Am 11. Oktober 2023 kam Justin D. noch zu Fuß in den Saal des Landgerichts Konstanz. Der muskelbepackte 33-Jährige musste sich hier gemeinsam mit anderen Mitgliedern der United Tribuns unter anderem wegen Drogenhandels und Zwangsprostitution verantworten.
Als einziger wurde Justin D. damals zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Nun sitzt er wieder hinter Gittern. Er wurde, ebenso wie Tribuns-Grüner Armin „Boki“ C. und dessen Sohn, bei einer groß angelegten Polizeiaktion der bosnischen Behörden am 9. Oktober festgenommen. Das meldete die Staatsanwaltschaft von Bosnien-Herzegowina.
Führende Köpfe hinter Gitter
Die sich einst als „Bruderschaft“ bezeichnete Gruppe hat ihren Ursprung in Villingen-Schwenningen hat, wo sie Armin C. 2004 gründete. Vom Schwarzwald aus entstand so ein weltweites Netzwerk – mit Kontakten zu Drogenkartellen in Südamerika. Die United Tribuns zählten laut Bayerischen Verfassungsschutz 2014 etwa 1700 Mitglieder in mindestens elf Ländern.
Die deutschen Behörden gingen mehr als einmal gegen die Gruppe vor, die führenden Köpfe – die Brüder Armin und Nermin C. – konnten sich allerdings nach Bosnien-Herzegowina absetzen.

Seither lebten Boki und Nermin C. unbehelligt in einer Villa in Bosnien-Herzegowina und stellten in sozialen Medien ihren pompösen Lebensstil zu Schau. Während beide mit internationalem Haftbefehl gesucht wurden, verschafften sie sich neue Identitäten und Pässe und zogen weiter die Strippen – auch in Deutschland. Nermin C. wurde 2022 verhaftet, als er versuchte, ins EU-Mitgliedsland Kroatien zu reisen. Inzwischen soll er ausgeliefert und in der Schweiz inhaftiert sein.
Ihm war nichts nachzuweisen

Als der Prozess vor dem Landgericht Konstanz begann, versteckte Justin D. sein Gesicht hinter einem Blatt mit der Aufschrift „Free all Brothers“ (Befreit alle Brüder). Gemeint waren damit wohl alle inhaftierten Mitglieder der United Tribuns, eine Gruppe von Rockern, die im September 2022 von Bundesinnenministerin Nancy Faeser offiziell verboten wurde. Den Aktivitäten der Gruppe tat das aber kaum einen Abbruch.
Der Familienname C. fiel auch in Konstanz immer wieder. D. wurde im Oktober 2023 vorgeworfen, eine junge Frau durch das Vorspiegeln einer Liebesbeziehung und einer gemeinsamen Zukunft in die Prostitution gedrängt zu haben. Ermittler nennen das die ‚Loverboy-Methode‘.
Ein Teil ihrer Einnahmen soll an die Rockergruppe gegangen sein. Eine andere Prostituierte belastete als Zeugin zwar Justin D., zur Führungsriege um die C.s zu gehören. Nachzuweisen war ihm das allerdings nicht. Denn Geld habe er in die gemeinsame Kasse der Rocker nicht eingezahlt. Vielmehr soll D. sich nur daraus bedient haben.
Günstige Sozialprognose
Zwar legte D. wie alle Mitangeklagten ein Geständnis ab, sein Beitrag zu den Vorwürfen der Zwangsprostitution wurde aber als geringfügig eingestuft. Mit der jungen Frau sei er inzwischen verlobt, „eine schädigende oder ausbeuterische Tendenz“ war ihm nicht nachzuweisen. Zudem sah die Kammer, trotz 14 Vorstrafen, eine günstige Sozialprognose.
D. plane, zu seiner Schwester ins Ausland auszuwandern, um in der Immobilienfirma ihres Verlobten zu arbeiten. Justin D. wurde zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, ausgesetzt auf Bewährung.
Wie die Gruppe vorgegangen sein soll
Nun wurde D. wieder festgenommen. Dieses Mal mit dem Gründer der Tribuns. Zuerst berichtete darüber der „Schwarzwälder Bote„. Wieder wirft den beiden eine Staatsanwaltschaft schwere Verbrechen vor – wie internationaler Menschenhandel, internationale Verführung zur Prostitution und Geldwäsche.
Ein Bericht des bosnischen Portals Raport.ba, der auf Unterlagen des bosnischen Gerichtshofs verweist, nennt grauenvolle wie menschenverachtende Details. So wird der Gruppe um Boki vorgeworfen, mit Gewalt, Drohungen und manipulative Taktiken junge Frauen und minderjährigen Mädchen in die Prostitution gezwungen zu haben. Die Gruppe soll dazu die „Loverboy“-Methode genutzt haben.
Strenge Hierarchie unter den Frauen
Frauen, die fliehen wollten, seien brutal bestraft worden. Sie seien teils gegen Bäume geschlagen oder ertränkt worden. Innerhalb der Frauen habe zudem eine strenge Hierarchie geherrscht. Einige sollen den Titel „Ehefrau“ erhalten haben und sich Symbole tätowieren haben lassen dürfen, um ihre Loyalität zu zeigen. Zwang und Freiheitsberaubung seien an der Tagesordnung gewesen. Boki habe auch Zeugen mit 350.000 Euro Schweigegeld zu bestechen versucht.

Die Gruppe operierte international – in Bosnien, Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Erlöse seien größtenteils an Familie C. gegangen.