Meine Frau ist sehr selbstbewusst und findet für die Dinge, die sie angeht, immer ihren eigenen Stil. Ich finde das super. Sie wird das im Fall der Fälle bestimmt ganz großartig machen, sicher mit viel Natürlichkeit, Herz und Bodenständigkeit. Dafür liebe ich sie.
Wahlgewinn vorausgesetzt: Wie hoch sollte der Frauenanteil in ihrem Kabinett sein?
Hagel: Das Tolle an der CDU ist, dass wir uns nicht über Quoten definieren. Wir haben so viele grandiose Frauen in unserer Mitte, dass wir jede Position immer mit einer Frau besetzen könnten.
Also ein Kabinett Hagel nur aus Frauen?
Hagel: Ein Kabinett Hagel wird genau so sein, dass sich das ganze Land dort in Köpfen und Themen wiederfindet.
Sie betonen oft Ihre Verwurzelung in Ehingen. Hatten Sie mal das Bedürfnis, da auszubrechen?
Hagel: Nein. Ich bin super gern in der Welt unterwegs, aber genauso gern wieder daheim. Diese Haltung von Heimatverbundenheit und Weltoffenheit, von Herkunft und Zukunft, von Tradition und Innovation, das ist für mich eine wahnsinnige Motivation, für dieses Land zu arbeiten. Mein Anspruch ist, die Klammer zu sein, die beides zusammenhält.
Lebenswelten in Stadt und Land gehen immer weiter auseinander. Was bieten Sie denen an, die in Ballungsräumen keine Wohnung oder keinen Kita-Platz finden?
Hagel: Wir werden uns bei unserem Parteitag im Mai mit 70 tollen Kandidatinnen und Kandidaten präsentieren und eine Landesliste aufstellen, die aus allen Teilen unseres Landes und aus allen gesellschaftlichen Gruppen kommt, genauso, wie eine bürgerliche moderne Volkspartei sein soll. Und dann werden wir unsere Vision „Baden-Württemberg 2036“ beschreiben und eine Agenda zeichnen, wie wir diese Ziele erreichen wollen.
Noch fünf Fragen mit der Bitte um kurze Antworten. Sie sind 36 und wollen Ministerpräsident werden. Wie sehr nervt die Frage nach dem Alter?
Hagel: Jedes Mal ein bisschen weniger.
Was können Sie besser als Cem Özdemir?
Hagel: Bürgerliche Politik.
Was kann Cem Özdemir besser als Sie?
Hagel: Grüne Politik.
Was ist ihr Lieblingsort in Baden?
Hagel: Das Stockacher Narrengericht.
Und warum sollten eigentlich Badener schon wieder einen Schwaben zum Ministerpräsidenten machen?
Hagel: Weil wir es in 80 Jahren geschafft haben, aus dem vermeintlichen Minus zwischen Baden und Württemberg ein echtes Plus zu machen. Und weil wir alle doch auch ein bisschen Schwabadener geworden sind.