Morgens um 7 Uhr ist die Uhr Welt mindestens am Mindelsee noch in Ordnung. Die ersten Frühschwimmer gleiten vorsichtig ins Wasser, einige Jogger traben durch die Kieswege am schattigen Ufer des Gewässers. Auch zwei Fischer machen sich bereit: Gudrun Böhler und ihr Bruder Friedhelm Glönkler sind zur frühen Stunde bereits auf dem braun glänzenden kleinen See unterwegs. Mit einem Ruderboot gleiten sie fast unhörbar durch die Nebelschwaden und legen ihre sieben Netze aus.

Dass auf einem See auch Fischer unterwegs sind, gehört eigentlich zur Tagesordnung. Ungewöhnlich ist etwas anderes: die Reichenauer Geschwister holen Hecht und Brachse mitten aus einem Naturschutzgebiet. Denn der Mindelsee auf dem Bodanrück (Kreis Konstanz) steht seit 1938 unter verschärftem Schutz. Das Gewässer wird sonst nicht bewirtschaftet, auf den angrenzenden Feldern stehen höchstens Schafe. Intensiver Ackerbau ist längst Geschichte.

Man kann auch sagen: Alles was hier geschieht, wird beobachtet und dokumentiert. Einige Kilometer weiter liegt das Zentrum des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) in Möggingen, das den Mindelsee betreut.

Gudrun Böhler und ihr Bruder sind die einzigen Pächter. Den Pachtvertrag haben sie von ihrem Vater übernommen, der auch schon mit dem einfachen Ruderboot das dunkle Gewässer befuhr – übrigens das einzige Gefährt, das hier zugelassen ist. Motoren sind hier strikt verboten, am See herrscht eine unglaubliche Stille, zumal kaum Wasservögel unterwegs sind.

Der erste Fisch ist ein Hecht

Die Arbeit ist mühsam. Erst haben die Geschwister die Anfahrt von der Reichenau, vorbei an einer großen Straßenbaustelle. Dann das Rudern, das Vorbereiten der Netze, das Lösen der Fischer aus den Maschen. Am Ende eines frühherbstlichen Morgens zappeln etwa 30 Tiere in den Behältern. Der erste Fang ist ein Hecht, er wird bejubelt.

Auch Hechte werden aus dem geschützten See gezogen.
Auch Hechte werden aus dem geschützten See gezogen. | Bild: Fricker, Ulrich

Es folgen Kretzer, Rotaugen, Brachsen. „Ab und zu finden wir auch eine Forelle“, berichtet Glönkler. Als früherer Fischereiaufseher ist er vom Fach, während seine Schwester „nur angelernt“ sei, wie sie sagt.

„Wir haben das ganze Jahr eigenen Fisch“, berichtet Gudrun Böhler. Bei kleineren Fischen „freut sich die Katz‘“, schmunzelt sie. In den Verkauf gehen sie mit ihrem Fang nicht. Dafür holen sie zu wenig Beute aus dem wunderlichen See. Gewinn liegt nicht in ihrer Absicht. Trotz allen Aufwands reizt sie die Arbeit am See – eine exklusive Mühsal.

Der Fang wird Stück für Stück aus den Maschen gelöst.
Der Fang wird Stück für Stück aus den Maschen gelöst. | Bild: Fricker, Ulrich

Sie sind die einzigen, die am Mindelsee Netze stellen dürfen. Frau Böhler nennt das „ein Privileg“. Ihr Bruder schwärmt von der Atmosphäre, die er hier wahrnimmt. Das einfache Holzboot ist das einzige Gefährt, das sich hier bewegt. Untergebracht wird es in einem einfachen Schuppen am Ufer als dem einzigen Baukörper hier.

Ihrer Leidenschaft wollen die beiden noch lange nachgehen. Etwa einmal in der Woche stoßen sie vom Ufer ab und schauen, wo der Hecht lauert.

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Der Ertrag geht zurück

Nur eines macht ihnen Sorgen: Wie am Bodensee geht der Ertrag auch hier zurück. Mit etwa gut 100 Kilogramm Fisch rechnen sie in diesem Jahr. „Felchen gehen kaum mehr ins Netz“, sagt Experte Glönkler. Der See ist sauber, auch weil kaum mehr „Nährstoffeintrag stattfindet“, wie er erklärt.

Das ist gut für das sorgfältig geschützte Habitat See – und schlecht für die Population der Fische. Und dann sichten sie immer wieder einzelne Kormorane, die vom Bodensee einfliegen. Eine Art Jagdausflug dieser geschickten Fischräuber, dem der Fischer mit Kummer zusehen muss.