Baden-Württemberg erwägt, den Konsum von Cannabis an bestimmten öffentlichen Orten, wie Volksfesten, Außengastronomien und Parks, zu verbieten. Das bestätigte das Innenministerium auf Anfrage dem SÜDKURIER.

Innenminister Thomas Strobl (CDU) kritisierte in diesem Zusammenhang erneut die Legalisierung von Cannabis durch die Ampelkoalition scharf. Er bezeichnet diese als „verkorkst“. Länder, Kommunen, Polizei, Justiz und die Ordnungsbehörden müssten den „Schlamassel dieses Bürokratiemonsters nun ausbaden“.

Strobl sagte zur Begründung für mögliche Verbotszonen für Cannabis-Konsum: „Wir wollen die Kommunen hier, wo es nur geht, stärken und unterstützen. Vor allem wollen wir ihnen die Möglichkeiten an die Hand geben, die sie benötigen, um das gewohnte Maß an Sicherheit für unsere Bürgerinnen und Bürger im öffentlichen Raum auch weiterhin zu gewährleisten.“

Laut Strobl prüft man jetzt ganz genau, was rechtlich möglich ist: „Denn klar ist: Wenn der Cannabiskonsum sich negativ auf die Sicherheit im öffentlichen Raum auswirkt, wenn unter dem Deckmantel der Legalität Orte entstehen, an denen der illegale Handel sprießt und dadurch Kinder oder Jugendliche einer besonderen Gefahr ausgesetzt sind, dann müssen wir handeln, um dieser Entwicklung entschieden entgegenzuwirken.“

Cannabis-Konsum in Deutschland: Was jetzt schon gilt

Die Ampel-Regierung hat den Konsum von Cannabis zum 1. April unter bestimmten Einschränkungen legalisiert. Dazu gehört allerdings auch eine umfassende Regelung: Verboten ist das Kiffen auf Spielplätzen, in Schulen, Sportstätten, also auch Fußballstadien, Kinder- und Jugendeinrichtungen und jeweils in Sichtweite davon – in 100 Metern Luftlinie um den Eingangsbereich.

Fußgängerzonen sind zwischen 7 und 20 Uhr ebenfalls kifffreie Zonen. Außerdem ist der Konsum verboten „in unmittelbarer Gegenwart von Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben“.

Bayern hat bereits konkrete Verbote

Der Vorstoß Strobls ist nicht neu im anhaltenden Streit um den Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik. Bayern hat bereits konkrete Verbote für Volksfeste und Biergärten beschlossen. Auch im berühmten Englischen Garten in München ist der Konsum von Cannabis nicht erlaubt. Die bayerische Landesregierung argumentiert mit dem Gesundheitsschutz. Ob das in Baden-Württemberg möglich ist, werde derzeit geprüft, hieß es aus dem Innenministerium.

Als erstes Bundesland hat der Freistaat Bayern außerdem einen Bußgeldkatalog erlassen. Die Bußgeldvorschriften, also der Rahmen in dem sich die Sanktionen bewegen, waren zuvor im Gesetz geregelt. Bayern hat diese ausgeschöpft, auch um ein abschreckendes Signal zu setzen:

Damit können für die Einfuhr von Cannabis-Samen aus Nicht-EU-Ländern (wie der Schweiz) zu Geschäfts­zwecken bis zu 30.000 Euro fällig werden. Die selbe Summe kann für das „unerlaubte Werben oder Sponsern für Cannabis und/oder Anbau­vereine“ verhängt werden.

Sieht Vorteile in Verbotszonen für Cannabis-Konsum: Uwe Stürmer, Leiter des Polizeipräsidiums Ravensburg.
Sieht Vorteile in Verbotszonen für Cannabis-Konsum: Uwe Stürmer, Leiter des Polizeipräsidiums Ravensburg. | Bild: Blust, Julia

Wer in Gegenwart von Minderjährigen kifft, muss mit einem Bußgeld von bis zu 1000 Euro rechnen. Zum Vergleich: Wer innerorts mit einem Auto an einer Schule mit 50 Sachen zu viel auf dem Tacho vorbeirast, zahlt weniger, nur 460 Euro – kassiert aber zwei Punkte in Flensburg und erhält einen Monat Fahrverbot.

Ravensburger Polizeichef sieht Vorteile

Prinzipiell sind solche Bußen auch in Baden-Württemberg möglich. Kommt es dazu? Aus dem Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration in Stuttgart, das von Manfred Lucha (Grüne) geführt wird, heißt es dazu erst mal nur: „Fragen zur Umsetzung des CanG im Land Baden-Württemberg, auch in Bezug auf das Ordnungswidrigkeitenverfahren und die konkrete Ausschöpfung des vom Bund vorgegebenen Bußgeldrahmens, werden gegenwärtig zwischen den beteiligten Ressorts der Landesregierung abgestimmt und geklärt.“

Der Ravensburger Polizeipräsident Uwe Stürmer erklärt, dass man nun Erfahrungen mit dem neuen Gesetz sammeln müsse, um zu sehen, wie sich die „etwas realitätsfern anmutenden Regelungen“ einigermaßen praxisgerecht und vor allem rechtssicher umsetzen lassen können.

Er erkennt die Vorteile von Verbotszonen, da hier keine Diskussionen über Entfernungen, Sichtachsen, die Anwesenheit von Minderjährigen und Uhrzeiten entstehen.

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Die Frage, ob Alkohol auch in Verbotszonen für Genussmittel, die einen Rausch erzeugen, verboten sein sollte, verneint Stürmer. Er erklärt, dass Städte und Gemeinden bereits seit einigen Jahren die Möglichkeit haben, Alkoholkonsumverbotszonen auszuweisen, jedoch seien die rechtlichen Hürden dafür hoch und bisher selten genutzt worden.

Wenn nun das Kiffen auf breiter Front auf öffentlichen Flächen zusätzlich Einzug hält, sei absehbar, dass sich bestehende Problemlagen verschärfen. Er betont, dass er die Gefahren von Alkoholmissbrauch nicht leugnen möchte, aber es die Situation nicht verbessert, reflexartig mit Analogien zum Alkohol zu argumentieren. „Als Polizei hätten wir es nach meiner Einschätzung mit Cannabis-Verbotszonen jedenfalls deutlich einfacher.“